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Super-Vulkan in Italien: Das schlimmste Szenario bei einem Ausbruch


Wenn der Supervulkan ausbricht
"Riesiger Tsunami würde das gesamte Mittelmeer erfassen"

InterviewVon Ellen Ivits

21.03.2025 - 09:58 UhrLesedauer: 6 Min.
Satellitenbild der Phlegräischen Felder bei Neapel: Der Supervulkan könnte jederzeit ausbrechen – eine ständige Gefahr für Italien und ganz Europa.Vergrößern des Bildes
Satellitenbild der Phlegräischen Felder bei Neapel: Der Supervulkan könnte jederzeit ausbrechen – eine ständige Gefahr für Italien und ganz Europa. (Quelle: Gallo Images/getty-images-bilder)
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Tsunamis, Glutlawinen, Ascheregen: Der Supervulkan in den Phlegräischen Feldern könnte jederzeit ausbrechen. Statistisch gesehen ist eine Eruption sogar fällig. Sie hätte verheerende Auswirkungen – in Italien, aber auch global.

Kilometerhohe Aschewolken verdunkeln den Himmel, glühende Lavaströme bahnen sich ihren zerstörerischen Weg und eine Schockwelle rast über das Land. Was nach einem Szenario aus einem Katastrophenfilm klingt, ist eine reale Bedrohung – falls es zu einem Ausbruch in den Phlegräischen Feldern kommt.

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Der Supervulkan bei Neapel bedroht nicht nur Italien. Ein Ausbruch könnte ganz Europa mit Asche bedecken. Aber wie realistisch ist ein solches Szenario? Wie groß ist die Gefahr tatsächlich? Und vor allem: Gibt es Frühwarnsysteme, die rechtzeitig auf eine drohende Eruption hinweisen könnten? Darüber hat t-online mit dem angesehenen Geologen und Vulkanismus-Experten Ulrich Schreiber gesprochen.

t-online: Was genau sind die Phlegräischen Felder?

Ulrich Schreiber: Die Phlegräischen Felder sind ein gewaltiges vulkanisches System. Im Gegensatz zum Vesuv, der als einzelner Vulkan aufragt, handelt es sich hierbei um eine riesige Caldera – also eine eingestürzte Magmakammer –, die durch mehrere gigantische Ausbrüche in den letzten 39.000 Jahren entstanden ist. Ursprünglich ging man von zwei großen Ausbrüchen aus, aber inzwischen hat die Forschung Hinweise auf einen dritten gefunden. Die Caldera hat einen Durchmesser von etwa 15 Kilometern und liegt teilweise unter Wasser im Golf von Pozzuoli.

Das Gebiet ist hochaktiv: Heiße Gasquellen, Schwefeldämpfe und Fumarolen zeugen von der brodelnden Magmakammer darunter. Der letzte Ausbruch war 1538 – doch wenn es erneut zu einer großen Eruption kommt, hätte das dramatische Folgen für die dicht besiedelte Küstenregion.

Was macht einen Vulkan zu einem Supervulkan?

Die Einstufung eines Vulkans als Supervulkan basiert auf dem sogenannten Vulkanexplosivitätsindex (VEI). Ein Supervulkan erreicht mindestens einen VEI-Wert von 7 oder höher, was bedeutet, dass er enorme Mengen an Material ausstößt – im Bereich von Hunderten von Kubikkilometern. Die Phlegräischen Felder gehören zu dieser Kategorie, da sie bei vergangenen Ausbrüchen gewaltige Mengen an Magma und Asche freigesetzt haben.

Wie würde ein Ausbruch seinen Anfang nehmen?

Zunächst würde es mit zunehmenden Erdbeben beginnen. Diese würden darauf hindeuten, dass Magma in Richtung Erdoberfläche steigt. Kommt es zu einem ersten, durchgehenden Riss in der Erdkruste, könnte eine Initialeruption erfolgen, die eine riesige Explosion auslöst. Anschließend fänden über Wochen immer wieder gewaltige Eruptionen statt. Besonders gefährlich ist, dass ein Teil des Vulkangebiets unter Wasser liegt. Wenn heißes Magma auf Meerwasser trifft, kommt es zu einer gewaltigen Wasserdampfexplosion.

Was wäre die direkte Folge?

Eine riesige Tsunamiwelle erfasst dann das gesamte Mittelmeer. Die Küstenstädte wären in Minuten von meterhohen Wellen überschwemmt. Doch das ist nur der Anfang.
Der eigentliche Ausbruch würde Unmengen an Asche, Gestein und Gasen in die Atmosphäre schleudern. Eine Eruptionssäule könnte bis in die Stratosphäre reichen. Das bedeutet nicht nur, dass der Großteil des Mittelmeerraums mit meterhoher Asche bedeckt wäre, sondern dass es weltweit zu Temperaturstürzen kommt, weil Sonnenlicht blockiert wird.

