Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Wie viel ist Ihnen Ihre Rente wert?
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt eine Frage, vor der es vielen jungen Menschen graut. Sie lautet: "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?" Meist fällt sie in Bewerbungsgesprächen, und meist erfindet der Gefragte eine Antwort. Denn seien wir ehrlich: Nur die wenigsten haben in jungen Jahren einen ausgeklügelten Plan für ihr Leben. Fünf Jahre – das wirkt wie eine Ewigkeit. Doch je weiter das Leben fortschreitet, desto überschaubarer wird es.
Wer heute Anfang 60 ist, weiß in der Regel ziemlich genau, wo er in fünf Jahren sein will: in Rente. Entweder weil dann das reguläre Eintrittsalter erreicht ist oder weil genug Beitragszeiten zusammen sind, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Viele spüren angesichts dieser Aussichten Erleichterung. Bald ist es geschafft. Das Ziel ist in Sicht.
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Es ist daher nur verständlich, wenn die immer wieder aufkeimende Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter die Menschen nervös macht. Wer will schon, dass aus der Zielgeraden doch noch mal zwei Extrarunden werden? Aussagen wie die des Gesamtmetall-Chefs Stefan Wolf, Menschen mit Schreibtischjobs sei eine Rente mit 70 zuzumuten, bereiten vielen Magenschmerzen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Ein späteres Renteneintrittsalter hätte immense Vorteile. Es könnte den Fachkräftemangel lindern und die Rentenkasse entlasten. Doch so etwas durchzuboxen, wäre wohl politischer Selbstmord.
Die Ampelkoalition hat sich denn auch für einen anderen Weg entschieden: Statt auf eine Pflicht, länger zu arbeiten, setzt sie auf Anreize. In ihrem 49-Punkte-Plan für mehr Wirtschaftswachstum macht sie Arbeitnehmern über 60 gleich zwei Angebote, von denen sie hofft, dass sie nicht abgelehnt werden.
- Wer neben der Rente weiterarbeitet und nicht weiter in die Rentenversicherung einzahlt, soll die Arbeitgeberbeiträge, die dennoch weiterfließen, direkt ausgezahlt bekommen. Gleiches gilt für die Beiträge des Arbeitgebers zur Arbeitslosenversicherung. Vom Hinzuverdienst bliebe also spürbar mehr Netto.
- Wer über die Regelaltersgrenze hinaus weiterarbeitet, ohne seine Rente in Anspruch zu nehmen, erhält später eine Einmalzahlung in Höhe aller entgangenen Monatsrenten – und obendrauf noch die Krankenkassenbeiträge, die die Rentenversicherung auf die nicht genommene Rente hätte zahlen müssen. Das nennt sich Rentenaufschubprämie.
Gerade Option Nummer zwei dürfte den einen oder anderen abwägen lassen, ob der Ruhestand nicht doch noch etwas warten kann. Zwar gibt es auch jetzt schon die Möglichkeit, sich einen Bonus zu erarbeiten, wenn man später als gesetzlich vorgesehen in Rente geht. Doch eine hohe Einmalzahlung wäre deutlich sichtbarer – und damit attraktiver – als der bisher mögliche Rentenzuschlag von 0,5 Prozent für jeden Monat, den man über die Regelaltersgrenze hinaus gearbeitet hat.
Denn nach den Plänen der Bundesregierung soll es die Einmalzahlung direkt zu Beginn des verlegten Ruhestands geben. Rentner könnten also das gesamte Geld sofort nutzen – beispielsweise für größere Reisen oder um endlich das Haus abzubezahlen. Mit dem bisherigen Rentenbonus wäre das nicht möglich. Denn der erhöht "nur" die monatlichen Rentenzahlungen. Das Geld fließt also schrittweise, dafür aber bis ans Lebensende.
Geld gegen Zeit – lohnt sich der Tausch?
Die Summen, um die es geht, können sich durchaus sehen lassen – zumindest, wenn die Rentenaufschubprämie so kommt wie im Wachstumspaket angekündigt: "abgabenfrei". Ein Durchschnittsverdiener, der heute auf gut 45.000 Euro brutto im Jahr kommt, erhielte nach Berechnungen des Geldratgebers "Finanztip" auf einen Schlag 47.000 Euro netto, wenn er statt 2024 erst 2026 in Rente gehen würde. "Abgabenfrei" wird hierbei so verstanden, dass weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern auf die Prämie anfallen.
Denselben Betrag hätte er über den Zeitraum von zwei Jahren bekommen, wenn er mit Erreichen der Regelaltersgrenze ganz normal die Rente in Anspruch genommen hätte. Doch davon wären noch Sozialabgaben und Steuern abgegangen. Die Frage ist allerdings, ob der Unterschied zur Prämie ausreichend groß ist, um zum Weiterarbeiten anzuregen.
