Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Die Hitze wird zur Todesfalle
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
drüben in Amerika hat der Donald eine Rede gehalten, dazu kommen wir gleich. Erst müssen wir uns einem dringenderen Thema widmen. Denn wenn aus den Bäumen etwas herunterkommt, kann das die Erkenntnis beflügeln. Ein fallender Apfel soll es gewesen sein, der einst den Naturwissenschaftler Isaac Newton auf die zündende Idee brachte, dass es eine Schwerkraft gibt. Zum Nachdenken anregen sollte aber auch anderes, was herabfällt. Allerdings sind die jüngsten Begebenheiten nicht so erbaulich. Sie würden eher in einen Weltuntergangsfilm aus Hollywood passen.
Zuletzt krachten Affen aus dem Geäst. Des Menschen nächster Verwandter ertrug die Hitze nicht mehr, die Mexiko kürzlich heimgesucht hat. Die Tiere, die so groß werden wie ein Grundschulkind, fielen tot aus den Bäumen. Fast 150 Affenleichen fanden die Bewohner der betroffenen Landesteile, viele mehr dürften im Unterholz liegen. Die gute Nachricht: Diese Zahlen sind klein.
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Hitzewellen in Australien brachten ganz andere Größenordnungen von Tieren zu Boden. In manchen Jahren hagelt es tote Fledermäuse, als seien die biblischen Plagen wiedergekehrt. 2018 fielen einhunderttausend Tiere (!) tot von den Zweigen herab. Im folgenden Jahr löschte die Hitze ein Drittel einer in Queensland beheimateten Fledermausart aus.
Es sollte uns zu denken geben, dass vieles nicht mehr kreucht und fleucht, sondern fällt und schmort und seinen Atem aushaucht. Aber ein beruhigender Gedanke gesellt sich schnell hinzu: Das ist eben die Tierwelt, das Reich der weniger intelligenten Wesen, die stur ihrem biologischen Programm folgen und den Launen der Natur hilflos ausgeliefert sind (auch wenn es zugegebenermaßen wir Menschen sind, die der Natur die Laune vermiesen). Eine Weile sinniert man betroffen über Tierschutz und Artensterben nach, aber immerhin aus angenehmer Distanz. Arm dran, die Viecher. Aber zum Glück ist das nicht unser Schicksal.
Aus dem Gefühl der Sicherheit heraus möchte ich Sie nach Karachi entführen, einer Metropole im Süden Pakistans, die mehr Einwohner hat als Bulgarien, Kroatien, Irland, Slowenien und Lettland zusammen. Am Ufer des heißen Arabischen Meeres mit seinen feuchten Schwaden, in diesem Monster von einer Stadt, haben die Einwohner gerade eine Hitzewelle überstanden, wie man sie selbst in diesen gebeutelten Breiten bisher nicht kannte. Während der Tortur konnte man erahnen, dass es einen Punkt gibt, an dem nicht mehr nur die Fledermäuse zu Boden fallen.
Niemand weiß genau, wie viele Menschen im unerträglichen Klima gestorben sind. Es sind Hunderte oder vielleicht Tausende – und das, obwohl man die Zahl der Hitzetage an einer Hand abzählen konnte. Eine Beobachtung sticht heraus: Augenscheinlich sind es vor allem wenige, aber kritische Phasen, während derer die Sterblichkeit dramatisch zunimmt. Um zu verstehen, warum, muss man allerdings nicht mehr nur auf das Thermometer schauen.
Vor einem Hitzschlag kann man sich eigentlich gut schützen, indem man im Schatten bleibt und viel trinkt. Man schwitzt, der Schweiß verdunstet, das kühlt nach den Gesetzen der Physik und hält die Körpertemperatur im Zaum. Anders sieht die Sache allerdings in Kombination mit Feuchtigkeit aus. Ist die Luft mit Wasser schon stark gesättigt, läuft einem der Schweiß vielleicht die Stirn herunter – aber verdunsten und kühlen will er nicht mehr. Die Fachwelt hat deshalb einen besseren Maßstab als die simple Lufttemperatur ersonnen, um zu erfassen, wie uns die Hitzekeule in Kombination mit Schwüle niederstreckt.
Mit dem sperrigen Begriff der "Feuchtkugeltemperatur" haben uns die Wissenschaftler in puncto Einprägsamkeit keinen Gefallen getan. Aber das Prinzip dahinter ist zum Glück leicht verständlich: Man setzt das Thermometer nicht mehr direkt der Luft aus, sondern umwickelt es mit einem feuchten Tuch. Das Wasser im feuchten Lappen verdunstet und kühlt – genauso wie der Schweiß auf unserer Haut es tut. Das Thermometer in der Mitte misst dadurch nicht die Hitze in der Luft, sondern das, was nach erfolgreicher Kühlung davon noch nach innen durchdringt. Das entspricht dem Inneren eines Menschen, der sich mit Transpiration gegen die heiße Umwelt wehrt. Der Unterschied zwischen Wüste und Tropen schlägt sich dabei drastisch nieder: In der knochentrockenen Wüstenluft bleibt die Feuchtkugeltemperatur moderat. In tropisch-feuchten Regionen hingegen schlägt die Hitze ungebremst durch.
Was das für einen menschlichen Körper bedeutet, dafür gibt es Richtwerte. Bisher galt es als tödlich, einer Feuchtkugeltemperatur von 35 Grad für mehr als sechs Stunden ausgesetzt zu sein. Über längere Zeit hingegen werden solche Extremwerte zum Glück nicht erreicht – und das ist gut so, denn nach sechs Stunden in dieser Hölle ginge es uns nicht besser als den Fledermäusen. Auch regungslos im Schatten gäbe es davor kein Entrinnen.
