Trump erstaunt mit Rede Plötzlich beschwört er die Liebe
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Keine Spur mehr von Spaltung der Gesellschaft. Beim Republikaner-Parteitag gibt sich der Ex-Präsident staatsmännisch. Die üblichen Attacken überlässt Donald Trump anderen.
Zuerst kam Hulk Hogan. Der ehemalige Wrestler und Muskelprotz betrat die Bühne im Fiserv Forum von Milwaukee, als hätte er gerade die Hauptrolle in einem Actionfilm ergattert. Der inzwischen 70-jährige Hogan heizte den Trump-Fans mit markigen Sprüchen ein, er zerriss sein T-Shirt, ballte die Fäuste und gab den Republikanern auf dem Nominierungsparteitag das, was sie hören wollten: "Donald Trump wird den amerikanischen Traum retten", rief Hogan: "Wenn die Trumpisten erst einmal losgelassen werden, dann werden wir uns das Land zurückholen. Dann wird Amerika endlich wieder gewinnen. Dann werdet ihr alle Champions sein."
Wie dieser Triumphmarsch der Trumpisten aussehen könnte, sagte Hogan auch. Er wandte sich an "alle Kleinkriminellen, an den Abschaum und die korrupten Politiker", um ihnen eine Warnung zu schicken. Sie könnten sich auf etwas gefasst machen, wenn Trump am 5. November die Wahl gewinne, drohte er. Wer genau alles zu dieser Gruppe zählt, sagte Hogan nicht. Das wird wohl nach Bedarf entschieden.
Hogans Rede klang wie eine Kriegserklärung an alle Trump-Gegner. Wie der Wutausbruch eines Superschurken aus einem Marvel-Comic. Das Problem ist: Der 70-Jährige betonte ausdrücklich, er stehe nicht als Kunstfigur Hulk Hogan auf der Bühne, sondern als Terry Gene Bollea, also als amerikanischer Bürger. Mit anderen Worten: Das ist keine Show. Er meint es ernst.
Trump-Rede: Das sind die fünf wichtigsten Punkte
Im Anschluss an die testosterongesteuerte Wrestler-Wutrede wurde erstmal brav gebetet. Das übernahm Reverend Franklin Graham, Vorsteher einer der wichtigsten Freikirchen Amerikas und einflussreicher Evangelikalenführer. Obendrauf malte Eric Trump, Donalds Sohn, ein Schreckensbild von Amerika. Bei ihm klang es, als wäre das Land ein failed state, ein Ort tagtäglicher Apokalypse. Trump Jr. warnte seine Landsleute davor, sich von den Demokraten einschüchtern zu lassen. Zum Dank schallten "USA, USA"-Rufe durch die Halle.
Dann kam Trump selbst. Und zwar Melania Trump.
Die ehemalige First Lady hatte sich in den vergangenen Monaten kaum an der Seite ihres Mannes gezeigt. Nicht einmal, als dieser sich vor Gericht wegen Verschwörung und Steuerbetrug verantworten musste. Nun war sie da. Zu sanften Klängen klassischer Musik zog sie im roten Kleid in die Halle ein, später trat sie zu ihm auf die Bühne, küsste ihn flüchtig auf die Wange. Für ihren Mann Donald ein wichtiges Signal, die Unterstützung seiner Frau im Wahlkampf zu haben.
- 1. Trump vollzieht angeblich den Imagewandel – Sein Motto: "Einigkeit"
Donald Trump bedankte sich überschwänglich bei Melania. Diese sagte nichts, das übernahm wie immer ihr Mann. Der begann gleich mit einem Dreiklang. Seine Schlagworte lauteten: "Selbstvertrauen, Stärke und Hoffnung". Diese Werte der Einigkeit und Zuversicht waren offenbar die Pfeiler seiner Rede: "In vier Monaten werden wir die vier großartigsten Jahre für unser Land beginnen. Die Spaltung unserer Gesellschaft muss aufhören, wir werden uns alle zusammen erheben oder wir werden gemeinsam untergehen. Ich kandidiere als Präsident für alle Amerikaner, denn für ein geteiltes Amerika kann es keinen Sieg geben."
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Trump nutzte die Gunst der Stunde, um sich als Präsident für alle Amerikaner zu inszenieren. Vorbei sind die Zeiten, in denen er aggressiv gegen Minderheiten und politische Gegner vorging und verbal viele Grenzen überschritt, sollte das wohl signalisieren. Laut Experten hofft Trump wohl darauf, durch den Imagewandel breitere Wählerschichten anzusprechen. Eine seiner zentralen Botschaft an diesem Abend: "Einigkeit". Doch dabei blieb es nicht lange.
