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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Esa-Ausbilderin Winterling "Astronauten sind nicht lebensmüde"
Ein Traum von den Sternen: Während Alexander Gerst erneut im All ist, wartet seine ehemalige Astronauten-Trainerin Laura Winterling auf ihre große Chance. Ein Gespräch über das Astronauten-Leben.
Seit dem 8. Juni ist Alexander Gerst (42) auf der internationalen Raumstation ISS. Auf der Erde verfolgt auch seine ehemalige Trainerin Laura Winterling die Mission des bekanntesten deutschen Astronauten. Dabei ist die 37-Jährige mindestens genauso raumfahrtbegeistert wie "Astro-Alex". Sechs Jahre trainierte Winterling künftige Astro- und Kosmonauten für ihre Missionen auf der ISS, zehn Jahre lang war sie bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). 2008 bewarb sie sich als Astronautin – scheiterte aber knapp.
Inzwischen ist die gebürtige Fränkin selbstständig. In ihrer Firma dreht sich auch alles um das Thema Raumfahrt. Winterling bietet Vorträge, Events und Führungen durch das Trainingszentrum der Esa in Porz an. Ihren großen Traum vom All verfolgt sie jedoch weiterhin.
Wir erreichen Winterling zwischen zwei Terminen am Telefon, im Hintergrund das laute Treiben eines Cafés. Im Gespräch spricht die Physikerin über ihren Traumberuf und erklärt die Faszination und die Risiken der Raumfahrt.
Alexander Gerst ist jetzt seit mehr als vier Wochen auf der Raumstation ISS. Fiebern Sie bei seinem Einsatz mit?
Laura Winterling: Prinzipiell bin ich durch meinen Beruf als Unternehmerin sehr nah an den Geschehnissen auf der internationalen Raumstation dabei und ich weiß, was bei uns im Astronautenzentrum der Esa gemacht wird. Zu meinem täglichen Arbeitsablauf gehört auch, dass ich schaue, was auf der Station passiert.
Sie haben viele Jahre Astro- und Kosmonauten trainiert und sie auf ihren Flug ins All vorbereitet. Auch Alexander Gerst haben Sie ausgebildet. Wie war das Training mit ihm?
So wie mit den anderen 80 Astronauten auch, die ich in diesen zehn Jahren kennenlernen durfte. Meine Aufgabe war es, die Astronauten mit allen Systemen des Transportraumschiffs ATV und mit dem Weltraumforschungslabor Columbus vertraut zu machen.
Wie läuft ein Astronautentraining ab?
Zu Beginn ist es eigentlich wie in der Schule. Die Astronauten müssen in sehr spezifischen Kursen viel Theorie lernen. Da geht es dann oft um technisches Wissen, denn die Raumfahrer müssen natürlich auch für den Notfall wissen, wie man beispielsweise eine Klimaanlage repariert. Im praktischen Teil können sie dieses Wissen dann anwenden: Bei der Esa haben wir funktionstüchtige Nachbauten des Forschungslabors Columbus und des Raumtransporters, mit denen die Astronauten trainieren können.
Welche Voraussetzungen müssen Interessenten mitbringen, die Astronaut werden möchten?
Prinzipiell kann sich jeder Mensch bewerben, der diesen Traum hat. Es gibt sehr wenig strikte Voraussetzungen, aber natürlich einige Kriterien. So kommen die meisten Astronauten aus dem wissenschaftlichen Bereich – Alex ist beispielsweise Geophysiker. Einige sind vorher Kampfjets geflogen, der Esa-Astronaut Thomas Pesquet war vorher Pilot bei Air France. Astronauten können also aus unterschiedlichen Bereichen kommen, nur ein Interesse für Technik ist bei allen vorhanden. Das gehört irgendwie mit dazu. Außerdem sollte man natürlich gesund sein und über eine gewisse Fitness verfügen.
Muss ein Astronaut mehrere Sprachen sprechen?
Es war immer von Vorteil, wenn man russisch sprechen konnte. Dadurch hat man dann im Training weniger Alltagsstress, denn auf der Raumstation ISS muss jeder Astronaut Englisch und Russisch können – das sind die zwei Amtssprachen.
Können Sie Russisch?
Ya govoryu po-russki - chut' chut'. (Ich spreche Russisch - ein bisschen.)
Nicht schlecht.
Ich musste Russisch nicht lernen, aber ich habe es irgendwann angepackt. Es war ein absoluter Traum von mir, denn durch meine Arbeit am Esa-Raumschiff führten mich die meisten Projekte nach Russland, weil der Transporter am russischen Teil der ISS andockt. Ich war vorher noch nie in Russland und bis 2008 konnte ich die Sprache nicht, aber irgendetwas hat mich dorthin gezogen. Da war es unabdingbar, dass ich auch die Sprache lerne, weil ich mehr mit den Menschen reden wollte als "Hallo" und "Tschüss".
Die Sprache bringt Sie vielleicht auch Ihrem großen Ziel näher. Warum haben Sie diesen Traum, unbedingt ins All fliegen zu wollen?
Ich fand die Typen mit diesen Anzügen und Helmen toll (lacht).
Wirklich?
Ja und damit meine ich Männer und Frauen. Als ich nach dem Abitur in die USA ging, wollte ich unbedingt nach Florida, weil ich in der Nähe von Cape Canaveral und dem Space Shuttle sein wollte. Ich habe aber erst später herausgefunden, dass die Raumfahrt immer mein roter Faden im Leben war. Ich fand es immer spannend, wenn Menschen etwas wagen und sich Dinge trauen, vor denen andere Menschen vielleicht zurückschrecken würden. Das finde ich heute noch spannend. Hinzu kam eine Leidenschaft für Mathe und Physik und dass ich mir gerne die Sterne angeguckt habe. Und plötzlich gab es nur einen Weg für mich: Die bemannte Raumfahrt.
