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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krieg in der Ukraine Keine Panzer? Jetzt droht der Kreml mit Stalin-Bestrafung
Während die Ukraine westliche Kampfpanzer bekommt, muss Wladimir Putin seine Soldaten in Uralt-Fahrzeuge setzen. Die russische Führung schlägt Alarm.
Er galt einst als Hoffnungsträger, nun trägt er im Westen den Spitznamen "Putins Kettenhund". Dmitri Medwedew steht verbissen an der Seite seines Chefs Wladimir Putin, und seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat der ehemalige Präsident eine neue Rolle gefunden – er ist Putins kriegsrhetorischer Lautsprecher.
Medwedew droht und wütet, gerne über die sozialen Medien. Die Ukraine solle von der Landkarte verschwinden und Berlin dürfe sich nicht wundern, wenn es von russischen Raketen getroffen werden würde. Doch nun nimmt er auch die eigene Rüstungsindustrie ins Visier.
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Am Donnerstag war in Russland wieder ein Tag der langen Tische. Der Kreml verbreitete ein Video von Medwedew, in dem er vor Vertretern einer nationalen Rüstungskommission ein altes Telegramm von Sowjetdiktator Josef Stalin vorliest. Der ruft darin eine Fabrik in der Stadt Tscheljabinsk zur pünktlichen Produktion von Panzerteilen auf: "Sollte sich in ein paar Tagen herausstellen, dass Sie Ihre Pflicht gegenüber dem Vaterland verletzen, so werde ich damit beginnen, Sie wie Verbrecher zu zerschlagen", heißt es in dem Schreiben aus dem Jahr 1941.
Die Drohung zeigt vor allem, dass der Kreml mit der eigenen Rüstungsproduktion nicht zufrieden ist. In Russland beginnt, so scheint es, langsam die Panzer-Panik.
Das Telegramm des sowjetischen Diktators passt symbolisch zur aktuellen Ausrüstungslage der russischen Armee in einigen militärischen Teilbereichen. Schon jetzt lässt Putin Panzer in die Ukraine schicken, die noch vor Stalins Tod im Jahr 1953 gebaut wurden. Ein Dilemma für die russischen Soldaten, die mit dem alten Gerät bald gegen westliche Panzer kämpfen müssen. Was sagt das über die russische Rüstungsindustrie aus?
Hohe Verluste in einem brutalen Abnutzungskrieg
Russland ist bislang nicht bereit, seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden und ukrainisches Territorium zu verlassen. Auf der anderen Seite wurde die Ukraine in den vergangenen Monaten umfassend vom Westen aufgerüstet, Kampf- und Schützenpanzer sowie Kampfflugzeuge und Mengen an Munition sind auf dem Weg ins Land oder bereits angekommen. Der blutige Abnutzungskrieg wird wahrscheinlich noch Monate andauern, und es sieht so aus, als könne die ukrainische Armee im Frühjahr eine weitere Offensive starten.
Wer ist Dmitri Medwedew?
Dmitri Anatoljewitsch Medwedew ist 57 Jahre alt und war von 2008 bis 2012 Präsident und anschließend bis 2020 Ministerpräsident der Russischen Föderation. Danach wurde der treue Gefolgsmann Putins stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates.
Im Gegensatz zur Ukraine muss die russische Rüstungsindustrie vor allem die schweren Waffen selbst produzieren. Viele internationale Verbündete hat Russland nach Putins Invasion nicht mehr, und selbst China lehnt es derzeit noch ab, Moskau mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Selbst aus Nordkorea kann sich der Kreml keine Panzer erhoffen, weil die nordkoreanische Armee größtenteils nur über sehr alte Modelle verfügt. Deswegen muss sich Putin auf die russische Rüstungsindustrie verlassen.
Unklar ist allerdings, in welchem Zustand die Panzerproduktion in Russland aktuell ist. "Der militärisch-industrielle Komplex ist heißgelaufen", sagte Medwedew in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Der Westen versuche zwar, Russland von wichtigen Bauteilen abzuschneiden und behaupte, dem Land würden die Artilleriegeschosse, Panzer und Raketen ausgehen. "Dabei stellen wir allein 1.500 Panzer in diesem Jahr her."
Doch das sind wahrscheinlich nur russische Muskelspiele, mit denen Medwedew auf die Moral im Westen zielt. "Russland produziert etwa 200 bis 250 Kampfpanzer im Jahr, das sind etwa 17 im Monat", sagte der Militärexperte Gustav Gressel im Februar im Interview mit t-online. "Das sind T-90M, und hinzu kommen Panzer älterer Modelle aus den Depots." Eigentlich dürfte der russische Panzernachschub also gesichert sein.
