Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Bahnbrechender Erfolg der Ampelregierung
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
"mehr Fortschritt wagen" wollten SPD, Grüne und FDP, als sie Ende 2021 ihren Koalitionsvertrag schlossen. Robert Habeck, Annalena Baerbock und Christian Lindner posteten fröhliche Selfies, Olaf Scholz beschwor den Aufbruch in eine neue Zeit. Zweieinhalb Jahre später ist von dem Schwung nichts übrig geblieben. Kein Tag vergeht, an dem die Streithähne der drei Parteien sich nicht in den Haaren liegen; sogar im notorisch gelassenen Beamtenapparat schüttelt man nur noch den Kopf. Die Ampeltruppe ist Deutschlands größte Nichtregierungsorganisation. Wohin man auch schaut – überall Stillstand:
1. Die deutsche Wirtschaft braucht dringend Unterstützung – aber mit ihrer Hauruckaktion gegen die Bauern haben die Koalitionäre die Zustimmung der Union verspielt. Also passiert nichts. Stattdessen wuchert die Bürokratie immer weiter.
2. Auch die Konjunktur bräuchte dringend Impulse – Subventionen, Abschreibungen, Solidaritätszuschlag streichen, Steuern senken? Die Ampelparteien finden keinen gemeinsamen Nenner.
3. Woher soll das zusätzliche Geld für die Bundeswehr, die Ukraine, die Energiewende, das E-Tankstellennetz, neue Straßen und Brücken kommen? Die Koalitionäre zanken sich über Schuldenbremse, Sondervermögen und den nächsten Haushalt. Ergebnis: keines.
4. Das viel beschworene Klimaschutzgesetz sollte Deutschland für eine nachhaltige Zukunft fit machen. Doch es hängt in den Bundestagsausschüssen fest, weil die Grünen noch allerhand verändern wollen.
5. Auch das Klimageld ist in weite Ferne gerückt; unwahrscheinlich, dass es noch in dieser Legislaturperiode kommt.
6. Das Gesetz zur Kindergrundsicherung kommt ebenfalls nicht voran. In diesem Fall wohl gar nicht schlecht; selten hat eine Regierung einen größeren Bürokratiequatsch ausgeheckt.
7. Anders das Lieferkettengesetz, an dem EU-Staaten jahrelang gemeinsam gearbeitet haben. Es würde das Leben von Millionen Menschen verbessern – doch die FDP blockiert, und Deutschlands Ansehen in Brüssel sinkt.
8. Die Bezahlkarte für Asylbewerber? Wäre nach einhelliger Meinung von Experten ein kleines, aber wirksames Instrument. Sie ahnen es: Auch hier stockt es, in diesem Fall können sich Grüne und SPD nicht auf die Modalitäten einigen.
9. Das Demokratiefördergesetz sollte die Zivilgesellschaft stärken, dem grassierenden Rechtsextremismus und Antisemitismus entgegenwirken. Klappt nicht, die FDP macht nicht mit.
10. Eine Verschärfung des Waffenrechts sollte kriminelle Banden und politische Extremisten eindämmen. Braucht es nicht, findet die FDP.
11. Das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geht der SPD nicht weit genug, die Genossen stellen sich quer.
12. Aus Rache blockiert die FDP wiederum die Mietrechtsreform; Leidtragende sind Millionen Mieter.
13. Eigentlich hat die Ampel ein Transparenzgesetz versprochen, damit Journalisten genauer hinschauen können, was die Mächtigen treiben. Es wird wohl auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.
14. Das Werbeverbot für ungesunde Kinder-Lebensmittel ist so widersprüchlich formuliert, dass es ebenfalls im Ministerialbetrieb versackt ist.
15. Über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern kann man streiten – tut man das jedoch so wild und so ausdauernd wie die Ampelpolitiker, macht man sich weltweit zum Gespött.
Die Liste ließe sich fortsetzen, aber ich will Ihnen den Morgen nicht gänzlich vermiesen. Schauen wir lieber auf die Haben-Seite. Dort steht nämlich auch etwas, und heute ist es endlich so weit: Die Ampelfraktionen beschließen im Bundestag die Legalisierung von Cannabis. Bis zu 25 Gramm des Rauschgifts darf sich künftig jeder volljährige Bürger reinpfeifen – pro Tag. Anbauen darf man die Haschisch-Pflanzen dann auch: drei Stück pro Nase. Ein bahnbrechendes Vorhaben, das notorische Kiffer glücklich macht, aber Millionen Eltern in Bredouille bringt, Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen und Innenstädte mit süßlichen Dauerrauchschwaden durchziehen wird.
Wer wissen will, wie sich das anfühlt, kann nach New York reisen, wo die Stadtverwaltung den Konsum von Marihuana vor drei Jahren legalisiert hat: In vielen Ecken Harlems und Brooklyns ist man selbst als drogenabsenter Passant nach spätestens 500 Metern hackebreit. Lallende Leute mit wagenradgroßen Augen lungern auf dem Trottoir herum und schnorren Vorbeigehende um ein paar Dollar für die nächste Tüte an.
Es ist nicht anzunehmen, dass sich Gesetzesinitiator Karl Lauterbach die Mühe gemacht hat, derlei Probleme zu durchdenken. Der Gesundheitsminister hat zwar einige Diskussionen zum Thema geführt, aber seine Grundhaltung um keinen Zentimeter verändert. Auch die vehemente Kritik von Lehrern, Polizisten und Richtern lässt die Ampelleute kalt. In dieser Frage sind sich die führenden Köpfe von SPD, Grünen und FDP ausnahmsweise einig: Leichte Drogen für alle finden sie supi. Das Gesetz werde die Kleinkriminalität zurückdrängen. Vielleicht hoffen sie auch darauf, dass eine benebelte Bevölkerung nicht mehr so genau mitkriegt, wie man im Berliner Regierungsviertel vor sich hin dilettiert.