Es ist kein ungefährlicher Beruf. Welche Ängste gibt es bei Astronauten vor einem Einsatz?
Was glauben Sie?
Ich habe da beispielsweise noch Bilder von explodierenden Raketen bei Apollo-Missionen im Kopf.
Angst ist vielleicht das falsche Wort. Astronauten haben vor bestimmten Dingen Respekt. Wenn man sich den Anzug anzieht und dann mit 26 Millionen Pferdestärken ins All geschossen wird, ist bei jedem da natürlich Respekt dabei. Man ist im All nicht mal eben um die Ecke und Astronauten haben auch Respekt vor den Aufgaben, die sie beispielsweise auf der ISS erwarten. Viele sind natürlich eine längere Zeit weg von Zuhause und von ihren Familien, aber das gehört in vielen Berufen mit dazu. Astronauten sind nicht lebensmüde, sondern sie sind sich dem Risiko bewusst.
Was passiert, wenn ein Astronaut im All ernsthaft krank wird?
Die Sicherheit der Crew steht immer an erster Stelle. Alle Astronauten erhalten im Training eine medizinische Ausbildung und im Notfall haben wir die Möglichkeit, die komplette Crew in drei Stunden wieder auf die Erde zu holen.
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Notsituationen waren bislang auf der ISS zum Glück selten. Wie sieht denn der Alltag eines Astronauten auf der Raumstation aus?
Ein Arbeitstag auf der Raumstation ist mit einem ganz normalen Arbeitstag hier auf der Erde vergleichbar. Morgens klingelt der Wecker und der Astronaut schwebt in seinem Schlafsack in seiner kleinen Kabine. Dann fliegt man ins Bad, um sich mit Feuchtetüchern zu waschen und sich die Zähne zu putzen. Um 8 Uhr beginnt dann der Arbeitstag und dass Kontrollzentrum in Houston fragt, ob sie an Bord kommen dürfen. Dann werden die Videokameras eingeschaltet – es ist ein wenig wie Big Brother.
Wie läuft ein Arbeitstag ab?
Zunächst gibt es ein kurzes Briefing und die einzelnen Kontrollzentren in München oder Moskau können kurz mit den Astronauten sprechen. Die Astronauten haben einen genauen Tagesplan. Da steht dann genau drin, wann sie Versuche aufbauen, Technik austauschen, individuelle Sporteinheiten oder die Raumstation putzen müssen. Die Planung geht bis 18 oder 19 Uhr. Danach haben sie Freizeit und die dürfen Astronauten selber gestalten. Viele machen Fotos von der Erde, rufen Freunde oder Familie an oder schauen Videos. Alex macht in dieser Zeit seine Tweets und Bilder. So läuft es dann von Montag bis Freitag. Auch die Astronauten auf der ISS haben am Wochenende frei – nur am Sonntag ist Putztag.
Sie haben die Tweets von Alexander Gerst angesprochen. Haben die sozialen Netzwerke den Astronautenberuf verändert?
Soziale Medien haben die Raumfahrt unheimlich bereichert, denn sie ermöglichen es vielen Menschen, an den Ereignissen im All teilhaben zu können. Die Bilder, die jetzt bei Twitter gepostet werden, gab es allerdings früher auch schon. Nur die früheren Astronauten hatten nicht die Möglichkeit, diese Bilder auf der Welt zu streuen. Es ist unheimlich toll, dass dies jetzt möglich ist und dass Menschen von der Raumfahrt fasziniert werden können.
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Eine größere Faszination kann auch positiven Einfluss auf die Finanzierung haben. Die Raumfahrt ist ein Bereich, in den man sehr viel investieren kann. Tut Deutschland hier genug?
Wenn mehr investiert wird, hat man natürlich immer die Möglichkeit, dass etwas besser wird. Aber nur mit Geld ist das kein Automatismus. Deutschland ist der Hauptgeldgeber innerhalb der Esa. Da gibt es also noch ein ganz großes Interesse, die bemannte Raumfahrt zu fördern und auch Angela Merkel steht dahinter. Alex war zuletzt bei ihr und die Kanzlerin hat ihm noch eine sehr schöne Nachricht geschickt. Also gibt es das Interesse in Deutschland und es wird auch noch gut investiert.
Elon Musk möchte Menschen in naher Zukunft auf den Mars bringen. Würden Sie mitfliegen?
Wenn ich wieder zurück auf die Erde kommen kann.
Trauen Sie Musk eine solche Mission zu?
Ich traue ihm noch viel mehr zu, denn er ist ein Mensch, der nicht nur von A nach B denkt, sondern er geht direkt von A nach G. Elon Musk denkt in größeren Sphären und wir brauchen Menschen wie ihn, die sehr fiktiv arbeiten, um Dinge, die anfangs utopisch erscheinen, umzusetzen. Seine Raketen sind die leistungsstärksten der Welt und er zeigt damit, dass mit ein wenig Denkleistung sehr viel möglich ist. Ich finde seine Projekte und ihn als Person hoch spannend.
Abschließend zurück zu Ihrem Traum: Wie stehen Ihre Chancen, bald ins All fliegen zu können?
Das kann ich schwer sagen, aber solange ich mir die Chance gebe, sind auch meine Chancen ganz gut.
Was würden Sie an persönlichen Gegenständen mitnehmen, wenn Sie fliegen?
Ich würde meine engsten Freunde oder meine Familie bitten, mir Gegenstände mitzugeben. Ich würde definitiv Bilder mitnehmen – beispielsweise von meinen Eltern.
Herzlichen Dank für das Gespräch.