Nach meinen Berechnungen blieben von den 47.000 Euro Bruttorente ohne weitere Einkünfte rund 39.600 Euro nach Abzug von Krankenkassen- und Pflegebeiträgen sowie Steuern übrig. Die Rentenaufschubprämie hätte also immerhin noch gut 7.000 Euro mehr gebracht – plus einen etwas höheren Rentenanspruch durch die weitergezahlten Beiträge. Ob das genügt, damit Fast-Rentner zwei Jahre Freizeit opfern, bezweifle ich allerdings. Oder wie viel ist Ihnen Ihre Rente wert, liebe Leserinnen und Leser?
Auch das Arbeitsumfeld muss sich ändern
Mit mehr Geld dürften ohnehin nur jene älteren Arbeitnehmer zu ködern sein, die erstens körperlich und geistig fit genug sind, um zusätzliche Jahre im Job zu meistern, und zweitens ein Umfeld vorfinden, das Lust auf Arbeit macht. Das scheint jedoch bei den meisten nicht der Fall zu sein.
So gaben in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Verian (ehemals Kantar) 53 Prozent der Erwerbstätigen unter 67 Jahren an, dass sie unter ihren aktuellen Arbeitsbedingungen eher nicht (31 Prozent) oder definitiv nicht (22 Prozent) bis zum 67. Lebensjahr arbeiten könnten – selbst die Regelaltersgrenze scheint also für mehr als die Hälfte nicht erreichbar zu sein. Lediglich 3 Prozent gaben an, bis 68 und länger arbeiten zu wollen.
Solange Menschen ihre Arbeit nicht als erfüllend und bereichernd empfinden, werden die geplanten Lockmittel der Ampel keinen großen Effekt haben. Über sie freut sich vor allem die verschwindend geringe Gruppe jener Ü60-Beschäftigten, die sich auch in fünf Jahren schon immer dort sah, wo Wirtschaft und Rentensystem sie gut gebrauchen können: am Arbeitsplatz.
Was steht an?
Rede an die Nation: Zur besten Sendezeit will sich US-Präsident Joe Biden an diesem Mittwochabend zu seinem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen äußern. Er werde über das sprechen, "was vor uns liegt, und wie ich die Arbeit für das amerikanische Volk beenden werde", kündigte der 81-Jährige auf der Plattform X an.
Eigentlich wollte auch er die große Bühne nutzen: Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu spricht ebenfalls an diesem Mittwoch in den USA. Zum vierten Mal tritt er vor den US-Kongress – und damit häufiger als jeder andere ausländische Staatschef zuvor. Inmitten der Turbulenzen um Bidens Rücktritt dürfte seine Rede allerdings etwas untergehen. Es sei denn, er ließe sich zu dem bewegen, was seine Kritiker fordern: verbindliche Zusagen für eine Waffenruhe in Gaza und ein Geiselabkommen.
Gerechter besteuern: Das Bundeskabinett will heute das zweite Jahressteuergesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beschließen. Es regelt unter anderem, dass die Steuerklassen 3 und 5 abgeschafft werden. Damit zahlt jeder Partner künftig nur den Lohnsteueranteil, den er auch am gemeinsamen Einkommen trägt. Wer davon profitiert und ab wann die Änderung gelten soll, habe ich Ihnen hier zusammengefasst.
Das historische Bild
Die Moral der Deutschen wollten die westlichen Alliierten mit dem Bombenkrieg brechen, in Hamburg entfachten sie 1943 einen Feuersturm. Mehr lesen Sie hier.
Ohrenschmaus
Wer hart arbeitet, sollte angemessen behandelt werden. Das wusste schon "Disco-Queen" Donna Summer 1983.
Lesetipps
Gemeinsam mit CDU und CSU will die Ampel das Verfassungsgericht vor dem Einfluss rechtsextremer Parteien schützen. Das ist richtig und traurig zugleich, kommentiert mein Kollege Christoph Schwennicke.
Die AfD, nur ein rechtsextremistischer Verdachtsfall? Darüber sei die Partei längst hinweg, die Behörden mit ihrer Einstufung der AfD seien weit im Rückstand, warnt der Rechtsextremismus-Experte Hendrik Cremer im Gespräch mit meiner Kollegin Annika Leister.
Hart und erbarmungslos, so präsentiert sich Wladimir Putin gerne der Öffentlichkeit. Doch der Kreml-Despot hatte eine Schwäche. Welche, erklärt der britische Russlandexperte John Sweeney im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.
Zum Schluss
Wahlkampfstrategie à la Trump – flexibel anpassbar.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag! Morgen schreibt Camilla Kohrs für Sie.
Herzliche Grüße
Christine Holthoff
Redakteurin Finanzen
X: @c_holthoff
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Mit Material von dpa.
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