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EU-Beitritt der Ukraine: Sie kämpfen auch für Deutschland


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Tagesanbruch
Das wäre bitter nötig

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

Aktualisiert am 14.12.2023Lesedauer: 7 Min.
Ursula von der Leyen muss dringend Antworten geben.Vergrößern des Bildes
Ursula von der Leyen: Macht die Ukraine einen Schritt näher Richtung EU? (Quelle: IMAGO/Nicolas Economou)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Vorweihnachtszeit ist für viele eine zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite ist man gedanklich schon bei den Feiertagen mit leckerem Essen, Geschenken und – auch das soll es geben – mit etwas Ruhe vor dem üblichen Rummel, der einen während des ganzen Jahres beschäftigt hat.

Aber bis es so weit ist, ist die Vorweihnachtszeit vorwiegend mit einer Sache verbunden, nämlich Stress. Da ist nicht nur die Planung für die Feiertage, sondern auch der viele Trubel auf der Arbeit. Alles, was über das Jahr liegengeblieben ist, muss gerade jetzt unbedingt fertig werden, und klar: Auch das neue Jahr will geplant sein.

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Vor der erhofften Ruhe kommt also erst einmal die große Unruhe. Das ist auch in der großen Politik nicht anders: Für die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union etwa steht heute und morgen der letzte Gipfel des Jahres in Brüssel auf dem Plan – und der verspricht alles andere als einfach zu werden. Es geht dabei vor allem um zwei Themen:

Sollen die Mitgliedsländer die von Russland angegriffene Ukraine auch langfristig weiter unterstützen und sollte die EU Beitrittsverhandlungen mit ihr beginnen?

Die offensichtliche Antwort auf beide Fragen müsste zweimal "Ja" sein. Auch wenn der ein oder andere es vielleicht vergessen hat: Der russische Angriffskrieg kann nicht isoliert vom restlichen Weltgeschehen betrachtet werden. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch die Freiheit und die Sicherheit aller anderen Europäer vor Russland.

Falls die Ukraine diesen Krieg verliert, will sich Wladimir Putin vielleicht irgendwann das nächste Land einverleiben. "Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten und später vielleicht mein Land, Polen!", warnte bereits 2008 der mittlerweile verstorbene polnische Ex-Präsident Lech Kaczyński in Tiflis. Da hatten russische Truppen gerade Kurs auf die georgische Hauptstadt genommen. Dementsprechend fließt jeder Euro, der aus Brüssel in die Ukraine gelangt, auch in unsere eigene Sicherheit. Geplant ist, dass aus Brüssel weitere 50 Milliarden Euro über die nächsten vier Jahre nach Kiew gehen sollen.

Ähnlich klar ist die Sache mit einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Wenn dieser Krieg irgendwann vorbei ist – und die Ukraine existiert weiter als freier, friedlicher Staat –, bringt eine Ukraine als Mitglied der EU mehr Vor- als Nachteile. Denn die Ukraine würde sie nicht nur wirtschaftlich aufwerten. Auch aus Sicherheitsaspekten zeigt sich heute, dass sie als EU-Mitglied vermutlich kein so leichtes Ziel für Russland geworden wäre. Denn auch für einen EU-Staat gibt es eine Beistandsklausel, auch wenn diese nicht so klar formuliert ist wie bei der Nato. Auch deshalb ist es logisch, dass die Unterstützung aus Europa nicht nachlassen darf.

An dieser Stelle könnte man jetzt darüber diskutieren, ob die Ukraine grundsätzlich schon bereit ist für die EU. Denn das Land hat noch einige Baustellen auf dem Weg dahin: Vor allem im Kampf gegen die Korruption und bei der Rechtsstaatlichkeit sind trotz einiger Anstrengungen weitere Fortschritte notwendig. Doch es wäre falsch, nur mit dem Finger auf die Ukraine zu zeigen. Denn es müsste auch diskutiert werden, ob die EU grundsätzlich bereit ist für die Ukraine.

Entscheidungen über EU-Mitgliedschaften müssen im Rat der EU einstimmig getroffen werden. Senkt auch nur einer der Entscheider heute den Daumen, ist der ganze Prozess blockiert. Es ist meistens der Moment auf einem Gipfel, an dem sich die Staats- und Regierungschefs auf zähe Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden einstellen und mit Engelszungen auf den oder die Abweichler einreden.

