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Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin kämpft um seine Macht: Söldner-Gruppe vor dem Aus?


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Wagner-Chef im Niedergang?
Für Prigoschin geht es jetzt um alles


Aktualisiert am 27.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Jewgeni Prigoschin vor den Gräbern getöteter Wagner-Söldner: Der Putin-Vertraute kämpft gegen schlechte Presse und Personalprobleme. (Quelle: Uncredited)
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Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin wurden lange Ambitionen auf den Spitzenjob im Kreml nachgesagt. Jetzt gerät der Putin-Vertraute immer mehr in die Defensive.

In Bachmut scheint Jewgeni Prigoschin sein Waterloo gefunden zu haben. Monatelang haben die Söldner seiner Privatarmee Wagner versucht, die Stadt im Osten der Ukraine einzunehmen. Prigoschin wollte beweisen, dass seine rücksichtslosen Freischärler mehr erreichen können als die reguläre russische Armee, die von Prigoschin verbal immer wieder attackiert wurde. Für Bachmut opferte Wagner womöglich Zehntausende seiner Kämpfer, doch am Ende reichte es nur für den unbedeutenden Vorort Soledar – und nicht einmal diesen Triumph gönnte der Kreml dem Wagner-Chef.

Luftlandetruppen der Armee hätten Soledar erobert, verkündete Wladimir Putin in einer Fernsehansprache Mitte Januar – und verlor kein Wort über die Privatarmee seines Vertrauten Prigoschin. Stattdessen lobte Putin Verteidigungsminister Sergej Schoigu, den Prigoschin zuletzt mit Vorliebe aufs Korn genommen hatte. Putin wolle sich öffentlich von der schwer kontrollierbaren Wagner-Truppe absetzen, interpretierte die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) den Auftritt. Doch während die Angriffe auf Bachmut dem ISW zufolge stark nachgelassen haben, gerät Jewgeni Prigoschin weiter in die Defensive.

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Vierfachmörder in Diensten Prigoschins

Erst vor wenigen Tagen berichtete das unabhängige Portal "Wir können es erklären" über massive hygienische Mängel bei den Catering-Firmen Prigoschins, die das russische Militär mit Fertiggerichten versorgen. Von Hunderten Klagen des Kremls war die Rede – gestützt auf interne Dokumente des Verteidigungsministeriums, die durchgestochen wurden. Jetzt stürzen sich kremlnahe Medien auf den Fall Alexander Tjutin, in Russland bekannt als "Schwarzer Makler".

Der St. Petersburger Immobilienhändler wurde 2021 zu 23 Jahren Haft verurteilt, weil er 2005 den Mord an einem Geschäftspartner, dessen Frau und den zwei Kindern in Auftrag gegeben haben soll. Nach deren Beerdigung habe Tjutin gar auf das Grab der Familie uriniert, wie ein Zeuge vor Gericht aussagte. Erst 2018 flog Tjutin auf, als er einen weiteren Mordauftrag gegen seine Nichte erteilte – und dabei an einen verdeckten Ermittler geriet.

Prigoschin wehrt sich gegen Berichte

Doch statt seine Strafe abzusitzen, sei der inhaftierte Tjutin im Juli von der Wagner-Gruppe für einen Kampfeinsatz in der Ukraine rekrutiert worden, schreibt das Portal fontanka.ru. – obwohl er mit 66 Jahren gar nicht hätte aufgenommen werden dürfen. Schon im Dezember sei Tjutin dann unbeschadet nach St. Petersburg zurückgekehrt und am 17. Januar zu seiner Frau in die Türkei ausgereist, "wo er heute seine Nerven in Ordnung bringt", schreibt fontanka.ru süffisant: "ein magisches Glück".

Auch wenn Prigoschin in den russischen Medien nicht persönlich attackiert wird, sah er sich doch zu einer Stellungnahme genötigt. Die Berichte über Tjutin seien in der Öffentlichkeit "zweideutig aufgenommen" worden, schreibt der Wagner-Chef auf Telegram. Tjutin habe zwar eine Familie ermordet und in der Ukraine "wie durch ein Wunder" überlebt. Im Krieg sei er jedoch mehr wert als "drei oder vier oder noch mehr Pusteblumenjungen, deren Milch auf den Lippen noch feucht ist", schreibt Prigoschin. Er behauptet, Tjutin habe im November im Alleingang eine ukrainische Stellung erobert und dabei sieben gegnerische Soldaten getötet.

