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Olaf Scholz lädt zum Industriegipfel: Was soll dabei herauskommen?


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Tagesanbruch
Das ist der wahre Standortnachteil

MeinungVon Heike Vowinkel

Aktualisiert am 29.10.2024Lesedauer: 7 Min.
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Logo am VW-Kraftwerk: Mindestens drei Werke will der Autokonzern schließen, so der Betriebsrat. (Quelle: Schoening/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

heute geht es im Berliner Politikbetrieb um die Lage der Wirtschaft. Die ist bekanntlich schlecht. Das zweite Jahr in Folge ist von Wachstum kaum eine Spur. Erst gestern machte eine weitere Schreckensnachricht die Runde: VW will mindestens drei Werke schließen und Arbeitsplätze abbauen.

Wie passend, könnte man da also denken, dass Olaf Scholz Vertreter von Industrieverbänden und Gewerkschaften sowie ausgewählte Unternehmer zum Gipfeltreffen ins Kanzleramt einlädt. Eine kleine Runde, ganz zwanglos, weitere sollen bis Dezember folgen. Die Wirtschaft, das will er damit wohl signalisieren, ist nun Chefsache.

Zuvor treffen sich am Morgen die FDP-Fraktion und der Finanzminister mit anderen Wirtschaftsvertretern. Ein weiterer Gipfel als Ergänzung zur Kanzlerrunde, wie es nun so schön heißt. Was die FDP damit aber eigentlich zeigen will: Die wahre Wirtschaftspartei, das sind wir.

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Nur Robert Habeck, in dessen Portfolio der Bereich qua Jobbeschreibung gehört, lädt heute niemanden ein, er ist auch bei niemandem eingeladen. Aber dafür war der grüne Wirtschaftsminister ja vergangene Woche bereits mit einem Impulspapier vorgeprescht, in dem er einen "Deutschlandfonds" für die Wirtschaft forderte. Als Idee für die Gespräche der anderen, wie er es nun so nett formuliert.

Grundsätzlich schaden Treffen und Gespräche selten. Frei nach Bertolt Brecht könnte man allerdings auch sagen: "Ja, mach nur einen Gipfel! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten, gehen tun sie beide nicht."

Es stellt sich nämlich die Frage: Was soll bei all der Gipfelei heute eigentlich herauskommen?

An Gelegenheiten zum Ideenaustausch hat es schließlich in den vergangenen Monaten nicht gemangelt, zuletzt beim Arbeitgebertag vor einer Woche, wo alle drei Genannten anwesend waren und ordentlich kritisiert wurden. Erst vor einem Monat hatte Habeck außerdem zum Autogipfel per Videokonferenz geladen. Im Juni besuchten Scholz und Habeck den Deutschen Tag der Industrie. Im März traf sich Scholz am Rande der Münchner Handwerkermesse mit den Spitzen der deutschen Wirtschaftsverbände.

Woran es beim Kanzler allerdings bislang mangelte, war ein gewisser Realitätscheck: Monatelang beschwor Scholz ein "Wirtschaftswunder" und einen "Wachstumsturbo", die schon einsetzen würden, sobald die Maßnahmen seiner Regierung griffen. Nur: Zu viele Maßnahmen der Wachstumsinitiative, auf die sich die Ampel im Juli nach hartem Ringen einigte, lassen weiter auf sich warten. Einige, wie der Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte oder die 1.000-Euro-Anschubprämie für Langzeitarbeitslose (vom Boulevard auch "Arsch-hoch-Prämie" genannt), werden sehr wahrscheinlich ganz gestrichen. Kaum wurde Stimmung gegen sie gemacht, knickten Ampelmänner und -frauen der Reihe nach ein und distanzierten sich von ihnen. Andere, wie härtere Sanktionen gegen Bürgergeldempfänger oder ein abgeschwächtes Lieferkettengesetz, sind innerhalb der Ampel immer noch umstritten, es droht weiterer Streit. Und wer weiß, wie die Länder im Bundesrat abstimmen, wenn die Maßnahmen dort landen. Sie müssen schließlich einen Teil dieser Initiativen finanzieren.

