"Schwere Sabotage" an Ostseekabel? Finnland beschuldigt Russland – Behörden entern Schiff
Zwischen Estland und Finnland fällt ein Unterseekabel aus. Die Hintergründe sind derweil noch unklar. Finnische Behörden haben aber einen Verdacht.
Nach dem Ausfall eines Unterseestromkabels nach Estland haben die finnischen Behörden einen aus Russland kommenden Öltanker in der Ostsee unter ihre Kontrolle gebracht. Das auf der Cook-Insel registrierte Schiff "Eagle S" wurde am Donnerstag von der finnischen Küstenwache geentert, wie ein Vertreter der Küstenwache auf einer Pressekonferenz sagte. Diese habe das Kommando übernommen und das Schiff in finnische Gewässer gesteuert.
"Wir ermitteln wegen schwerer Sabotage", sagte Robin Lardot, der die behördenübergreifende Untersuchung leitet. "Nach unseren Erkenntnissen hat ein Anker des Schiffes den Schaden verursacht."
Der finnische Zoll teilte mit, dass er die Ladung des Schiffs beschlagnahmt hat. Man gehe davon aus, dass die "Eagle S" zu Russlands sogenannter Schattenflotte alternder Tanker gehöre. Diese versuchen, die Sanktionen gegen den Verkauf von russischem Öl zu umgehen.
Wohl keine Auswirkungen auf Stromversorgung
An dem Untersee-Stromkabel "Estlink 2" zwischen Estland und Finnland war am Mittwoch aus bisher unbekannten Gründen eine Störung aufgetreten. Die 658 Megawatt starke Stromverbindung sei daraufhin vom Netz genommen worden, teilte der finnische Betreiber Fingrid mit. Eine Untersuchung zu den Hintergründen der Störung laufe.
Zwischen den beiden Ländern ist damit nur noch das 358 Megawatt starke "Estlink 1"-Netz in Betrieb, wie Fingrid mitteilte. Die Reparatur der 170 Kilometer langen Verbindungsleitung "Estlink 2" werde Monate dauern. Der Ausfall könne im Winter zu einer angespannten Stromversorgungslage führen, betonte Fingrid.
Die Energieversorgung Estlands sei derzeit aber sichergestellt, zitierte der Sender ERR am Mittwoch den estnischen Netzbetreiber Elering. Laut ERR war "Estlink 2" bereits im Januar ausgefallen und bis September repariert worden. Damals sei die Ursache ein Kurzschluss gewesen.
Die finnischen Behörden seien auch an Weihnachten wachsam und arbeiteten an dem Problem, schrieb der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo auf der Plattform X. "Der Ausfall der Übertragungsleitung hat keine Auswirkungen auf die Stromversorgung der Finnen."
Höchste Alarmbereitschaft in der Ostsee wegen möglicher Sabotageakte
Der Ausfall eines Untersee-Stromkabels und drei Internetleitungen zwischen Finnland und Estland beschäftigen auch die Politik in beiden Staaten. Beide Regierungen wollten noch am Donnerstag außerordentliche Sitzungen abhalten, hieß es in getrennten Erklärungen. Man wolle sich ein Bild von der Lage machen. Der estnische Ministerpräsident Kristen Michal steht in engem Kontakt mit Kollegen im nordischen und baltischen Raum, wie er auf X schrieb.
In den Ostsee-Anrainerstaaten herrscht derzeit höchste Alarmbereitschaft wegen möglicher Sabotageakte, nachdem es seit 2022 mehrfach zu Ausfällen von Stromkabeln, Telekommunikationsverbindungen und Gaspipelines gekommen ist. Viele Experten halten Russland für einen möglichen Drahtzieher.
Schweden untersucht zwei beschädigte Datenkabel
Die schwedische Polizei untersucht derzeit zwei durchtrennte Telekommunikationskabel in der Ostsee. 2022 wurden drei der vier Nord-Stream-Pipelines, die russisches Erdgas nach Deutschland liefern, durch Explosionen in rund 80 Metern Tiefe zerstört. Ermittlungen zufolge handelte es sich um Sabotage. Nachdem anfangs Russland als Urheber im Verdacht gestanden hatte, deuteten später aber ebenso Spuren in die Ukraine.
Bei Seekabeln können auch Schiffsanker Schaden anrichten. Vorsatz ist in solchen Fällen schwer nachweisbar. Die finnische Polizei befasst sich derzeit auch mit der Beschädigung der Ostsee-Gaspipeline "Balticconnector" zwischen Finnland und Estland sowie mehrerer Telekommunikationskabel. In diesen Fällen geht die Polizei davon aus, dass ein Schiff mit seinem Anker die Schäden verursacht haben könnte.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters