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Sexuelle Belästigung, sexualisierte Gewalt | Sind alle Männer Schweine?


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Tagesanbruch
Sind Männer Schweine?

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 25.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Viele Frauen werden Opfer männlicher Grapscher.Vergrößern des Bildes
Viele Frauen werden Opfer männlicher Grapscher. (Quelle: imago images)
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Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal fragt man sich als Träger eines X- und eines Y-Chromosoms, ob man eigentlich noch guten Gewissens auf die Straße gehen kann. Oder ob man lieber mit Schamesröte im Gesicht um die Ecken huschen sollte. Man fragt sich, ob die Männer dieser Welt eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben. Man will sich vor Verallgemeinerungen hüten, und natürlich hat man viele anständige Freunde und Kollegen, die ebenso wie man selbst niemals auf die Idee kämen, einem anderen Menschen zu nahe zu treten.

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Aber dann schaut und hört man sich um und ist entsetzt: Unzählige Männer scheinen nichts Verwerfliches daran zu finden, Frauen nach Lust und Laune zu belästigen. Grapscher in der S-Bahn, schlüpfrige Sprüche am Arbeitsplatz, Klapse auf den Po im Sportverein – ganz zu schweigen von Vergewaltigungen und anderer sexualisierter Gewalt, der auch hierzulande täglich Tausende Frauen ausgesetzt sind. Die Fallzahlen steigen. Womöglich auch deshalb, weil mehr Frauen als früher die Angriffe anzeigen, aber das macht nur umso deutlicher, wie groß das Problem ist. Als Frau muss man an vielen Orten damit rechnen, dreist angemacht, angefasst oder gar angegriffen zu werden.

Sind Männer Schweine? In Spanien wird diese Frage gerade hoch und runter diskutiert. Nachdem die Frauen-Nationalmannschaft das Fußball-Weltmeisterschaftsfinale gewonnen hatte, nahmen die Spielerinnen die Glückwünsche von Funktionären entgegen. Und dabei geschah es: Der spanische Verbandspräsident Luis Rubiales herzte und knuddelte die Sportlerinnen nicht nur ausgiebig – er packte auch den Kopf der Stürmerin Jennifer Hermoso und zwang ihr einen Kuss auf den Mund auf.

Weil die Szene live im Fernsehen zu sehen war, brach ein Sturm der Entrüstung los, zunächst in den sozialen, dann auch in den seriösen Medien. Immer mehr Frauen äußerten sich, wobei die Kritik der betroffenen Spielerin zunächst vergleichsweise zurückhaltend ausfiel: "Hat mir nicht gefallen", meinte Frau Hermoso.

Dann aber beliebte Herr Rubiales, seine Kritiker als "Idioten" zu beschimpfen. Was regt ihr euch denn auf? War doch nur nett gemeint! Das war offenkundig seine Haltung, und es war dieselbe, mit der sich Millionen andere übergriffige Männer verteidigen, wenn wieder mal die Hormone mit ihnen durchgehen.

Prompt steigerte sich der Empörungssturm zum Orkan. Frau Hermoso und die spanische Spielergewerkschaft fordern nun "beispielhafte Maßnahmen" gegen Herrn Rubiales. Sogar der Ministerpräsident hat sich eingeschaltet: "Was wir gesehen haben, ist eine inakzeptable Geste", findet Pedro Sánchez. Und als Herr Rubiales sich unter dem öffentlichen Druck doch noch zu einem Bedauern aufraffte, stellte der Regierungschef klar: Die Entschuldigung sei "unzureichend".

Für heute Mittag hat der spanische Fußballverband eine außerordentliche Generalversammlung einberufen. Thema: "die jüngsten Ereignisse während der Siegerehrung". Dass der übergriffige Präsident dort ernsthafte Konsequenzen zu befürchten hat, ist fraglich. Señor Rubiales hat mächtige Freunde. Er ist im europäischen Fußballbusiness bestens vernetzt, auch deutsche Funktionäre wie der Münchner Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund verteidigten ihn oder drucksten herum. "Beschämend" nennt das mein Kollege David Digili.

