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US-Wahl: Kamala Harris statt Joe Biden – doch Trump hat eine Geheimwaffe


Tagesanbruch
Dieses Drama wird noch schmutziger

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

Aktualisiert am 23.07.2024Lesedauer: 6 Min.
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Donald Trump mit seiner Frau Melania: Sie wird wichtiger denn je.Vergrößern des Bildes
Donald Trump mit seiner Frau Melania: Sie wird wichtiger denn je. (Quelle: Kevin Dietsch/Pool/Getty Images)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wer spannende Dramen liebt, ist mit der Realität derzeit bestens versorgt. Kein Drehbuchautor Hollywoods wäre imstande, so viele überraschende Wendungen, atemberaubende Vorfälle und vielschichtige Charaktere in eine Geschichte zu packen, wie es der US-Wahlkampf 2024 vermag. Sehen Sie selbst:

Episode eins: Ein stammelnder Präsident lässt sich von einem rhetorisch limitierten Lügenbold bei einem TV-Duell in die Schranken weisen.

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Episode zwei: Die mächtigsten Figuren der Weltbühne kommen zum Nato-Gipfel zusammen und eben jener Präsident aus Folge eins verwechselt vor laufenden Kameras den obersten Politiker der Ukraine mit einem Diktator aus Russland.

Episode drei: Der Dampfplauderer spricht vor Publikum und wird von einem Attentäter angeschossen. Die Kugeln verfehlen ihn knapp, er überlebt – und reckt blutüberströmt seine Faust Richtung Menge. "Kämpft", raunt er in die Kameras, während der Abspann läuft.

Episode vier: Der 81 Jahre alte, senil wirkende Präsident infiziert sich mit einem hartnäckigen Virus und begibt sich in Isolation. Hilflos hockt er in seinem Strandhaus an der Atlantikküste, während sich draußen die Ereignisse überschlagen. Als sich das Publikum schon fast gelangweilt abwendet, lässt er die Bombe platzen: Er verkündet seinen Rücktritt als Präsidentschaftskandidat für die Wahl in drei Monaten.

Womit wir in der Gegenwart wären: Joe Biden ist nicht mehr der Kontrahent Donald Trumps – es ist Vizepräsidentin Kamala Harris. Also aller Voraussicht nach. So sehen es die meisten Demokraten, die sich jetzt hinter ihr positionieren, um sie zu unterstützen. Und so bewerten es die vielen gut informierten Politbeobachter, die ihr zutrauen, den republikanischen Kandidaten zu schlagen.

Doch der Wahlkampf in den USA ist reich an Volten und die ersten vier Episoden des hier arg verkürzt dargestellten Ablaufs der Ereignisse zeigen: Nichts ist unmöglich. Wer weiß, welch komplett verrückt wirkende Geschichte die Massen als Nächstes in Staunen versetzt. Da ist schließlich noch der durchgeknallte Typ aus dem Fernsehen, der das Attentat überlebt hat und bereits eifrig seine verbalen Messer wetzt, um sich auf seine neuen Gegner einzuschießen.

Donald Trump muss umdenken. Seine Strategie, einen vermeintlich unfähigen, drei Jahre älteren Mann zu diskreditieren, ist mit Joe Bidens Rückzug verpufft. Er und seine Republikaner müssen sich nun auf eine 59-jährige, schlagfertige Kämpferin einstellen – und sie haben dafür ein Ass im Ärmel. Eines, das sie nicht gleich ziehen werden, aber je mehr sich Harris als Gegnerin herauskristallisiert, desto wichtiger wird Trumps privates Umfeld.

Denn mit ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach den neu gemischten Karten im Wahlkampf hat Kamala Harris gezeigt, was sie zu bieten hat: Instinkt und Emotionalität. Sie stellte sich am Montag vor die Kameras und lobte den amtierenden US-Präsidenten mit einer Erzählung über dessen verstorbenen Sohn Beau. Kamala Harris hob Bidens Arbeit der vergangenen vier Jahre hervor – und verlor kein einziges Wort über ihre eigene Kandidatur. Ein selbstloser wie aufrichtiger und bewegender Auftritt mit dem Fokus auf die in den USA so immens wichtige Familie.

Das Momentum liegt nun bei den Demokraten – und es gibt nichts, was Donald Trump mehr hasst, als das Gefühl, besiegt werden zu können.

Und genau das könnte das Drama erneut anheizen. Der Mann, der bei seinem letzten erfolgreichen Wahlkampf 2016 den Satz prägte, er "könnte jemanden erschießen und würde keine Wähler verlieren", weiß, dass er bereits unzählige Skandale unbeschadet überstanden hat – aber seine Gegnerin nur immer wieder mit einem Vorwurf konfrontieren muss, um Wirkungstreffer zu landen. Kamala Harris muss sich in Acht nehmen. Das demokratische Trauma von Hillary Clintons E-Mail-Affäre könnte sonst wieder erwachen.

Trump wird eine erbitterte Schlammschlacht in Gang setzen. Er wird Kamala Harris als "pathetisch" verhöhnen oder ihr unterstellen, international ein "Leichtgewicht" zu sein, so wie er es in der Vergangenheit bereits angedeutet hat. Womöglich wird es schmutzig. Die ersten Hetzvideos in den sozialen Medien kursieren bereits, verzerrt zusammengeschnitten und auf irreführende Art manipuliert. Sie zeichnen das Bild einer Hexe, die unangemessen in Lachen ausbricht und nur an die Macht kam, weil sie angeblich vor Jahrzehnten aus einer Liebesaffäre mit einem einflussreichen Demokraten Kapital schlug.