Am Ende kostet das nicht nur die Politiker eine Menge Nerven, sondern die EU-Bürger mitunter auch viel Geld. Auch heute ist ein solches Szenario wahrscheinlich. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nennt die mögliche Aufnahme von Beitrittsgesprächen einen "schrecklichen Fehler". Spekuliert wird, dass sich die anderen Länder seine Zustimmung mit weiteren Steuermilliarden erkaufen müssen. Die Strategie könnte bereits aufgegangen sein: 10 Milliarden Euro gab die EU-Kommission schon gestern Abend für Ungarn frei. "Er erpresst die Europäische Union, um Vorteile zu erlangen", sagte der Historiker Martin Schulze Wessel zuletzt meinem Kollegen Tom Schmidtgen.

Unabhängig von Orbáns Veto ist es auf der einen Seite verständlich, dass bei solch zentralen Entscheidungen auch jeder EU-Staat zustimmen muss. Auf der anderen Seite lähmt das Einstimmigkeitsprinzip die Handlungsfähigkeit der mit 27 Staaten mittlerweile sehr großen Europäischen Union. Dabei sind im Europäischen Rat auch Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit möglich: Es müssen mindestens 55 Prozent der Staaten zustimmen, die gleichzeitig 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren.

Eine Reform für mehr Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip wird schon lange gefordert, auch in Deutschland. Im EU-Parlament sollen allein in den letzten zwei Legislaturperioden 40 (!) Anläufe für eine Änderung unternommen worden sein. Aber bisher sind die Versuche immer wieder gescheitert, auch weil – Sie ahnen es bereits – eine solche Reform Einstimmigkeit erfordert.

Doch selbst wenn alle Staaten die Mitgliedschaft irgendwann durchwinken sollten, gäbe es weitere Probleme: Flächenmäßig wäre die Ukraine das größte Land der EU, gemessen an der Bevölkerung läge der Staat auf Rang sechs. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte jüngst errechnet, dass der Beitritt der EU weitere 130 bis 190 Milliarden Euro kosten würde. Da die Landwirtschaft in der ukrainischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt, müsste Brüssel plötzlich riesige Mengen an Agrarsubventionen an Kiew überweisen.

Die Streitereien um Getreidelieferungen mit Russland während des Krieges zeigen, wie wichtig die Ukraine für den Weltmarkt ist. Als EU-Mitglied würde das Land Europa auf dem weltweiten Agrarmarkt massiv aufwerten. Die aktuellen Subventionsmechanismen würden die europäische Landwirtschaft allerdings in ein solches Ungleichgewicht bringen, dass auch hier eine Reform bitter nötig wäre.

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Um all diese Fragen wird es auf dem heutigen EU-Gipfel leider weniger gehen. Stattdessen werden Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Kollegen darüber diskutieren, was die Ukraine noch leisten muss, um der EU einen Schritt näherzukommen und welche Zugeständnisse Viktor Orbán für seine Zustimmung gemacht werden müssen. Dabei wäre besinnliche Selbstkritik angebrachter.


Einigung beim Geld

Einen Monat hat es gedauert, ehe am frühen Mittwochmorgen die gute Nachricht kam: Die Bundesregierung hat eine Lösung gefunden, wie sie das Milliardenloch für den Haushalt im kommenden Jahr stopfen will. "Harte, aber konstruktive Arbeit" war dem vorangegangen, meinte Bundeskanzler Olaf Scholz im Anschluss und sprach von einem demokratischen Kompromiss.

Die Ampelspitzen mögen erleichtert sein, auf die Verbraucher kommt aber jetzt vor allem eines zu: mehr Kosten. Strom, Gas, Benzin – alles dürfte in den kommenden Monaten teurer werden. Das wird für viele Menschen schwer wiegen. Auch wenn der nun höhere Preis für den Ausstoß von CO2 klimapolitisch ein richtiger Schritt ist.

Die Schuldenbremse soll dagegen im kommenden Jahr eingehalten werden. Wobei, ganz so einfach ist auch das nicht: Denn dort haben sich Scholz, Habeck und Lindner noch ein paar Notausgänge eingebaut. "Ein klassischer Ampel-Hintertür-Kompromiss." So nennen meine Kollegen Sara Sievert, Daniel Mützel und Florian Schmidt das, was am Ende dabei herausgekommen ist. Nach ziemlich genau zwei Jahren im Amt ist von "mehr Fortschritt", den die Ampel mal wagen wollte, nicht mehr wirklich viel übriggeblieben.


