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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dramatisches Wolfsjahr Wolfsschäden nehmen rasant zu
Die durch Wölfe in Deutschland verursachten Schäden sind binnen eines Jahres deutlich gestiegen. Das geht aus Zahlen der Landesumweltministerien hervor, die t-online.de exklusiv vorliegen.
Wölfe richten in deutschen Nutztierbeständen immer mehr Schäden an. So sind innerhalb eines Jahres die Kostenerstattungen der Bundesländer für Wolfsrisse sprunghaft gestiegen. Das geht aus Antworten der Landesumweltministerien auf Anfragen von t-online.de hervor.
210.000 Euro Schaden binnen zwölf Monaten
Demnach bekamen Nutztierhalter binnen der vergangenen zwölf Monate fast 210.000 Euro für von Wölfen verursachte Schäden. Eine deutliche Steigerung: Seit der ersten Sichtung vor 18 Jahren hatten Wölfe Schäden in Höhe von insgesamt knapp 500.000 Euro verursacht, wie t-online.de berichtete. Nun beläuft sich der erstattete Gesamtschaden seit der Wiederansiedlung auf bundesweit insgesamt 706.416 Euro.
Die meisten Schäden entstanden in Brandenburg, gefolgt von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt – Bundesländer, in denen es auch die meisten Tiere gibt. Erst vor Kurzem hatte ein Wolf auch im Allgäu fünf Kälber gerissen, in Hamburg riss ein Jungwolf eines dänischen Rudels zum ersten Mal im Gebiet einer deutschen Großstadt ein Schaf. In Sachsen-Anhalt starben 21 Schafe bei einem mutmaßlichen Wolfsangriff. Am vergangenen Wochenende trieb in Thüringen möglicherweise ein Wolf eine Schafherde auf eine Autobahn – auch dort wurden mehrere Tiere getötet.
Zahl der Wölfe in Deutschland steigt
Der Anstieg der Schäden geht mit der kontinuierlich steigenden Zahl der Tiere bundesweit einher. Schätzungsweise leben aktuell 702 Individuen in Deutschland – wenn man von zehn Tieren pro Rudel ausgeht. Im vorherigen Wolfsjahr 2016/2017 waren es geschätzt 614 Tiere. Das sogenannte Wolfsjahr beginnt immer am 1. Mai, wenn die Welpen zur Welt kommen und endet am 31. April des Folgejahres.
Nach seiner Rückkehr im Jahr 2000 war der Wolf zunächst in Sachsen heimisch geworden. Dort wurden zum ersten Mal seit seiner Ausrottung in Deutschland wieder Welpen geboren. Inzwischen ist der Wolf in acht Bundesländern sesshaft – und auch in anderen Ländern wie NRW und Hessen werden immer wieder Streiftiere gesichtet, die nicht dauerhaft bleiben.
Die meisten Tiere leben weiterhin in Brandenburg: schätzungsweise 245. Im Vergleich zum letzten Wolfsjahr 2016/17 siedelte sich der Wolf aber auch in einem weiteren Bundesland an. Zum ersten Mal ließ sich ein Einzeltier in Baden-Württemberg nieder, wie das Umweltministerium t-online.de mitteilte. Im vergangenen Jahr war das damals einzige Streiftier dort von Unbekannten getötet worden, bevor es sesshaft werden konnte.
- Recherche 2017: Wölfe verursachen recht wenig Schaden
- 7.000 Euro für lohnende Hinweise: Wölfin mit Betongewicht im See versenkt
- Beim Waldspaziergang: Was tun, wenn Ihnen ein Wolf begegnet
Auch diese Fälle nehmen zu: Trotz strengem Jagdverbot werden die Tiere immer wieder illegal geschossen. Allein 2018 gab es sieben illegale Tötungen. Zum Vergleich: In den vergangenen 18 Jahren waren insgesamt nur 38 Tiere illegal geschossen worden – 16 davon allerdings in Brandenburg.
Nur wenige Täter konnten bislang ermittelt werden. Einer wurde im vergangenen Jahr in Brandenburg identifiziert und zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.000 Euro verurteilt. Oft werden die Ermittlungen aber eingestellt und die Täter nie gefunden. Für erhebliches Aufsehen sorgt aktuell ein Fall in Sachsen: Dort sind 7.000 Euro Belohnung für Hinweise auf den Unbekannten ausgelobt, der eine Wölfin erschoss und mit Betongewichten in einem See versenkte.
2018 wurden 47 Tiere tot aufgefunden
Insgesamt wurden in diesem Jahr 47 Wölfe tot aufgefunden. Die meisten Tiere sterben bei Verkehrsunfällen. Von den 47 toten Tieren wurden 35 Opfer eines Verkehrsunfalls.
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Trotz der steigenden Zahl der Wölfe und einhergehender Schäden verursacht die Wolfspopulation in Deutschland nach wie vor weitaus geringere Schäden als andere Tierbestände. Das geht aus Zahlen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer hervor. So ist allein der Marder für Schäden in Höhe von über 60 Millionen Euro jährlich verantwortlich. Bei rund 264.000 Verkehrsunfällen mit Wild entstand im Jahr 2016 ein Schaden in Höhe von 682 Millionen Euro.
Nicht einberechnet in den Erstattungskosten aufgrund von Wolfrissen sind Präventionsmaßnahmen für Tierhalter, die die Länder ebenfalls bezuschussen, sowie Schäden, die entstehen können, wenn Nutztiere vor dem Wolf die Flucht ergreifen und beispielsweise Weidezäune niederreißen.
Update, 24.8.2018, 12:42 Uhr: Aufgrund unzureichender Angaben des Kontaktbüros Wölfe in Sachsen hat sich in die Berichterstattung ein Fehler eingeschlichen – höchstwahrscheinlich beträgt der Schaden in Sachsen bis dato ca. 130.000 Euro statt der angegebenen rund 83.000 Euro. Demzufolge würde der Gesamtschaden bundesweit um knapp 50.000 Euro ansteigen und über 750.000 Euro betragen. Das Kontaktbüro Sachsen hat die fehlerhaften Angaben bislang nicht genau korrigiert.
- eigene Recherchen
- Bericht DBBW
- GDV: "Täglich kracht es 720 Mal"
- GDV: "Teilkaskoschäden für Pkw nach Ursachen 2016"