Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Robert Habecks wunderschöner Haufen Mist
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
es ist schon erstaunlich, was in diesen Tagen mit den Grünen passiert. Da steckt eine Partei bis zum Hals im Misthaufen, so tief, dass sich die Parteichefs dem Mist aus Ratlosigkeit ergeben haben. Und wenige Minuten später liest die halbe Parteielite routiniert von ihren Sprechzetteln ab, was für eine einmalige, gar historische "Chance" dieser wunderschöne Misthaufen sei.
Da haben wir einen Mann, der es einmal zum Programm dieser Partei erhoben hat, nicht mehr so viel Mist erzählen zu wollen. Und dann legt dieser Mann, Robert Habeck, selbst noch mal eine Lage Mist drauf. Nach einer reinen Lobeshymne auf die Parteichefs wird er im ZDF gefragt, warum Ricarda Lang und Omid Nouripour gehen mussten, wenn sie so perfekt seien. Und Habeck antwortet ernsthaft: "Weil sie heute zurückgetreten sind, zeigt das noch einmal, was für gute Parteivorsitzende sie waren."
Überhaupt: Robert Habeck. Der Mann, der sich immer mit einem Image als Grübler, als Suchender von anderen Politikern absetzen wollte. In der größten Krise seiner Partei, die er wie kein anderer mitzuverantworten hat, da grübelt und sucht dieser Robert Habeck: irgendwie gar nicht mehr. Statt innezuhalten, baut er sich die Grünen weiter nach seinen Vorstellungen um, mit Vertrauten in Schlüsselpositionen. "Bündnis 90/Der Robert" schreibt die "taz" auf ihrer Titelseite. Daneben: eine welkende Sonnenblume.
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Wer bei den Grünen jetzt nicht ratlos ist, der hat etwas nicht verstanden. Sie werden nicht mehr nur für die Politik kritisiert, die sie wirklich machen, was schwierig genug wäre. Sie werden auch für Politik kritisiert, von der andere nur behaupten, dass sie sie machen würden. Die Grünen haben den Einfluss darauf verloren, wie sie wahrgenommen werden. In weiten Teilen der Gesellschaft existieren sie nur noch als Karikatur ihrer selbst.
Es ist bemerkenswert. Da will die SPD eine neue Abwrackprämie haben, und ein deutscher Chefredakteur beklagt öffentlich "grüne Planwirtschaft" und bekommt dafür Applaus. Da schmeißen Grüne für die Kameras bei jeder Gelegenheit Steaks und Würstchen auf den Grill, und trotzdem kann die CDU mit "Grillen muss erlaubt bleiben"-Plakaten Wahlkampf gegen ein angebliches grünes Grillverbot oder Fleischverbot machen.
Der Vorwurf grüner Politik funktioniert inzwischen ohne grüne Politik. Er hat sich verselbstständigt, lebt und vermehrt sich unabhängig von der Partei. Sie sind nah dran am Kontrollverlust. Das zu sagen, macht die Grünen nicht zu unschuldigen Opfern, obwohl es sie gibt: die Kampagnen der politischen Gegner, des Boulevards, der russischen Trollfabriken. Nur diese Kampagnen würden eben kaum verfangen, wenn die Grünen nicht die Vorlagen geliefert hätten.
Womit wir wieder bei Robert Habeck wären. Sein Heizungsgesetz und das miserable Krisenmanagement danach waren nicht seine ersten und einzigen großen Fehler. Aber es waren die Fehler, die den Grünen noch immer am meisten nachhängen. Nicht nur in der Sache, sondern vor allem, weil sie ihr Image der lebensfremden Verbotspartei für Reiche wiederbelebt und verstärkt haben.
Robert Habecks Anhänger bestreiten das gar nicht, was es umso erstaunlicher macht, wie wenig ratlos sie sich zeigen. Das Heizungsgesetz war für sie eine Art Betriebsunfall ihres hochbegabten Politikerklärers. Zweifel am waghalsigen Experiment, dass ausgerechnet der Urheber die Partei wieder aus der Krise holen soll, gibt es nicht. Es ist ein erstaunliches Selbstbewusstsein.
Dieses Selbstbewusstsein wird zu Chuzpe, wenn man Habeckianern dabei zuhört, wo sie die Gründe für die Krise sehen. In Habecks Realo-Lager wird dann vor allem auf die Parteilinken gezeigt. Der Robert, der verhandle in der Regierung genau die richtigen Kompromisse, mache pragmatische Politik. Nur die Linken, die machten anschließend alles kaputt. Indem sie über die Kompromisse nörgelten und die Gesetze im Parlament verwässerten.
Die Hoffnung darauf, dass der nächste Kompromiss für die Grünen endlich Ruhe bringen könnte, ist allein schon kühn, wenn nicht gar Wunderglaube. Denn warum sollten ihre politischen Gegner aufhören, sie zum übernächsten Kompromiss zu treiben, wenn das doch so gut funktioniert? Und warum sollte das den Teil der Öffentlichkeit, der nur noch die grüne Karikatur wahrnimmt, überhaupt interessieren?