Einige Hinweise auf große Probleme
Doch es gibt Hinweise auf große Probleme. Russland hat im Gegensatz zum europäischen Westen zwar den Vorteil, dass die Kriegswirtschaft schon vor dem Konflikt vergleichsweise große Produktionskapazitäten hatte. Aber es fehlt aktuell an Halbleitern und moderner Elektronik, die vor dem Krieg aus dem Westen importiert wurden.
Welche Auswirkungen die Sanktionen für die russische Kriegswirtschaft haben, zeigt das Schicksal des T-14 Armata. Von der russischen Propaganda einst als Wunderpanzer angekündigt, hat es der Armata bisher nicht auf das Gefechtsfeld in der Ukraine geschafft. Ein "Panzer für Paraden", spotten einige Militärexperten.
Ein zweiter Hinweis sind Bilder und Videos von russischen Zügen, die Panzer geladen haben, die viele Russinnen und Russen nur noch aus Militärmuseen kannten. Bereits vor Monaten sorgten T-64-Kampfpanzer international für Spott, weil die Sowjetunion diese in den Sechzigerjahren einsetzte. Nun wurden aber auch mehrere Züge mit T-54- und T-55-Panzern gesichtet – Modelle, die kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges gebaut wurden. Das georgische Conflict Intelligence Team (CIT) hatte die entsprechenden Fotos von den Panzern geprüft und analysiert.
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Es bleibt allerdings unklar, ob diese Panzer wirklich an die Front in der Ukraine geschickt werden. Als Ersatzteillager eignen sich die Museumsstücke nicht, doch Russland könnte sie eventuell in anderen Landesteilen stationieren, um moderne Panzer verlegen zu können. Aus der Ukraine gibt es bisher auch keine Berichte über Abschüsse der Uralt-Panzer.
Sowjetische Panzer hoffnungslos unterlegen
In jedem Fall zeigen die reaktivierten Panzerantiquitäten, dass auch Russland an der Belastungsgrenze kämpft. Der Militärblog "Oryx" listet etwa die russischen Verluste an militärischem Gerät im Ukraine-Krieg auf, die durch Bildmaterial dokumentiert sind. Demnach habe Russland bisher 1.871 Panzer verloren – die Hälfte des aktiven Geräts im Dienst. Nach einem Kriegsjahr knirscht es also auch in Russland an vielen Enden.
Am Ende ist wahrscheinlich auch eine Masse an T-54- und T-55-Panzern besser, als gar keine Panzer mehr zu haben. Aber die Panzerung der Fahrzeuge ist schlecht und bietet der Besatzung kaum Schutz vor moderneren Panzerabwehrwaffen. Der T-55-Panzer muss außerdem mindestens zwei Kilometer an sein Ziel herankommen, um es bekämpfen zu können. Der Leopard-2-Panzer zum Beispiel kann Ziele angreifen, die fünf Kilometer entfernt sind und selbst ein Duell mit einem modernisierten T-72 der ukrainischen Armee wäre für die russische T-55-Besatzung ein Selbstmordkommando.
Die russische Armee hofft deshalb wahrscheinlich nicht, dass mit den alten Panzern aus Sowjetzeiten Schlachten gewonnen werden können. Sollten sie wirklich an vorderste Front geschickt werden, dann mutmaßlich als Defensivwaffe. Aber das allein wäre schon ein Zeichen der Schwäche für die russische Rüstungsindustrie.
Um dieses Szenario zu verhindern, hat nun Dmitri Medwedew den russischen Panzerherstellern die Daumenschrauben angezogen – im Auftrag von Wladimir Putin natürlich. Wie gut oder schlecht der Ausrüstungsstand der russischen Armee tatsächlich ist, wird die ukrainische Offensive zeigen, die im Frühjahr erwartet wird. Solange bleibt vieles Spekulation.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- tagesspiegel.de: Medwedew droht heimischen Rüstungsvertretern mit den Worten Stalins
- oryxspioenkop.com: Documenting Russian Equipment Losses During The 2022 Russian Invasion Of Ukraine (engl.)
- notes.citeam.org: From Hibernation to Humiliation? Russia Brings T-54 Tanks Out of Retirement (engl.)
- spiegel.de: Jetzt kämpft Russland mit Panzern aus dem Museum
- Eigene Recherche