- 2. Trump beschreibt die Momente des Anschlags – Gott half ihm
Sogleich ging er auf den Anschlag ein, der ihn um Haaresbreite das Leben gekostet hätte. Trump zeichnete das Bild eines idyllischen Wahlkampfnachmittags. "Alle waren glücklich", sagte Trump. "Und ich hielt gerade eine sehr starke Rede, in der ich die großen Leistungen meiner Regierung beschrieb, etwa bei der Eindämmung der Migration an unserer südlichen Grenze". Er beschrieb, wie er sich eigentlich umdrehen wollte, es aber nicht tat.
Und dann habe er das Geräusch einer Kugel gehört, sich ans Ohr gegriffen und realisiert, dass er verletzt sei. "Es war alles in Blut getränkt", so Trump. Dass er das Attentat des 20-jährigen Thomas Matthew Crooks überlebte, habe er nur Gott zu verdanken. Schon zuvor hatte sein Sohn Eric das Glück, das sein Vater in Butler hatte, als "göttliche Intervention" bezeichnet. Trump, so geht die Geschichte wohl, die der Trump-Clan sich und seinen Jüngern nun erzählt, ist ein Überirdischer, ein Messias.
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Um den Eindruck zu verstärken, berichtete Trump noch davon, dass die Ohren allgemein stärker bluteten als andere Körperteile. Dies habe ihm ein Arzt mitgeteilt. Die Parallelen zu den blutenden Wunden Jesus Christi am Kreuz schwangen für alle unüberhörbar mit. "Ich sollte eigentlich nicht hier sein heute Abend", sagte Trump. "Yes, you are!", schallte es ihm aus der Halle entgegen. "Und doch tust du es!". Trump setzte noch einen drauf: "Ich stehe hier in dieser Arena, nur durch die Gnade Gottes". Der 78-Jährige erzählte sein Überleben als Heilsgeschichte. Mit ihm selbst als Erlöser in der Hauptrolle.
Kurz darauf spielte er selbst auf die Faust an, die er instinktiv in den Himmel emporreckte. Dem AP-Fotograf Evan Vucci gelang in diesem Moment eine historische Aufnahme. Die Trump-Faust spielt im Wahlkampf des 78-Jährigen eine große Rolle. Lesen Sie hier mehr darüber.
- 3. Trump: Plötzlich versöhnlich – "Lasst uns aufhören, uns zu dämonisieren"
Dann rekurrierte Trump auf seine Prozesse gegen ihn. Im Mai war er von einem Gericht des Steuerbetrugs und der Verschwörung in 35 Fällen verurteilt worden. Danach hatte er wütende Attacken gegen den politischen Gegner geritten. Er wurde nicht müde, das Strafverfahren als Hexenjagd und politische Verfolgung zu brandmarken.
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Nun klang er plötzlich milde, beinahe versöhnlich. "Wir sind eine Nation unter Gottes Segen", sagte Trump weiter. "Wir sollten nicht damit fortfahren, einander zu dämonisieren. Insbesondere die demokratische Partei sollte damit aufhören, uns zu verteufeln, mich zu verfolgen, wo ich doch derjenige bin, der dieses Land erlösen wird."
Er verstand es in seiner Rede, seine Anhänger gegen einen imaginären Feind einzuschwören. Trump-Fans, so klang es beim 78-Jährigen, sind Mitglieder einer Gruppe Auserwählter, die das Land retten und in eine glorreiche Zukunft führen werden. Die religiösen, heilsgeschichtlichen Implikationen manifestierten sich an vielen Stellen dieser Rede.
Mit Blick auf seine Familie, etwa seinen Sohn Eric, der ebenfalls im Visier von Ermittlungen stand, forderte Trump, es müsse endlich aufhören, dass er und seine Familie justiziell bedrängt werden. Beobachter haben kaum Zweifel, dass Trump alle Strafprozesse gegen sich und seine Familie einstellen lassen wird, sollte er ins Weiße Haus einziehen.