Völlig auszublenden scheinen die Realos ihre Rolle in dem Spiel: Niemand kommt auf die Idee, dass die eigene Kritik an der tatsächlichen oder gefühlten Parteilinken auch etwas mit dem Ansehen der Grünen macht. Dass sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden könnte.
Da sagt ihr einziger Ministerpräsident, Winfried Kretschmann, bei den Linken herrsche immer dieser "gesinnungsethische Überschuss", der "in Bekenntnissen" lande, man wolle immer "recht haben". Da wiederholt jeder zweite Realo ständig, es dürfe "keine Denkverbote" in der Migrationspolitik geben. Ohne zu sagen, was das eigentlich heißen soll, nämlich meist schlicht, dass sie eine Politik wollen, die andere nicht sinnvoll finden. Was ja okay ist, aber nichts mit Denkverboten zu tun hat.
Bei so viel Unsinn braucht es fast keinen Markus Söder mehr. Als machten die Grünen nicht gerade die härteste Asylpolitik der deutschen Geschichte mit. Als versicherten sie mittlerweile nicht bei jedem himmelschreienden Unfugsvorschlag, ihn selbstverständlich ergebnisoffen zu prüfen, bloß um dem Vorwurf zu entgehen, "pragmatische Lösungen" zu blockieren. Oder Werte zu haben.
Die Misere aber wäre nicht denkbar ohne die Schwäche des linken Parteiflügels. Er scheitert seit Jahren daran, eine personelle Alternative zu den Realos Robert Habeck und Annalena Baerbock aufzubauen. In den großen inhaltlichen Debatten plustern sich die Linken regelmäßig auf, nur um sich auf Parteitagen mit freundlichen Halbsätzen in Beschlusspapieren abspeisen zu lassen, die später Christian Lindner und Olaf Scholz eher nicht davon überzeugen, ihre Politik zu ändern.
Es spricht wenig dafür, dass mehr vom Gleichen die große Wende bringt, nur weil Robert Habeck jetzt für Mut und Zuversicht werben will. Eine Alternative zu ihm gibt es aber auch nicht. Es ist tatsächlich ein großer Haufen Mist für die Grünen. Oder wie es auf ihren Sprechzetteln steht: eine einmalige Chance.
Rechtsruck in Österreich
Die extrem rechte FPÖ hat die Parlamentswahlen in Österreich gewonnen. Die Partei von Spitzenkandidat und Rechtsausleger Herbert Kickl gewann das erste Mal in der Geschichte die meisten Stimmen. Die aktuelle Kanzlerpartei ÖVP kommt nach gewaltigen Verlusten nur noch auf Platz zwei.
Mein Kollege David Schafbuch sieht in dem Ergebnis auch eine "Warnung an Deutschland", wie er in seinem Kommentar schreibt. Die Wahl zeige, "dass die Hoffnung, dass sich extreme Parteien irgendwann selbst entzaubern, wenn man sie wie jede andere Partei behandelt, ein fataler Irrglaube ist." Er hat recht, fürchte ich.
Termine des Tages
Wie geht’s weiter in Nahost? Nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah soll es Trauerfeierlichkeiten im Libanon geben. Seine Terrorgruppe beschießt Israel seit Monaten massiv mit Raketen. Israels Gegenschlag nährt jetzt weltweit erneut die Sorge, dass es in der Region zum großen Krieg unter Beteiligung des Iran kommt.
Wo geht's in die Zukunft? Die Grünen-Bundestagsfraktion veranstaltet einen Kongress unter dem Motto "Mut macht Zukunft". Es geht um die Zukunft Deutschlands, aber natürlich auch um die der Grünen. Genug zu besprechen gibt es ja.
Wer regiert Thüringen? In Erfurt beginnen die Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD.
Meilenstein auf dem Weg zum Mauerfall: Heute vor 35 Jahren sprach Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Prag die erlösenden Worte. Er teilte Tausenden DDR-Flüchtlingen in der dortigen westdeutschen Botschaft mit, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik möglich geworden war. Hier können Sie diesen historischen Moment im Video anschauen.
Historisches Bild
Nicht zum Mittelpunkt der Erde, aber in die Tiefe der Meere stießt 1960 das U-Boot "Trieste" vor. Hier erfahren Sie mehr.
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Russlands Krieg verschlingt Soldatenleben zuhauf. Wladimir Putin braucht neue Rekruten. Jetzt indoktriniert das Regime die Jugend gnadenlos, schreibt unser Kolumnist Wladimir Kaminer.
Die AfD hat bei den Wahlen im Osten große Erfolge erzielt. Bald schon könnte der Bundestag beim Verfassungsgericht beantragen, ein Parteiverbot zu prüfen. Wir berichten, was im Antrag steht.
Russland führt einen Informationskrieg gegen Deutschland. Wie Putin die öffentliche Meinung hierzulande manipulieren lässt, haben die Experten Arndt Freytag von Loringhoven und Leon Erlenhorst meinen Kollegen Jonas Mueller-Töwe und Marc von Lüpke erklärt.
Zum Schluss
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche. Morgen schreibt wieder Chefredakteur Florian Harms für Sie.
Ihr Johannes Bebermeier
Leitender Reporter Politik
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Mit Material von dpa.
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