Findet Wagner keine Rekruten mehr?

Prigoschin scheint die Berichterstattung persönlich zu nehmen und fragt die Redaktion von fontanka.ru direkt, ob dort nicht jemand für die Wagner-Truppe kämpfen wolle: "Oder seid ihr alle Weicheier?" Dabei hat der Wagner-Chef offenbar nicht nur an der Propaganda-Front massiv zu kämpfen.

Wie der in Russland inhaftierte US-Soldat Paul Whelan berichtet, hätten die Wagner-Rekrutierer bei ihrem jüngsten Besuch in seiner Haftanstalt nur noch acht Männer gewinnen können – in der ersten Runde hätten sich 115 Freiwillige gemeldet, berichtet "Sky News" unter Berufung auf eine E-Mail Whelans an seinen Bruder. "Alle hier wissen genau, was Gefangenen droht, die für den Kreml in den Krieg gegen die Ukraine ziehen", schreibt Whelan. Tatsächlich seien von den etwa 50.000 Häftlingen, die Wagner rekrutiert habe, nur noch etwa 10.000 bei der Truppe, sagte kürzlich die Menschenrechtsorganisation "Russland hinter Gittern": "Die restlichen sind getötet, verletzt, verschollen, haben sich ergeben oder sind desertiert, unter anderem nach Russland mit der Waffe in der Hand."

Fusion von Wagner und Kadyrowiten?

Die Personalprobleme der Truppe bestätigt auch der Wagner-nahe Telegramkanal VChK-OGPU: "Die Frage, woher die Leute kommen sollen, bereitet uns große Kopfschmerzen", heißt es dort. "Wir brauchen Zehntausende von Menschen und praktisch täglich Nachschub." Aus den Strafkolonien seien zuletzt nur unbrauchbare Rekruten gekommen, auch die Söldner aus Zentralasien seien nicht geeignet. Nur "eine große Mobilisierung" und die Auslieferung von Kriegsdienstverweigerern an Wagner könne die Privatarmee noch retten, analysiert VChK-OGPU. Zuversichtlich sind die Autoren des Kanals aber nicht.

"Alles läuft darauf hinaus, dass sie versuchen werden, Wagner zu imitieren und weitere Privatarmeen aufzubauen", heißt es. Das Ziel sei es, den Einfluss Prigoschins zu verringern, den Ruf der Wagner-Truppe zu "verwischen" und ihr das beste Personal abzuwerben. "Die Wachleute von Wagner informieren bereits, dass die Kündigung des Vertrags und der Wechsel zu einer anderen Söldnergruppe als Verrat mit allen Konsequenzen angesehen wird." Das grausame Schicksal des Deserteurs Jewgeni Nuschin dürften alle Wagner-Kämpfer noch vor Augen haben – er wurde vor laufender Kamera mit einem Vorschlaghammer ermordet. Selbst eine Fusion der Wagner-Truppe mit den Kadyrowiten, den Kämpfern von Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow, werde inzwischen diskutiert: "Aber das ist wirklich schwer zu glauben", schreibt VChK-OGPU.

Wie es tatsächlich um Prigoschins Position im Moskauer Machtapparat steht, ist von außen kaum einzuschätzen. Seine Söldner kämpfen in der Ukraine an vielen Frontabschnitten und gelten als kampferfahren und -willig. Auf die Dienste seines Vertrauten aus gemeinsamen Zeiten in St. Petersburg kann Wladimir Putin daher schwer verzichten. Gleichzeitig muss der Kremlchef das "Gleichgewicht der Kräfte" innerhalb des Regimes wahren, wie der russische Journalist Michail Zygar schreibt. Ein zu mächtiger Prigoschin mit einer eigenen politischen Agenda würde dieses Gleichgewicht wohl stören.

Verwendete Quellen
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