Selbstherrliche Chauvis decken einander, statt klipp und klar einzuräumen, was jeder Anständige sehen kann: Hier hat ein Mann eine Frau belästigt, herabgewürdigt und sich nur unter öffentlichem Druck zu einem Bedauern durchgerungen. Damit hat er ein verheerendes Signal ausgesandt: Als mächtiger Mann kann man sich erlauben, was man will – und Frauen müssen es erdulden: Sollen die sich mal nicht so anstellen!

Sind Männer Schweine? Natürlich nicht alle, aber leider zu viele. Deshalb braucht es in aufgeklärten Gesellschaften starke Zeichen, dass sexuelle Übergriffe nicht geduldet werden. Der Rauswurf des spanischen Verbandschefs wäre so ein starkes Zeichen.


Ohrenschmaus

Natürlich sind Männer Schweine! Hier ist der Beweis.


Scholz unter Strom

Die Bundesregierung sammelt immer mehr Stoff für ihre Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg Mitte nächster Woche: Wollte die Zoff-Koalition dort bislang vor allem den Zwist zwischen der grünen Familienministerin Lisa Paus und FDP-Finanzminister Christian Lindner beilegen (beziehungsweise sich doch noch irgendwie auf eine Kindergrundsicherung und ein Wachstumschancengesetz verständigen), so steht seit gestern auch noch der Industriestrompreis ganz oben auf der Liste der Streitthemen. Da nämlich beschloss die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion ein Konzept für einen staatlich subventionierten Strompreis für ausgewählte Branchen: Zunächst fünf Jahre lang soll er fünf Cent pro Kilowattstunde betragen. Die Differenz zum durchschnittlichen Börsenstrompreis, der derzeit bei etwa 8,95 Cent liegt, soll der Staat übernehmen.

Damit geht der Plan nicht nur weiter als der Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sechs Cent ins Spiel gebracht hatte. Die SPD-Abgeordneten stellen sich auch frontal gegen Kanzler Olaf Scholz, der eine solche Subvention bislang als "schuldenfinanziertes Strohfeuer" abgelehnt hatte – darin einig mit der FDP. Noch vor dem Treffen in Meseberg tagt die SPD am Montag in Wiesbaden, Scholz will ebenfalls kommen. Sieht so aus, als müsse er mittlerweile nicht mehr nur seine Koalition, sondern erst mal seine eigene Partei befrieden.


Das große Geld

In erster Linie ist das kleine Tal Jackson Hole in den Rocky Mountains für wildromantische Natur und Wintersport bekannt. Einmal im Jahr aber richten sich die Blicke der Finanzwelt auf die Einöde im US-Bundesstaat Wyoming: wenn dort, wie dieser Tage, die wichtigsten Notenbanker der Welt zusammenkommen, um über geldpolitische Strategien zu beraten.

Mit besonderer Spannung werden heute die Reden von Jerome Powell und Christine Lagarde erwartet: Vom Chef der US-Notenbank Fed und der Chefin der Europäischen Zentralbank erhoffen sich Investoren und Finanzminister Hinweise darauf, wie es mit der Zinspolitik weitergeht. Ob also die Währungshüter zur Inflationsbekämpfung weiter auf steigende Zinsen setzen oder eine Pause einlegen.

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Lesetipps

Zwei Männer waren gestern quasi noch unbekannt – und wühlen heute Amerika auf. Der eine ist Präsidentschaftskandidat Vivek Ramaswamy, der in der ersten Debatte der Republikaner allen Rivalen die Show stahl. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns erklärt Ihnen, was der Shootingstar vorhat. Der andere Mann nennt sich Oliver Anthony und war bisher ein kaum bekannter Countrysänger. Plötzlich steht er mit einem umstrittenen Wut-Song auf Platz eins der US-Charts, noch vor Taylor Swift. Gemeinsam mit Julian Seiferth hat unser Washington-Reporter recherchiert, was hinter dem unheimlichen Erfolg steckt.


Kriegsfürst Prigoschin ist offenbar tot. Wie geht es nun mit den Wagner-Söldnern weiter? Der Militärexperte Carlo Masala gibt im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke Antworten.


In Griechenland wüten die schlimmsten Waldbrände in der EU. Die Kollegen der ARD zeigen dramatische Szenen.



Das historische Bild

Welche Frau motivierte amerikanische Soldaten stärker als jeder General? Diese hier.


Zum Schluss

Die Corona-Zahlen steigen wieder rasant.

Ich wünsche Ihnen einen gesunden Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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