Es gäbe also gerade noch viel zu tun. Natürlich kann man auch über zusätzliche Maßnahmen nachdenken – und wenn sinnvoll, diese gern gleich noch mit ins Wachstumspaket aufnehmen.

Was die Wirtschaft braucht, hat sie schon oft genug in den vergangenen Monaten klargemacht: bessere Standortbedingungen, also unter anderem niedrigere Strompreise, weniger Bürokratie, eine bessere Infrastruktur und vor allem eine Politik aus einem Guss. Doch genau daran mangelt es. Vor allem herrscht Dissens darüber, wie all das finanziert werden soll. 600 Milliarden Euro werden nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) allein für eine zukunftsfähige Infrastruktur in den kommenden zehn Jahren gebraucht.

"It's the economy, stupid" (frei übersetzt: Auf die Wirtschaft kommt's an, Dummkopf), lautete das Wahlkampfmotto von Bill Clinton 1992. Er hatte recht – und gewann damit die Wahl. Ein Jahr vor der Bundestagswahl geht in Berlin die Angst um vor einem weiteren Jahr Wirtschaftsflaute. Die Ampelparteien wissen: So lässt sich keine Wahl gewinnen. Deshalb haben alle drei die Wirtschaft nun als Wahlkampfthema entdeckt – allerdings mit sehr unterschiedlichen Politikansätzen.

Gipfel und Impulspapiere sind daher Augenwischerei. Sie können nicht über die Uneinigkeit der Ampel hinwegtäuschen. Der größte Standortnachteil ist aktuell die wirtschaftspolitische Unsicherheit, die die Ampel mit ihrer Uneinigkeit verbreitet.


Ihr Wille geschehe

Es ist schon eine erstaunliche Vorführung, die aktuell in Brandenburg, Thüringen und Sachsen stattfindet. Zu sehen ist dort die Suche nach einer stabilen Koalition. Weil die AfD in Thüringen stärkste, in Brandenburg und Sachsen zweitstärkste Kraft wurde, ist diese nur mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) möglich.

Normalerweise sind die Hauptfiguren bei so einer Koalitionssuche die entsprechenden Chefs der Landesparteien und -fraktionen. Sie loten gemeinsame Nenner zu landespolitischen Themen aus. Nicht so beim Newcomer BSW. Dort ist die Hauptdarstellerin die bundespolitische Chefin: Sahra Wagenknecht. Alles, was in Erfurt, Dresden oder Potsdam verhandelt wird, muss von ihr gebilligt werden. Sie ist es, die darüber entscheidet, ob es zu einer Koalition kommt oder eben nicht. Angelegt ist das schon in der Satzung des BSW, wie mein Kollege Carsten Janz recherchiert hat. Diese gibt dem Bundesvorstand deutlich mehr Einfluss auf die Landesverbände als andere Parteien.

Verhandelt wird entsprechend nicht nur über Landespolitisches, sondern auch über Waffenlieferungen an die Ukraine oder die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Weil Wagenknecht das ihren Wählern nun mal so versprochen hat – völlig egal, ob Bundesländer darüber zu entscheiden haben oder nicht. Fast wären daran die Gespräche in Thüringen gescheitert. Auch in Sachsen waren die Sondierungen unterbrochen worden, nachdem das BSW im Landtag mit der AfD für einen Corona-Untersuchungsausschuss gestimmt hatte.

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Nun wird in allen Bundesländern doch weiter verhandelt. In Brandenburg und Thüringen wurden Kompromissformeln gefunden. Die Verhandler von SPD und BSW in Brandenburg schrieben in ihren Entwurf, dass sie die von SPD-Kanzler Olaf Scholz mit den USA vereinbarten Raketenpläne kritisch sähen. Das Erfurter Papier erkennt dagegen nur an, dass "viele Menschen in Thüringen" die Stationierung kritisch sähen beziehungsweise ablehnten. Immerhin zeugt das dann doch noch von einer gewissen Kompromissfähigkeit.