Leider haben die Forscher an dieser Stelle nicht mit dem Forschen aufgehört. Denn was sie anschließend herausfanden, macht die sichere Distanz zur Krise zunichte. Beim bisherigen Richtwert haben die Wissenschaftler sich nämlich zu sehr von ihrer kontrollierten Laboratmosphäre einlullen lassen. Sechs Stunden im Killerklima hält der Mensch wohl aus, wenn er nichts anderes tut, als sich bewegungslos auszuruhen, dabei unbekleidet ist und sich tadelloser Gesundheit erfreut. Sollten Sie jedoch ein paar Pfunde extra haben, sich gelegentlich etwas anziehen oder, Gott bewahre, den lieben langen Tag sogar etwas zu tun haben, dann ist es mit dem Durchhaltevermögen vorbei.
Unter Realbedingungen, das legen neuere Erkenntnisse nahe, ist die kritische Feuchtkugeltemperatur schon bei 31 Grad erreicht. Damit ist sie uns Menschen viel näher als erwartet. Das Limit für das Überleben unterscheidet sich individuell nach Alter, Gewicht und Gesundheitszustand, weshalb wir – um im schaurigen Bild zu bleiben – als menschliche Fledermäuse nicht perfekt synchron aus dem Baum fallen. Aber wir fallen. Feuchtheiße Zonen der Welt und Gebiete, in denen der Monsun die brüllende Sommerhitze in ein Treibhaus verwandelt, sind am stärksten gefährdet. Betroffen sind zum Beispiel Teile Chinas und ein Band von Bangladesch über Indien bis nach Pakistan. Man kann die Sache also nicht mit der Bemerkung abtun, dass dort fast niemand wohnt.
Im Unterschied zu anderen unsichtbaren Gefahren ist die feuchtheiße Bedrohung für jeden spürbar, der in einem Risikogebiet lebt: Die schwüle Hitze ist irgendwann einfach nicht mehr auszuhalten. Es ist leicht vorstellbar, welche enormen Migrationsbewegungen es auslöst, wenn Ballungsräume von der Größenordnung Karachis für ihre Bewohner nicht mehr zu ertragen sind. Dann machen sich nicht Hunderte oder ein paar Tausend Menschen auf den Weg in kühlere Gefilde. Nein, dann sind es Millionen. Viele Millionen.
Das sollte in unserer von Migrationsdebatten gebeutelten Gesellschaft eigentlich zum Handeln anregen. Die Entspanntheit, mit der die Klimakrisenbekämpfung im politischen Berlin auf später vertagt wird, erweckt jedoch nicht den Anschein, dass unsere Spezies maßgeblich intelligenter wäre als eine australische Fledermaus. Lassen Sie es mich daher sehr deutlich sagen, bevor wieder der Donald, Frau Swift oder sonstige Nebensächlichkeiten die Nachrichten bestimmen: Es ist höchste Zeit, sich der Situation zu stellen, die sich rund um den Globus zusammenbraut. Wir können es uns keinen Tag länger leisten, der Erderhitzung mit halber Kraft zu begegnen, auch wir im vermeintlich sicheren Deutschland nicht. Wir müssen jetzt mit voller Kraft gegensteuern.
Was Trump will
Befassen muss man sich mit Donald Trump aber natürlich schon, schließlich könnte er wieder das mächtigste Amt der Welt bekommen. Auf dem Nominierungsparteitag der Republikanischen Partei hat er seine Kandidatenrede gehalten.
Jagd aufs weiße Gold
Es ist der Lithium-Hunger der Automobilindustrie, der Olaf Scholz heute nach Serbien führt: Weil das Leichtmetall für die Herstellung von Elektroautos (und Smartphones und Laptops) wichtig ist und die Vorkommen in Europa knapp sind, fliegt der Kanzler zu einer Konferenz über kritische Rohstoffe nach Belgrad. Anschließend soll eine strategische Partnerschaft zu nachhaltigen Rohstoffen, Batterie-Wertschöpfungsketten und Elektrofahrzeugen geschlossen werden. Es geht um große Vorkommen im westserbischen Jadar-Tal, die der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto erschließen soll. Auch Mercedes-Chef Ola Källenius, Stellantis-CEO Carlos Tavares und Vertreter der Förderbank KfW sind mit von der Partie.
So erpicht ist Scholz auf diesen von China unabhängigen Zugang zum "weißen Gold", dass er dafür nicht nur über die Proteste von Umweltschützern hinwegsieht. Er toleriert auch die Putin-freundliche Politik des autoritären serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić. Der gefällt sich schon lange darin, den Westen und Russland gegeneinander auszuspielen. Offenkundig folgt der Kanzler seiner vor zwei Jahren formulierten Rohstoff-Akquise-Strategie: "Wir können es uns nicht leisten, etepetete zu sein."
Zitat des Tages
"Wokeness macht mich fertig."
Die Kinderbuchautorin Autorin Elfie Donnelly hält es für bekloppt, dass eine Kita in Sachsen nicht mehr nach Benjamin Blümchen benannt sein darf.
Ohrenschmaus
Sie mag kitschig sein, toll ist sie trotzdem: Was passt besser zur beginnenden Urlaubssaison als diese herrliche Schnulze?
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Die Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg wollte am 20. Juli 1944 Adolf Hitler töten, doch der Anschlag misslang. Bis in die Bundesrepublik hinein galten die Widerstandskämpfer als Verräter. Wie sich das durch einen spektakulären Prozess änderte, beschreibt mein Kollege Marc von Lüpke.
Der FC Bayern treibt den Umbruch der Mannschaft knallhart voran. Das trifft prominente Opfer und wirft grundsätzliche Fragen auf, schreibt unser Reporter Julian Buhl.
Zum Schluss
Die Uschi weiß, was sie will.
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Freitag.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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