Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Parlamentswahl in Österreich Dann könnte Deutschland eine böse Überraschung erleben
Die rechtspopulistische FPÖ hat in Österreich ein Rekordergebnis eingefahren. Daraus lassen sich auch Lehren für die deutsche Politik ziehen.
Herbert Kickl hat geschafft, was seine Vorgänger sich nur erträumen konnten: Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ hat bei der österreichischen Nationalratswahl erstmals gewonnen.
Dass die FPÖ mit Herbert Kickl am Ende auch den Kanzler stellen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt damit nicht gesagt. Andere Parteien haben bisher eine Zusammenarbeit mit ihm in einer Regierungskoalition ausgeschlossen. Rechnerisch sind auch Koalitionen ohne die Rechtspopulisten möglich.
Nur ein vorübergehender Absturz
Das Ergebnis dieser Nationalratswahl ist dennoch historisch – und es sollte auch für den Umgang mit der AfD in Deutschland eine Warnung sein: Die österreichische Nationalratswahl zeigt, dass die Hoffnung, dass sich extreme Parteien irgendwann selbst entzaubern, wenn man sie wie jede andere Partei behandelt, ein fataler Irrglaube ist. Stattdessen zeigt sich, dass eine Normalisierung einer extremen Partei wie der FPÖ nur dabei hilft, immer stärker zu werden.
Die letzte Regierungsbeteiligung der FPÖ endete 2019 mit dem wohl größten Politskandal, den Österreich jemals erlebt hat: Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte im Urlaub auf Ibiza stundenlang über Manipulationen der Medien und Korruption vor einer falschen Oligarchennichte fantasiert und wurde heimlich dabei gefilmt. Mit der sogenannten "Ibiza-Affäre" platzte die Regierung. Straches Karriere war damit de facto beendet und die FPÖ war in den Umfragen abgestürzt.
Eigentlich war die Partei damit vor fünf Jahren vollends entzaubert. Doch der Skandal, der noch bis in die Gegenwart Kreise zieht, kümmert die Wähler in Österreich heute nicht mehr: Statt Strache steht nun Herbert Kickl an der Parteispitze. Die Inhalte haben sich derweil nicht verändert. Der FPÖ-Chef träumt öffentlich von einem Staat nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn: Kickl will Justiz und Medien angreifen, Migration nach Österreich nahezu unmöglich machen und für eine bessere Zusammenarbeit mit Russland sorgen. Wäre Kickl ein deutscher Politiker, wäre er wohl am ehesten vergleichbar mit AfD-Mann Björn Höcke.
Das Original gewinnt
Den Wähler schreckt das in Österreich nicht mehr ab, andere Parteien übrigens auch nicht: Inhaltlich haben die Rechtspopulisten längst gewonnen. Seit Jahren hat die FPÖ mit ihren Themen den öffentlichen Diskurs so weit nach rechts gerückt, dass ihr immer mehr Parteien inhaltlich hinterherrennen. Besonders stark zeigt sich das bei der konservativen ÖVP: Spätestens unter Kanzler Sebastian Kurz wurde der Partei etwa in der Migrationspolitik ein massiver Rechtsruck verpasst. Mittlerweile unterscheiden sich beide Parteien bei diesem Thema maximal noch in der Wortwahl.
Auch in Deutschland haben schon einige konservative Politiker am rechten Rand gefischt: CSU-Chef Markus Söder fabulierte einst vom "Asyltourismus", CDU-Chef Friedrich Merz von "kleinen Paschas" bis hin zu Geflüchteten, die den Deutschen angeblich die Zahnarzttermine wegnehmen. Es sind Worte, die so auch von jedem AfD-Politiker hätten stammen können.
Österreich wählte heute aber das Original vom rechten Rand und nicht die konservative Kopie. Eine "Brandmauer" wie zwischen Union und AfD gibt es in Österreich ohnehin nicht: Aktuell regieren ÖVP und FPÖ in drei Bundesländern gemeinsam, auf Bundesebene gab es die Koalition bereits zweimal. Auch jetzt spricht Kanzler Nehammer davon, dass es –abgesehen von Parteichef Kickl – zahlreiche vernünftige Politiker in der Partei gibt. Wer diese allerdings genau sind, lässt der Kanzler offen.
Druck auf Nehammer wächst
Intern sollen bereits jetzt viele Politiker Druck auf Nehammer ausüben, weil sie viel mehr Schnittmengen mit dem rechten Rand als mit den Sozialdemokraten, Liberalen oder Grünen sehen. Möglicherweise kommt es am Ende doch noch zu einer FPÖ-ÖVP-Koalition, nur eben ohne den bisherigen Kanzler. Es erinnert an eine extremere Form dessen, was sich CDU-Politiker in Ostdeutschland schon heute im Umgang mit der AfD anhören müssen.
Die Ergebnisse des heutigen Abends sollten vor allem Friedrich Merz und Markus Söder in Deutschland zu denken geben: Denn die Parteichefs von CDU und CSU haben auch zuletzt mit einer immer schärferen Rhetorik einen Weg beschritten, der sich dem der ÖVP durchaus ähnelt. Um den rechten Rand einzugrenzen, braucht es eben auch eine konservative Partei, die hinter sich eine scharfe Grenze zieht. Tut sie das nicht, könnte Deutschland in den kommenden Jahren eine böse Überraschung erleben.