Und vor Ort?

Besonders verheerend sind pyroklastische Ströme. Das sind Glutlawinen aus Asche und Gasen, die sich aus der aufsteigenden Eruptionssäule herauslösen und mit Hunderten Kilometern pro Stunde auf den Boden zurasen. Neapel und umliegende Gebiete wären in Minuten ausgelöscht. Diese Ströme könnten über das Meer hinweg sogar entfernte Küsten erreichen.

Was wäre bei einem Ausbruch der Phlegräischen Felder das schlimmste Szenario?

Anders als ein klassischer Vulkankegel, bei dem Lava aus einem zentralen Krater austritt, ist eine Caldera eine riesige Einbruchstruktur. Im Untergrund befindet sich eine große Magmakammer, die von einer instabilen Kruste bedeckt ist. Wenn sich der Druck in der Kammer verändert – etwa durch den Abfluss oder Ausstoß von Magma bei einer Eruption – kann dieser Deckel einstürzen. Dabei sinken große Gesteinsmassen in die Tiefe und üben weiter Druck auf das restliche Magma aus.

Was passiert dann?

Der Einsturz führt dazu, dass Meerwasser in die Senke strömt. Ein solcher Vulkanausbruch würde mindestens zwei große Tsunami-Wellen verursachen. Die erste Welle käme direkt durch die Initialeruption zustande, bei der Magma und Gestein explosiv in die Atmosphäre geschleudert werden und Wasser durch die Druckwelle in Richtung Meer verdrängt wird. Der nachfolgende Einsturz des Magmakammerdachs führt dazu, dass sich eine Senke bildet, die sofort von Meerwasser geflutet wird. Hierdurch entsteht die zweite Welle. Sie wird durch das gewaltige Nachströmen von Wasser ausgelöst, welches dann als erneute Riesenwelle zurückschwappt.

Ulrich C. Schreiber
Ulrich C. Schreiber (Quelle: Ulrich C. Schreiber)

Zur Person

Ulrich C. Schreiber (* 1956 in Osterode am Harz) ist pensionierter Professor für Allgemeine Geologie der Universität Duisburg-Essen, wo er fast 26 Jahre lang forschte und lehrte. Seine Arbeitsgebiete sind die Entstehung des Lebens, die Regionale Geologie von Mitteleuropa, Vulkanismus und Tektonik sowie die Geoökologie. 2003 entdeckte er einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten hügelbauender Waldameisen und gasführenden tektonischen Bruchzonen der Erdkruste. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse nutzt er für schriftstellerische Tätigkeiten, etwa bei seinem ersten Roman "Die Flucht der Ameisen – Ein Vulkanausbruch am Rhein" und zuletzt in dem neu erschienenen Science-Fiction Roman "Die Spiegelung der Zeit".

Und dann kämen die pyroklastischen Ströme?

Genau, das sind extrem heiße, schnell fließende Glutwolken aus Asche und Gestein, die sich mit hoher Geschwindigkeit ausbreiten. Besonders gefährlich: Auf dem Meer können diese Glutwolken kilometerweit über die Wasseroberfläche gleiten, weil sich unter ihnen ein Wasserdampfkissen bildet. Küstenregionen auf der gegenüberliegenden Seite eines Meeresgebiets wären dadurch ebenfalls gefährdet.

Was passiert, wenn die Ströme auf die Küste treffen?

Wenn die glühend heißen pyroklastischen Ströme an der gegenüberliegenden Küste ankommen, können sie ganze Landstriche überrollen. Ihre Reichweite hängt von der Stärke der Eruption und der Entfernung zur gegenüberliegenden Küste ab. In einem Szenario wie im Golf von Neapel könnten sie sich bis über die Halbinsel Sorrent erstrecken und sogar Inseln wie Procida und Ischia bedrohen. Besonders tückisch: Wer versucht, sich aufs Meer zu retten, könnte in eine tödliche Falle geraten – denn die Ströme gleiten über das Wasser hinweg und holen selbst Flüchtende auf hoher See ein.

Die Richtung, welche die pyroklastischen Ströme einschlagen würden, lässt sich wahrscheinlich nicht vorhersagen, oder?