In Thüringen sollen heute schon Koalitionsgespräche aufgenommen werden. In Brandenburg nächste Woche. Ob es wirklich zu einer Koalition kommt, ist damit aber noch nicht gesagt. Denn am Ende entscheidet weiterhin vor allem eine: Sahra Wagenknecht.


Gnadenlos

Wie grausam und unbarmherzig das iranische Regime ist, hat es am Montag erneut bewiesen: Am Morgen ließ es den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd trotz internationaler Kritik hinrichten. Sharmahd war 2020 auf einer Geschäftsreise nach Dubai in den Iran entführt worden, wo er seitdem in Haft gesessen hatte. Einen Monat nach seiner Entführung zeigte das iranische Staatsfernsehen Bilder von ihm, auf denen er mit verbundenen Augen und geschwollenem Gesicht – also offensichtlich unter Zwang – erklärte, er habe einer Terrorgruppe exklusives Material zur Verfügung gestellt. Wegen angeblicher Terrorvorwürfe wurde er später zum Tode verurteilt.

Die Bundesregierung hatte das Urteil scharf kritisiert und Sharmahds Freilassung gefordert. Sharmahd wurde in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren, wuchs in Deutschland auf und lebte zuletzt in den USA. Von dort aus setzte sich auch seine Tochter Gazelle für seine Rettung ein. Immer wieder hatte sie an die deutsche Regierung appelliert, mehr für ihren Vater zu tun, auch auf t-online. Vergeblich. Sein Tod dürfte die diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und dem Iran weiter verschärfen.


Was steht an?

Orbáns Alleingang: Die EU-Kommission zögert noch, in Georgien den Wahlsieg der russlandfreundlichen Regierungspartei Georgischer Traum anzuerkennen, bei den Parlamentswahlen am Sonntag soll es zu erheblichen Wahlfälschungen gekommen sein. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán unternimmt unterdessen mal wieder einen Alleingang. Am Montag reiste er in die Hauptstadt Tiflis, Ungarn hat turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz inne. Heute wird er offiziell von Ministerpräsident Irakli Kobachidse empfangen. Die Massenproteste auf den Straßen von Tiflis, zu denen auch die Staatspräsidentin schon für Montag aufgerufen hatte, dürften ebenfalls weitergehen.


Deutsch-griechische Freundschaft: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beginnt einen dreitägigen offiziellen Besuch in Griechenland. Ein Schwerpunkt werden die Verbrechen von Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg sein. So besucht er zusammen mit der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou auch das Gelände des künftigen Holocaust-Museums in Thessaloniki, das mit deutscher Unterstützung entsteht.


Erste Warnstreiks: In der Nacht zu Dienstag lief die Friedenspflicht in den Tarifverhandlungen für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten unter anderem im Maschinenbau und der Automobilindustrie ab. Deshalb kam es bereits zu mehrstündigen nächtlichen Warnstreiks. In Kiel und Hannover beginnt nun die dritte Runde in den regional geführten Tarifverhandlungen. Die IG Metall fordert 7 Prozent mehr Geld innerhalb eines Jahres. Die Metallarbeitgeber bieten 3,6 Prozent in einem Zeitraum von 27 Monaten, sie verweisen auf schwache Produktionswerte und fehlende Aufträge.


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Hoher Krankenstand: Es ist noch nicht Winter, und trotzdem sind schon viele Menschen krankgeschrieben. Was dahinterstecken könnte und welche Maßnahmen Unternehmen nun ergreifen, erklären meine Kollegen Mauritius Kloft und Jakob Hartung.


Ein Eklat ereignete sich am Montagabend bei der Verleihung des Ballon d'Or in Paris: Real Madrid boykottierte die Veranstaltung und löste damit Kopfschütteln in der Sportwelt aus. Was vom Fernbleiben des Weltklubs zu halten ist, kommentiert mein Kollege Christoph Cöln.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag ohne Unsicherheit und mit ganz viel Einigkeit. Morgen schreibt Christine Holthoff für Sie.

Herzliche Grüße

Ihre Heike Vowinkel
Textchefin t-online
X: @HVowinkel

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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