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Russische Scheinreferenden haben begonnen


"Nicht die Tür öffnen"
Russland zwingt Ukrainer zur Fake-Abstimmung

Von reuters, dpa
Aktualisiert am 23.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Der Kreml geht bei den Scheinreferenden von einem Ja für einen Beitritt zu Russland aus. (Quelle: reuters)
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In vier von Moskau besetzten Gebieten haben die Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland begonnen. Kiew spricht von einer Propagandashow.

Russland hat am Freitag in der Ukraine die umstrittenen "Volksabstimmungen" über eine Annexion von vier besetzten Regionen eingeleitet. "Wir kommen nach Hause! Viel Erfolg, Freunde", sagte Wladimir Rogow, ein von Russland eingesetzter Vertreter in der Provinz Saporischschja, bei der Eröffnung der Wahllokale.

Neben dem Gebiet um Europas größtes Atomkraftwerk wird auch in den russisch besetzten Regionen Luhansk und Donezk im Osten des Landes sowie in Cherson einschließlich Teilen Mykolajiws im Süden darüber abgestimmt, ob diese Gebiete künftig zur Russischen Föderation gehören sollen. Der genaue Ablauf der vom Westen und der ukrainischen Regierung als Scheinreferenden bezeichneten Abstimmungen ist unklar, da die Gebiete nicht vollständig von russischen Truppen besetzt sind.

Angesichts russischer Repressalien wird davon ausgegangen, dass die bis Dienstag laufenden "Referenden" zu einem Anschluss der ukrainischen Gebiete an die Russische Föderation führen werden. Das Verfahren für eine Aufnahme der Regionen könne schnell gehen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Zugleich betonte er, dass dann Versuche der Ukraine, sich die Gebiete zurückzuholen, als ein Angriff auf die Russische Föderation gewertet würden. Die vier Regionen umfassen rund 15 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets.

Ukraine verurteilt Scheinreferenden als "Propagandashow"

Die Ukraine hat die Scheinreferenden als Propagandashow des Kremls bezeichnet. "Heute gibt es in den besetzten Gebieten keinen juristischen Vorgang, der "Referendum" genannt werden kann", schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. Die "Show" diene lediglich als Hintergrund für die Teilmobilmachung in Russland. Zugleich sagte Podoljak, dass die besetzten Gebiete "unverzüglich befreit" werden müssten.

Kiew drohte den Organisatoren des Vorgangs mit Strafverfolgung wegen Hochverrats. Zudem werde vor allem bei Mitarbeitern staatlicher Verwaltungen die Annahme russischer Pässe rechtlich geahndet. In den Gebieten gibt es viele Kollaborateure.

Der ukrainische Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, berichtete, in der russisch besetzten Ortschaft Bilowodsk habe ein Verantwortlicher gesagt, das "Referendum" sei verpflichtend. Wer seine Stimme nicht abgebe, verliere seine Arbeit und werde bei den Sicherheitsbehörden gemeldet. In Starobilsk hätten die russischen Behörden angeordnet, dass die Menschen die Stadt bis Dienstag nicht verlassen dürften. Bewaffnete Gruppen würden Wohnungen durchsuchen und die Bewohner dazu zwingen, ihre Stimme abzugeben.

Ukrainische Regierung sieht "Referenden" als Zeichen der Schwäche

"Heute ist es am besten für die Menschen in Cherson, die Tür nicht zu öffnen", erklärte Jurij Sobolewsky, der dem ukrainischen Regionalrat angehört, auf dem Nachrichtendienst Telegram. "Die Stimmung der Russen ist panisch, weil sie nicht darauf vorbereitet waren, dieses sogenannte Referendum so schnell durchzuführen."

Die ukrainische Regierung sieht die "Referenden" als weiteres Zeichen für Russlands Schwäche. "Jede Entscheidung, die die russische Führung auch treffen wird, ändert nichts für die Ukraine", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Uns interessieren nur die Aufgaben, die vor uns liegen: Das ist die Befreiung unseres Landes, unsere Bevölkerung zu verteidigen und dafür in der Welt Unterstützung zu mobilisieren."

Auch westliche Staats- und Regierungschefs kritisierten das russische Vorgehen scharf. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von inakzeptablen "Scheinreferenden", deren Ergebnisse nicht anerkannt würden. Ähnlich war Russland bereits bei der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 vorgegangen. Nach einem sogenannten Referendum erklärte die Regierung in Moskau das Gebiet zum Bestandteil Russlands. Völkerrechtlich ist dies aber nicht anerkannt.

Medwedew: "Jeder Eingriff in russisches Territorium ist eine Straftat"

Russlands Präsident Wladimir Putin hat erklärt, er werde russisches Territorium bis auf das Letzte verteidigen, einschließlich der Nutzung atomarer Waffen. Westliche Regierungen haben den Schritt allerdings eher als Verzweiflungstat Putins gewertet, der angesichts der bislang relativ erfolgreichen Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte jetzt auch innenpolitisch zunehmend unter Druck gerät. "Jeder Eingriff in russisches Territorium ist eine Straftat, die es uns erlaubt, alle Kräfte zur Selbstverteidigung zu nutzen", schrieb der russische Ex-Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew auf Telegram. Medwedew ist Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates.

Als weitere Reaktion auf die ukrainische Gegenoffensive vor allem im Osten, aber auch im Süden um Cherson ordnete Putin die Mobilmachung von rund 300.000 Reservisten an. Vor allem dieser Schritt hat zu vereinzelten offenen Protesten geführt, auch in Moskau und Sankt Petersburg. Putins Ankündigung hat zudem viele Menschen dazu veranlasst, das Land zu verlassen. Viele Flüge von Russland aus waren schnell ausgebucht.

Finnland registrierte auch am Freitag an seiner Grenze zu Russland weiterhin ein erhöhtes Aufkommen. Die Zahl der Einreisen von Russen habe sich am Donnerstag im Vergleich zur Vorwoche verdoppelt, teilte der finnische Grenzschutz mit. Ähnliches wurde von der Grenze von Russland nach Kasachstan gemeldet.

Bundesregierung zeigt sich offen für Aufnahme von Kriegsverweigerern

Dies hat in Deutschland eine Diskussion darüber entfacht, wie mit russischen Kriegsverweigerern umzugehen ist. Die Bundesregierung zeigte sich offen für deren Aufnahme. Dass sich viele Russen nicht an dem Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollten, sei ein gutes Zeichen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Es zeichne sich ab, dass es eine Fluchtbewegung nach Westen gebe. Nun suche man die Abstimmung mit EU-Partnern über den Umgang. Einzelne osteuropäische EU-Staaten wollen Russen die Einreise jedoch verweigern.

Sowohl das Außen- als auch das Innenministerium in Berlin betonten, dass diese Personen in Deutschland Asyl beantragen könnten. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, dass im Asylverfahren auch eine Sicherheitsprüfung stattfinde. Gerade bei Angehörigen des russischen Militärs müsse man wissen, wer eigentlich nach Deutschland kommen wolle.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
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