- 4. Politische Programmatik: "Ich versuche Euch zu kaufen"
Zu seiner politischen Programmatik ließ der Ex-Präsident nicht viel Neues verlauten. Er wiederholte lediglich die üblichen Elogen auf seine eigene Amtszeit von 2016 bis 2020. Tenor: Als Trump im Weißen Haus regierte, war Amerika ein Land, wo Milch und Honig flossen. So werde es nun auch wieder sein, wenn er erneut gewählt werde, sagte der Präsidentschaftskandidat.
Die Grenzen werden wieder sicher, die Wirtschaft wird brummen, die Schulen werden patriotische, freiheitsliebende Kinder hervorbringen und es wird wieder Frieden auf der Welt herrschen, so das Versprechen des 78-Jährigen. Statt nun durchzudeklinieren, wie er dieses Schlaraffenland schaffen möchte, drosch Trump erst einmal in üblicher Manier auf die seiner Meinung nach miserable Bilanz der Biden-Regierung ein. Diese habe Amerika ruiniert und ihm die Wahl 2020 gestohlen.
Schließlich lieferte er doch noch so etwas wie eine ökonomische Vision. Unter dem Slogan "We will drill, baby, drill" ("Wir werden bohren, baby, bohren"), machte er nicht nur der Ölindustrie Hoffnung darauf, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Steuern runter, Inflation runter, das wird es mit ihm geben. Und natürlich "Jobs, Jobs, Jobs". Kurzum: Er werde alle reich und glücklich machen, so Trump.
Diese simple Prosperitäts-Formel hat er schon Dutzende Male wiederholt. Seine Programmatik, wenn man sie denn so nennen mag, ist im Grunde seit Jahren unverändert. Sie beruht auf dem Mantra seines bereits in den Achtzigerjahren erschienen Ratgeber-Buches: "The Art of the Deal". Darin verspricht er, jedem, der ihm folgt, seine Schlüsselstrategien für individuellen Reichtum zu vermitteln.
"Ich bin ehrlich, ich versuche Euch zu kaufen", wandte er sich explizit an die Menschen in Wisconsin, wo der Parteitag stattfand. Um kurz darauf erneut eine Universalbotschaft der Versöhnung zu verbreiten: "Egal, ob ihr weiß, schwarz, asiatisch oder hispanisch seid: Ich strecke Euch die Hand aus, damit wir gemeinsam Amerika wieder groß machen."
- 5. Die zentrale Botschaft: "Es dreht sich alles nur um Liebe"
Nach einer halben Stunde wirkte Trump, als wolle er mit seiner Rede schon zum Ende kommen. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er sich und seinen Clan nicht ausgiebig selbst loben würde – und den politischen Gegner massiv attackierte.
Also legte er doch noch mal los und geißelte nun die seiner Meinung nach überbordende Kriminalität in den USA, für die er vorwiegend eine Gruppe verantwortlich machte: illegale Einwanderer. Viele Staaten Lateinamerikas würden den USA ihre Kriminellen schicken, ganze Heerscharen an Geistesgestörten, und die würden am liebsten friedliebende Amerikaner verspeisen, wie der fiktive Serienkiller Hannibal Lecter aus dem Thriller "Das Schweigen der Lämmer".
Trump schweifte nun immer mehr ab. Seine Rede mäanderte, plätscherte von Viktor Orbán zu China, Künstlicher Intelligenz und dem Klimaschutz.
Seine banale Eschatologie gipfelte schließlich in der bestens bekannten "Wir gegen die"-Erzählung: Einerseits das gute, starke, stolze Maga-Amerika, vertreten durch Donald J. Trump und seinen Clan, andererseits alle anderen, die es zu nichts bringen und die Welt angeblich in den Abgrund stürzen. Bewaffnet mit diesem rechtspopulistischen Dogma, setzte er zu einer weiteren Zentralbotschaft seiner Kampagne an.
Im Gegensatz zu den hunderte Seiten langen Agenden vergangener Parteitage, vorrangig jene der Demokraten, sei seine Agenda denkbar kurz, sagte Trump: "Es dreht sich alles nur um Liebe". Er sei der Garant dafür, dass der amerikanische Traum wieder lebendig werde. Er werde die Demokratie verteidigen. Darum sollen die Amerikaner ihn im November wieder zurück in das "wunderschöne Weiße Haus" wählen. "Das kann gar nicht schnell genug gehen", so Trump.
Man darf wohl davon ausgehen, dass das nicht alle Amerikaner so sehen.
- Livestream der Trump-Rede bei CNN
- Eigene Beobachtungen im Stream