Wer hingegen Fachleuten wie dem Polizisten und SPD(!)-Bundestagsabgeordneten Sebastian Fiedler zuhört, greift sich an den Kopf. "25 Gramm entsprechen 75 Joints", rechnet er vor. "Wer 25 Gramm dabei hat, ist kein Konsument, sondern ein Kleindealer." Die vorgeschriebenen Schutzzonen rund um Kitas und Spielplätze, in denen laut Gesetz nicht gekifft werden darf, würden nie und nimmer eingehalten. Und wer soll eigentlich kontrollieren, dass ein Autofahrer den Grenzwert fürs Kiffen am Steuer nicht überschreitet? Haben Polizisten nichts Besseres zu tun? Die absehbaren Auswirkungen des Gesetzes nennt Fiedler "verheerend".
Nun könnte man sagen: Na ja, es geht ja nur um wenige Leute. Wer jedoch gesehen hat, wie die Liberalisierung der Prostitution durch die rot-grüne Schröder-Regierung Deutschland in das größte Bordell Europas verwandelt und die Kriminalität eher befördert statt eingedämmt hat, muss sich angesichts des Cannabis-Murkses der Ampeltruppe ernsthaft Sorgen machen.
Sagen wir es so: Wer noch gehofft hatte, dass diese Bundesregierung irgendetwas Vernünftiges auf die Beine stellt, wird heute endgültig bekehrt.
Embed
Zitat des Tages
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."
Erich Kästner. Deutscher Schriftsteller, dessen Geburtstag sich heute zum 125. Mal jährt.
Wachstum ohne Chance?
In düsteren Worten beschreibt Robert Habeck die Lage der deutschen Wirtschaft, spricht von "dramatisch schlechten" Werten und "schwerem Fahrwasser". Die Zustimmung der Union zum Wachstumschancengesetz der Ampelkoalition, das Steuerentlastungen für Firmen vorsieht, konnte er trotzdem nicht gewinnen. Zwar passierte das Paket den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, wobei es auf eine "Light-Variante" zurechtgestutzt wurde, und steht heute erneut im Bundestag zur Abstimmung. Weil zur Verabschiedung im Bundesrat aber Stimmen von unionsgeführten Ländern nötig sind, droht es dort am 22. März erneut zu scheitern. CDU und CSU wollen ihre Blockadehaltung nur aufgeben, wenn die Ampel die Kürzung bei den Agrardiesel-Subventionen zurücknimmt.
Während die Politik also weiter zankt, kommt heute neues Zahlenmaterial herein: Das Statistische Bundesamt gibt Details zur Konjunkturentwicklung bekannt. Vorläufigen Daten zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent geschrumpft. Es geht abwärts im Land.
Mehr Geld für Krimis?
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF: So heißt das unabhängige Expertengremium, das heute eine Empfehlung ausspricht, wie hoch der Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio ab dem kommenden Jahr sein sollte. Gegenwärtig liegt er bei 18,36 Euro, die Rede ist von einem Anstieg um 58 Cent auf 18,94 Euro. Ob es wirklich so kommt, weiß allerdings niemand – denn letztlich müssen die Bundesländer die Höhe festlegen, und die sind sich uneins. Gut möglich, dass der Fall am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landet.
Ich denke: Statt einer Erhöhung wäre eine Senkung angezeigt. Das geht, wenn sich die Sender auf nachrichtliche Themen konzentrieren und dafür Pensionsgelder, teure Sportrechte und die Krimi-Schwemme eindämmen.
Ohrenschmaus
"Mach eine Sache! Die aber richtig": Wer so ein Lebensmotto hat, muss fast zwangsläufig erfolgreich sein. Fritz Puppel war es definitiv. Gemeinsam mit seinen Bandkollegen von City spielte er sich in die Herzen von Millionen Musikfans – nicht nur in der DDR, auch auf der anderen Seite der Mauer. Nun klampft er ein Stockwerk höher, wo es keine Mauern gibt. Seine Lieder bleiben zum Glück hier unten.
Lesetipps
Wie können Kriege wie der in der Ukraine enden? Der Historiker Jörn Leonhard hat es meinem Kollegen Marc von Lüpke erklärt.
Das ist mal eine richtig gute Nachricht: Deutschen Forschern ist ein entscheidender Fortschritt gegen eine Volkskrankheit gelungen, berichtet meine Kollegin Melanie Rannow.
Raumfahrt-Missionen aus fünf Ländern haben es zum Mond geschafft, die USA haben sogar Menschen auf den Erdtrabanten gebracht. Vergangene Nacht aber ist erstmals eine kommerzielle Landung geglückt.
Der FC Bayern sucht einen neuen Trainer. Wird es etwa Weltstar Zinédine Zidane? Unser Sportchef Andreas Becker erklärt Ihnen, was dafür spricht.
Ich finde: In Geschichte muss man sich auskennen. Wie viel wissen Sie über Bismarck, die alten Königsgeschlechter und die erste deutsche Eisenbahnstrecke? Zeigen Sie im Quiz meines Kollegen Daniel Wachowiak doch mal, was Sie können.
Zum Schluss
Toni Kroos kehrt in die Fußball-Nationalmannschaft zurück.
Ich wünsche Ihnen einen rauchfreien Tag.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
Den täglichen Tagesanbruch-Newsletter können Sie hier kostenlos abonnieren.
Alle Tagesanbruch-Ausgaben finden Sie hier.
Alle Nachrichten lesen Sie hier.