Einigung beim Klimagipfel

Noch größer und bedeutender als der Bundeshaushalt ist dann wohl nur noch das, was ebenfalls am frühen Mittwochmorgen in Dubai verkündet wurde. Auf der Weltklimakonferenz hat sich die Staatengemeinschaft nach zähem Ringen auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Und tatsächlich: Alle Staaten haben sich darin das Ziel gesetzt, aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas auszusteigen.

Im ersten Moment mag das wie ein großer Wurf klingen. Doch so leicht ist es dann doch nicht. Denn wie und wann genau dieses Ende der fossilen Brennstoffe eingeläutet werden soll, geht aus dem Papier nicht hervor.

Dementsprechend gemischt fielen die Reaktionen aus. Während Außenministerin Annalena Baerbock von einem "Tag der Freude" sprach, flossen bei anderen Teilnehmern Tränen der Trauer. Von Betrug sprach etwa eine Vertreterin der Insel Samoa, die wie viele andere Pazifikstaaten schon jetzt massiv vom Klimawandel betroffen ist. Ähnlich zwiespältig blickten auch unsere Autoren auf die Einigung: Während unsere Textchefin Heike Vowinkel meint, das Ergebnis dürfe man nicht kleinreden, spricht mein Kollege Tobias Eßer davon, dass die Welt den Kampf um Verbindlichkeit gegen die Gas- und Öl-Lobby verloren habe.


Ohrenschmaus

Unter uns: Weihnachtslieder sind nicht ganz mein Fall. Aber es gibt eine Platte, die ich um diese Zeit immer wieder gerne höre. Vielleicht gefällt Ihnen ja dieser Song daraus.


Was steht an?

Putin sucht die Bühne: Pünktlich zum Jahresende lädt der russische Präsident zu seiner großen Jahrespressekonferenz. Es ist das erste Mal, seit Russland die Ukraine angegriffen hat.

Wie blickt Deutschland auf die Einigung bei der Weltklimakonferenz? Heute Nachmittag wird es zu den Ergebnissen eine aktuelle Stunde im Bundestag geben.

Wie geht es wirtschaftlich weiter? Darüber soll die Langzeitprognose der OECD heute Aufschluss geben. Anhand von verschiedenen Szenarien werden dadurch Ausblicke bis in das Jahr 2060 gewährt.

In jedem Raum ein Kreuz: Seit 2018 muss in jedem staatlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen. Dagegen hatte eine religionskritische Vereinigung geklagt. Ab heute befasst sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall.


Das historische Bild

Der Mond ist Sehnsuchtsort der Nasa, allerdings ist es schon lange her, seit der letzte Mensch dort oben war. Hier erfahren Sie mehr.


Lesetipps

Der Generalbundesanwalt will schon bald zwei Funktionäre der Terrororganisation Hisbollah anklagen. Einer von ihnen soll aus dem Libanon entsandt worden sein, der zweite einer militärischen Spezialeinheit angehören, schreibt mein Kollege Jonas Mueller-Töwe.


Kurz vor Weihnachten stellt sich jeder die Frage: Wird es eine weiße Weihnacht geben? Unsere Wetterexpertin Michaela Koschak verrät es Ihnen in diesem Video.


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj büßt in seiner Heimat an Beliebtheit ein. Viele Ukrainer haben inzwischen einen anderen Favoriten für das höchste Amt in ihrer Heimat, schreibt meine Kollegin Frederike Holewik.


Die Pisa-Studie attestiert Schülern in Deutschland ein so schlechtes Bildungsniveau wie nie zuvor. Doch im Matheteil versagen ausgerechnet die Studienmacher selbst, schreiben Susanne Litzka und Mario Thieme.


Zum Schluss

Manche Sachen kosten eben wirklich nichts...

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Donnerstag. Morgen schreibt für Sie wieder Florian Harms.

Herzliche Grüße

Ihr

David Schafbuch
stellvertretender Ressortleiter Politik, Wirtschaft & Gesellschaft
X/Twitter: @Schubfach
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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