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Ein Ausbruch könnte die gesamte Region treffen – und das in mehreren Wellen. Pyroklastische Ströme entstehen nicht nur einmal, sondern in mehreren Schüben. Eine Eruption setzt sich oft aus mehreren Einzeleruptionen zusammen, sodass Glutlawinen unterschiedliche Richtungen einschlagen können: Manche könnten Neapel erreichen, andere über das Mittelmeer hinweg nach Norden ziehen. Das hängt stark von der herrschenden Windrichtung ab.

Besonders gefährlich ist die enorme Aschemenge, die sich in kurzer Zeit ablagern kann. In Neapel könnten nach einer solchen Katastrophe mehrere Meter Asche liegen – sechs bis zehn Meter sind durchaus möglich. Unter solchen Bedingungen gibt es keine Überlebenschance.

Wie gut kann man voraussagen, ob ein großer Ausbruch bevorsteht?

Die Vorhersage eines Supervulkan-Ausbruchs gehört zu den größten Herausforderungen der Vulkanologie. Es gibt zwar verschiedene Indikatoren wie Erdbeben, Gaszusammensetzungen oder Bodenhebungen, die auf steigenden Magmadruck hinweisen können, doch bleibt ungewiss, ob dies tatsächlich zu einem Ausbruch führt oder sich das System von selbst wieder stabilisiert. Aktuell hebt sich die Region erneut an, was auf nachströmendes Magma hindeutet. Experten gehen davon aus, dass im besten Fall einige Monate Vorwarnzeit vorhanden wären. Doch in einer ungünstigen Situation könnte sich ein Ausbruch auch sehr plötzlich ereignen. Experten gehen davon aus, dass es im schlimmsten Fall nur wenige Tage Vorwarnzeit gibt.

Video | Aktivitäten in Eifel beobachtet: Hier liegen Deutschlands Vulkane
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Quelle: t-online

Was sind die Anzeichen, an denen sich ein bevorstehender Ausbruch erkennen ließe?

Anzeichen sind neben starken Bodenhebungen steigende Temperaturen, veränderte Gaszusammensetzungen und eine zunehmende Erdbebenaktivität. Entscheidend ist dabei nicht nur die Häufigkeit der Beben, sondern auch ihre Art: Sie unterscheiden sich je nachdem, ob sie durch Magmabewegungen oder durch das Brechen von Gesteinsplatten entstehen.

Das Serapeum – die Überreste eines römischen Bauwerks in der Region – demonstriert die vulkanischen Aktivitäten anschaulich. An seinen Säulen kann man heute noch Spuren von Bohrmuscheln erkennen, die normalerweise nur unter Wasser leben. Das bedeutet: Der Meeresspiegel war nicht gestiegen, sondern das gesamte Gebiet war abgesunken und später wieder angehoben worden. Messungen zeigen, dass diese Bewegungen nicht selten sind – das Land hebt und senkt sich immer wieder, teils um mehrere Meter innerhalb von Jahrzehnten.

Aktuell befindet sich die Region in einer Phase der Hebung, was darauf hindeutet, dass Magma in den Untergrund einströmt und das Gebiet anhebt. Begleitet wird dies von spürbaren Erdbeben – zuletzt mit einer Stärke von 4,4. Diese Entwicklungen sorgen für Unruhe.

Gibt es ein historisches Beispiel für einen Supervulkan-Ausbruch?

Nicht direkt historisch, aber es gab einen zu einer Zeit, als schon Menschen existierten. Das bekannteste Beispiel ist der Toba-Ausbruch vor rund 74.000 Jahren in Indonesien. Dieser Ausbruch hatte globale Auswirkungen, da er eine Abkühlung des Erdklimas verursachte und vermutlich die Menschheitsgeschichte maßgeblich beeinflusste. Auch der Yellowstone-Vulkan in den USA gehört zu den Supervulkanen und könnte in Zukunft eine ähnlich gewaltige Eruption erleben.

Der letzte große Ausbruch der Phlegräischen Felder war vor 39.000 Jahren und gilt als einer der größten in Europa. Die Asche reichte bis ins Gebiet des heutigen Russlands. Es gab weitere große Ausbrüche vor 29.000 und 15.000 Jahren. Statistisch wäre also wieder einer möglich. Aber man kann solche Naturereignisse nicht wie Uhrwerke berechnen.

Was könnte ein glücklicher Ausgang sein?

Es gibt kleine Ausbrüche, die den Druck abbauen und das System stabilisieren. 1538 entstand in den Phlegräischen Feldern mit dem Monte Nuovo ein neuer Vulkan. So ein relativ kleines Ereignis könnte das Risiko eines Mega-Ausbruchs verringern. Aber garantieren kann das niemand.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ulrich C. Schreiber
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