Die nächsten Episoden der "House of Cards"-ähnlichen Serie drohen düster zu werden. Ein mächtiger Mann, der sich eine aufstrebende Politikerin vornimmt – und dabei keine Grenzen kennt. Dabei wird es dann auf etwas ankommen, das Donald Trump allein nicht zu leisten vermag. Denn so sehr Amerika tollwütige Wahlkämpfe gewohnt ist, so sehr bedarf es auch einer Versöhnung. Viele Millionen Wähler werden durchschauen, was Trump vorhat – und so eindimensional, wie er oft porträtiert wird, sind er und sein Team nicht.

Ein Harmoniemittel streute er schon beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee unter die Menge: seine Familie. Der komplette Trump-Clan, mit all seinen unübersichtlichen Verästelungen, versammelte sich hinter dem Patriarchen. Seine Kinder huldigten ihm, seine Enkel sprachen von ihm als fürsorglichem Großvater.

Und seine Geheimwaffe blieb dabei noch in Deckung. Melania Trump trat zwar erstmals seit langer Zeit überhaupt wieder für ihren Mann auf die Bühne, zeigte sich mit ihm Hand in Hand und schenkte ihm einen Kuss, doch dabei dürfte es nicht bleiben. Mit ihren spärlichen Auftritten in der Vergangenheit steigert sie das Interesse an ihrer Person. Sie bleibt in Lauerstellung und damit eine Besonderheit. Wenn sie sich ins Licht stellt, sind ihr die Schlagzeilen sicher. Das weiß Donald Trump – und er wird es nutzen.

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Melania Trump wird für ihn wichtiger denn je. Ihre geheimnisvolle Aura könnte zu einer Verführungskunst für sonst unerreichbare Wählerschichten werden. Angesichts der Polarisierung zwischen Mann (Trump) und Frau (Harris) wirkt sie wie ein Korrektiv. Da der schäumende Chauvi, hier seine elegante Ehefrau. Als First Lady mag sie eher ihr Image als undurchsichtige Schönheit gepflegt haben, doch ganz Amerika kennt sie. Sie ist ein Star, in dessen Strahlkraft sich Donald Trump sonnen kann, um seine Schattenseiten verblassen zu lassen.

Für die Demokratin Harris, die mit ihrem eher unbekannten Ehemann Douglas Emhoff durch die Lande ziehen muss, könnte das noch zur Gefahr werden – es sei denn, sie erzählt die nächste, rührende Familiengeschichte à la Beau Biden.


Joe Biden in Amt – und Würden?

Die nächsten Monate werden ein Balanceakt für Biden. Er muss zeigen, dass er die Amtsgeschäfte im Griff hat und dennoch nach Kräften seiner Vizepräsidentin den Rücken freihalten. Entscheidend wird sein, welches Bild der US-Präsident in der Öffentlichkeit abgibt. Womöglich schon heute. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist in Washington. Ein Gespräch mit Biden ist geplant. Der Krieg in Gaza mag für viele Amerikaner weit weg sein, doch die Rolle des amerikanischen Präsidenten in Sachen internationaler Krisenbewältigung wird sehr genau beobachtet – wenn Joe Biden denn trotz seiner Corona-Erkrankung zu einem Treffen bereit ist.


Auch in Deutschland wird noch Politik gemacht

Zusammenarbeit trotz Rivalität: Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich mit der Union auf eine Reform für einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Extremisten geeinigt. Heute wird eine Pressekonferenz zu dem Thema stattfinden und Einzelheiten des gemeinsamen Entwurfs sollen vorgestellt werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Andrea Lindholz (CDU/CSU-Fraktion) und Konstantin von Notz (Grüne) nehmen teil.


Lesetipps

Kann Joe Biden US-Präsident bleiben? Diese Frage stellen sich nach seiner zurückgezogenen Kandidatur nicht nur Republikaner, die damit Stimmung machen wollen, sondern auch die t-online-Redakteure Florian Schmidt und Philipp Michaelis. Dabei ist ein Streitgespräch entstanden, das erhellende Erkenntnisse liefert.


Lena Meyer-Landrut wirkt angeschlagen. Die Sängerin sagt immer wieder sehr kurzfristig Auftritte ab und begründet das mit gesundheitlichen Problemen. Das wirft Fragen auf, die meine Kollegin Melanie Habeck mit einem Blick auf ihren "dunklen Leidensweg" zu beantworten versucht.


Blitzeinschläge erschüttern das Land: Zwei junge Männer sind tot, ein Kind und ein Jugendlicher schweben in Lebensgefahr. Was hat es mit den vielen Blitzopfern auf sich? Kollege Matti Hartmann nähert sich dem unheilvollen Phänomen an und hat die wichtigsten Antworten für Sie zusammengestellt.


Ohrenschmaus

Ich bin ehrlich: Ein wenig hat mich der Hype um Taylor Swift auch gepackt. Aber eine Karte für eines ihrer vier noch verbliebenen Deutschlandkonzerte (heute und morgen in Hamburg, am Wochenende München) habe ich nicht. Dafür besitze ich ein Ticket für einen Künstler, den ich am Samstag live in Berlin erleben werde – und auf diesen Song freue ich mich besonders.


Zum Schluss

Da soll noch jemand behaupten, Joe Biden sei alt und senil. Dieser Trick hat bestens funktioniert – und lässt Donald Trump plötzlich alt aussehen.

Ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Dienstag. Morgen schreibt meine Kollegin Christine Holthoff den Tagesanbruch für Sie.

Beste Grüße

Ihr

Steven Sowa
Stellvertretender Unterhaltungschef
Twitter: @StevenSovani

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Mit Material von dpa.

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