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"Neue Grundsicherung" der CDU: Fünf Fehler der Union beim Bürgergeld


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Tagesanbruch
Schluss mit dem populistischen Popanz

MeinungVon Heike Vowinkel

Aktualisiert am 19.03.2024Lesedauer: 5 Min.
Friedrich Merz im Bundestag (Archivbild): Die CDU will beim Bürgergeld hohe Einsparungen vornehmen – und Leistungen kürzen.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz im Bundestag (Archivbild): Die CDU will beim Bürgergeld hohe Einsparungen vornehmen – und Leistungen kürzen. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Politik lebt vom Wettbewerb der besseren Idee. Momentan ist es aber häufig so, dass selbst gute Ideen so lange schlecht geredet werden, bis vom Guten nur noch ein Zerrbild bleibt.

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So war und ist es mit dem Bürgergeld. Als die Ampelregierung es vor einem Jahr einführte, war die Idee, wegzukommen von dem Vorurteil, Arbeitslose, das seien faule Menschen, die mit möglichst hohen Strafen zum Arbeiten gezwungen werden müssen. Dieser Gedanke war nicht nur im Hartz-IV-System tief verankert. Er ist es offenbar bis heute im kollektiven Bewusstsein.

Nun betonen zwar nicht nur die meisten Politiker, sondern auch Experten, faul und arbeitsunwillig seien nur die allerwenigsten. Trotzdem dominieren diese Wenigen die Debatte – und damit das öffentliche Bild vom Arbeitslosen. Diese Vorurteile bedient auch die Union mit ihrem Vorschlag für eine "Neue Grundsicherung", mit der sie das Bürgergeld abschaffen will.

Es ist das gute Recht der Union als Oppositionspartei, die – unbestreitbar vorhandenen – Schwachpunkte des Bürgergelds zu kritisieren und mit besseren Ideen in den politischen Ring zu steigen. Doch mit ihrem Vorschlag bedient sie fünf weitverbreitete Irrtümer.

1. Irrtum: Das Bürgergeld ist ein bedingungsloses Grundeinkommen

Die Union behauptet, der Begriff suggeriere, dass es sich bei dieser Leistung um etwas handele, das Bürger einfach so bekommen – bedingungslos. Richtig ist: Es soll Menschen, die nicht mehr arbeiten können oder ihre Arbeit verloren haben, ein Existenzminimum sichern.

Tatsächlich wollte die Ampel mit dem Bürgergeld, als sie es 2023 in zwei Stufen einführte, weg von Hartz-IV-Stigmatisierung. Bezieher von Sozialleistungen sind Bürger – und zwar nicht zweiter Klasse. Sie sollten als solche gesehen, ernst genommen und ihnen sollte als Bürgern zurück ins Arbeitsleben geholfen werden. Das war und ist die Idee – und nicht, sie lebenslang zu alimentieren, während sie sich in die Hängematte des Lebens legen.

2. Irrtum: Die Faulen bringen das System in Verruf

Die CDU spricht von "groß angelegtem Sozialleistungsmissbrauch, im Inland sowie durch im Ausland lebende Menschen". Den Nachweis für diese Behauptung bleibt sie aber schuldig. Sie bedient damit eine Erzählung: Das System werde im großen Stil missbraucht. Damit tut die Union genau das, wogegen sie vorgibt, mit ihrem Konzept ankämpfen zu wollen. Sie bringt das Sozialsystem in Verruf – und mit ihm die Arbeitslosen.

Der Kern des Konzepts der Union beruht nicht etwa auf Ideen für die Mehrheit der Bürgergeldbezieher, die nicht arbeiten können, weil sie noch minderjährig sind, weil sie keine Betreuung haben, weil sie selbst krank sind oder andere pflegen. Er beruht auf den Wenigen, die arbeiten könnten, es aber nicht tun.

Doch von wie vielen Menschen reden wir hier eigentlich? Selbst in den Hochzeiten von Hartz IV, als sogenannte Totalverweigerer, die eine zumutbare Arbeit nicht annahmen, noch scharf sanktioniert wurden, lag die Zahl nie höher als bei 3,5 Prozent aller Leistungsbezieher.

3. Irrtum: Sanktionen sind ein Allheilmittel

Die Union will "Totalverweigerern" die Bezüge vollständig streichen, wenn sie eine angemessene Arbeit ablehnen. Sie geht damit weit über das hinaus, was der Arbeitsminister unter dem Druck der Öffentlichkeit bereits angekündigt hat: "Totalverweigerern", die innerhalb eines Jahres zweimal ein Arbeitsangebot nicht annehmen, künftig bis zu zwei Monaten die Bezüge zu streichen.

Ob das zulässig ist, darf bezweifelt werden, hatte das Bundesverfassungsgericht 2019 doch erklärt, die komplette Streichung von Leistungen sei nicht vereinbar mit den Grundrechten.

Das Gleiche gilt wohl für die Idee, Menschen, die Termine nicht wahrnehmen, die Bezüge komplett zu streichen. Sicherlich, auch Praktiker wie der Jobcenter-Chef von Aachen sagen, dass es sinnvoll sei, mehr Druck auf diese Menschen auszuüben. Zumal in den Jobcentern ebenfalls Personalmangel herrscht und Termine, die nicht eingehalten werden, da doppelt ärgerlich sind. Doch er plädiert nicht für eine Totalstreichung, sondern für die Möglichkeit, mehr als die bislang möglichen zehn Prozent Kürzung androhen zu können. Sanktionen, das sagt auch er, lösen nicht alle Probleme.

4. Irrtum: Das Bürgergeld unterstützt und qualifiziert nicht

Die Union fordert nun, der Fokus der Jobcenter müsse "wieder stärker auf eine intensive und qualifizierende Unterstützung der Hilfeempfänger" gelegt werden. Dabei war der Kern der Bürgergeld-Reform genau das: Vor allem Langzeitarbeitslose durch Qualifizierung und Beratung zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das noch mehr und besser zu machen, mit mehr Beratern und besserer Ausstattung, ist ein ehrenwerter Vorschlag. Allein, es fehlt an Geld. Woher die Union das nehmen will, sagt sie nicht.

5. Irrtum: Bürgergeld setzt falsche Anreize

Das Bürgergeld verleite dazu, sich der Arbeit zu entziehen, behauptet die CDU und fordert bessere Anreize etwa durch höhere Hinzuverdienstgrenzen. Zur Erinnerung: Es war das Bürgergeld, das die Hinzuverdienstgrenze ursprünglich erhöhte. Diesen Anreiz weiter auszuschöpfen, ist tatsächlich sinnvoll. Doch nun so zu tun, als gäbe es diese Regelung nicht, ist irreführend. Genauso wie die Behauptung, Arbeit lohne sich durch die Bürgergeld-Erhöhung nicht mehr. Etliche Studien haben das widerlegt, trotzdem hat CDU-Chef Friedrich Merz es immer wieder behauptet.

Die Union sollte aufhören mit ihrem populistischen Popanz und nicht länger das Klischee vom faulen Arbeitslosen bedienen. Ideen zur Verbesserung des bestehenden Systems sind willkommen, sie würden den politischen Wettbewerb bereichern. Stattdessen beteiligt sie sich an einem billigen Wettbewerb zulasten der Schwächeren in der Gesellschaft.


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Zu guter Letzt

CDU-Chef Friedrich Merz hat da mal eine Idee ...

Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Tag. Morgen schreibt hier Johannes Bebermeier für Sie.

Herzliche Grüße

Ihre Heike Vowinkel
Textchefin t-online
Twitter: @HVowinkel

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Mit Material von dpa.

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