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Joe Biden: Muss er auch als US-Präsident sofort zurücktreten?


Kann Joe Biden Präsident bleiben?
Eine Horrorvorstellung für Amerika


22.07.2024Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

USA-ELECTION/BIDENVergrößern des Bildes
Joe Biden: Ist nach dem Rückzug vor dem Rücktritt? (Quelle: Tom Brenner/reuters)

Joe Biden hat dem Druck nachgegeben und seine Kandidatur um eine weitere Amtszeit zurückgezogen. Aus gesundheitlichen Gründen. Da stellt sich die Frage: Ist das nur der Anfang?

"Es ist Zeit für Biden, den Staffelstab weiterzureichen und sein Andenken als Führungspersönlichkeit zu schützen." Mit diesem oder anderen Hinweisen hatten viele demokratische Parteifreunde US-Präsident Joe Biden in den vergangenen Wochen sanft bis unsanft dazu gedrängt, seine Kandidatur für vier weitere Jahre im Weißen Haus zurückzuziehen. Das hat er am Sonntag getan – zähneknirschend, wie man hört – und sich für seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Nachfolgerin starkgemacht. Sie soll schaffen, was bislang nur Joe Biden gelungen ist: Donald Trump in einer Wahl zu besiegen.

Für Joe Biden aber ist die Kuh damit noch nicht vom Eis. Führende Republikaner fordern nun, dass er auch als Präsident zurücktritt (mehr dazu lesen Sie hier). Verlangsamt und fragil bei öffentlichen Auftritten, verwirrt und fahrig im TV-Duell, sichtbar um Jahre gealtert und mit Covid infiziert: Viele bezweifeln, dass der US-Präsident noch genügend Kraft für sechs Monate im schwierigsten Amt der Welt hat. Muss Joe Biden also als US-Präsident sofort zurücktreten?

Pro
Philipp Michaelis
Philipp MichaelisBereichsleiter Aktuelles

Ja, das ist nur konsequent

Das wichtigste Ziel sei es, Donald Trump im November zu schlagen. Das sagen führende US-Demokraten gerade ständig. Weil sie es Joe Biden nicht mehr zutrauen, hat er seine Kandidatur für eine weitere Amtszeit zurückziehen müssen.

Wahrscheinlich ist das tatsächlich das oberste Ziel seiner Partei. Nur: Das greift viel zu kurz. Die wichtigste Frage für die USA ist eine andere: Wer ist der bestmögliche US-Präsident? Und sie stellt sich sofort, nicht erst im November.

Donald Trump, Kamala Harris oder wer auch immer: Joe Bidens Nachfolger wird – Stand jetzt – erst am 20. Januar ins Oval Office einziehen. In sechs Monaten. Eine Ewigkeit für einen greisen Mann, der unter Covid leidet und schon jetzt bestürzend amtsmüde wirkt.

Und bis dahin? Die Amerikaner erwarten Führung. Inspiration. Antworten auf ihre drängendsten Fragen: Was tun gegen die Inflation? Gegen das Migrationsproblem? Wer vereint das Land, das so tief gespalten ist, dass manche gar von einem drohenden Bürgerkrieg sprechen?

Joe Biden wird in den kommenden sechs Monaten darauf keine Antworten mehr liefern. Er hat die Kraft dazu nicht mehr. Und er weiß es, sonst hätte er seine Kandidatur niemals zurückgezogen. Sechs Monate Stillstand aber – das ist eine Horrorvorstellung für Amerika. Sechs Monate Müdigkeit und Ratlosigkeit werden das Land an den Abgrund bringen. Wenn Joe Biden nicht mehr fit genug ist für vier Monate erfolgreichen Wahlkampf gegen Donald Trump, dann ist er erst recht nicht mehr stark genug für sechs Monate als US-Präsident.

Kamala Harris muss den Job im Weißen Haus sofort übernehmen. Sie kennt die Themen, ist eingearbeitet, strotzt vor Energie und Ehrgeiz. Und: Mit dem Amtsinhaber-Bonus (statt als Notnagel) hätte sie auch bessere Aussichten, Donald Trump im November an der Wahlurne zu besiegen.

Kontra
Florian Schmidt
Florian SchmidtLeiter Hauptstadtbüro

Nein, drei Gründe sprechen dagegen

Als Kandidat untauglich, fürs eigentliche Amt aber noch gerade gut genug? Die Frage klingt polemischer, als sie ist. Tatsächlich wirkt es unlogisch, wenn Biden nach seinem Rückzug als Kandidat nun weiter Präsident bleibt. Und doch sprechen mindestens drei Gründe gegen einen Rücktritt als Präsident.
Erstens, ganz profan: Biden ist auf vier Jahre gewählt. Er hat versprochen, seinem Land für diesen Zeitraum zu dienen – was er im Übrigen auch sehr erfolgreich tut.
Rein politisch ließe sich ein Rücktritt nicht erklären, es wäre einzig politisches Taktieren, um seiner Vizepräsidentin Kamala Harris einen Amtsbonus zu verschaffen. Doch für genau solche Sperenzchen ist ebenjenes Amt zu wichtig, die Verantwortung als Präsident der Vereinigten Staaten zu groß.
Was zum zweiten Grund führt: Die USA und auch die Welt insgesamt brauchen jetzt Stabilität. Die Unruhe, die zunächst vom Attentat auf Donald Trump ausging und jetzt erneut von Bidens Rückzieher als Kandidat, ist enorm. Wenig hilfreich wäre es da, wenn angesichts der internationalen Krisen und Kriege – im Nahen Osten, in der Ukraine – jetzt auch noch der Anführer der westlichen Welt wechselt.
Drittens: Wenn es jetzt tatsächlich auf Bidens Vize Harris hinausläuft, wäre es vor allem ganz in ihrem persönlichen Sinne, wenn sie sich auf den Wahlkampf allein konzentrieren kann – und nicht noch auf der internationalen Bühne herumturnen muss.
Die Aufholjagd im Duell mit Donald Trump wird für Harris schon schwer genug. Allein zeitlich wäre es wohl nur schwer zu schaffen, eine Wahlkampagne aus dem Boden zu stampfen, Auftritte im ganzen Land zu absolvieren und sich gleichzeitig ins Amt als mächtigste Frau der Welt einzuarbeiten. Biden sollte deshalb seinem Volk einen letzten wichtigen Dienst erweisen – indem er Harris den Rücken freihält.

 
 
 
 
 
 
 

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