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Vatikan-Experte Englisch: Wie Fernández das Papst-Konklave prägt


Vatikan-Experte über Papstwahl
"Das kapieren die meisten Menschen nicht"

  • Philipp Heinemann
InterviewVon Philipp Heinemann

23.04.2025 - 19:41 UhrLesedauer: 5 Min.
Vatikanstadt: Kardinäle nehmen an der Prozession mit dem Leichnam von Papst Franziskus im Petersdom teil.Vergrößern des Bildes
Vatikanstadt: Kardinäle nehmen an der Prozession mit dem Leichnam von Papst Franziskus im Petersdom teil. (Quelle: Alessandra Tarantino/AP/dpa)
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Hinter den Mauern des Vatikans beginnt nach der Trauer um Papst Franziskus das Ringen um seine Nachfolge. Die Kardinäle bereiten sich auf die entscheidende Papstwahl vor. t-online sprach in Rom mit dem Vatikan-Experten Andreas Englisch.

Seit dem Tod von Papst Franziskus brodelt die Gerüchteküche auf den Straßen Roms. Wer wird der nächste Papst? Welche Chancen hat dieser oder jener? Welche Kämpfe werden im Vatikan ausgetragen? Wie läuft die Papstwahl wirklich ab? Andreas Englisch ist einer der profiliertesten Vatikanexperten weltweit. Der Journalist und Autor lebt seit knapp 40 Jahren in Rom. t-online traf ihn nur wenige Hundert Meter vom Petersdom entfernt zum Interview und zum Nachmittagsespresso.

t-online: Herr Englisch, was passiert gerade hinter den Mauern des Vatikans? Nach der Trauerfeier und der Beerdigung von Franziskus beginnen die Vorbereitungen auf die Papstwahl. Welche Namen werden nun gehandelt – und welche Lager formieren sich?

Andreas Englisch: Es kristallisieren sich gerade zwei Gruppen heraus. Auf der einen Seite die Europäer, die aber geschwächt sind. Und die zweite Gruppe, in der die Meinung vorherrscht: Die europäische Kirche hat abgedankt, eure Kirchen sind leer. Wir wollen einen Papst aus einem Land, in dem die Kirche wächst.

Zum Beispiel aus Afrika.

Die afrikanischen Kardinäle haben, glaube ich, keine wirkliche Chance. Die sind zu homophob. Die US-Kardinäle sind untereinander zu zerstritten. Aber aus Asien oder Lateinamerika könnte jemand kommen. Übrigens: Die wirklich erzkonservativen Kardinäle werden keine Chance haben, dafür hat Franziskus gesorgt.

(Quelle: Riccardo Musacchio)

Zur Person

Andreas Englisch ist einer der bekanntesten Vatikan-Korrespondenten Deutschlands. Seit den frühen 1990er-Jahren berichtet der Journalist aus Rom über den Vatikan und das Leben der Päpste. Bekannt wurde er durch seine engen Kontakte zur Kurie und seine lebendigen Einblicke hinter die Kulissen der katholischen Kirche. Englisch ist Autor mehrerer Bestseller, darunter "Alle Wege führen nach Rom" und "Das Vermächtnis von Papst Franziskus".

Aus Asien gilt Luis Antoni Tagle als Favorit.

Tagle wurde von Franziskus aufgebaut, der hatte große Perspektiven. Aber dann hat er wohl Mist gebaut. Er musste die Leitung der Caritas abgeben, aus meiner Sicht ist er zu beschädigt.

Und unter den Europäern?

Die werden es schwer haben, weil die Kirche eben eine Weltkirche ist. Aus Italien gibt es Parolin, Pizzaballa und Zuppi. Letzterer galt lange als "papabile". Ich hätte bis vor ein paar Monaten auch auf ihn getippt. Aber das hat sich vermutlich erledigt.

Weshalb?

Er wurde von Franziskus mit vielen schwierigen Sonderaufgaben betraut. Aber bei der italienischen Bischofssynode hat es Zuppi nicht geschafft, das Abschlussdokument durchzubringen, weil die Basis rebelliert hat. Und nun werden die Jungs aus den Schwellenländern sagen: Wie soll jemand, der nicht mal seinen eigenen Laden im Griff hat, das in einer viel komplizierteren Weltkirche schaffen?

Oft fällt der Name Pietro Parolin, immerhin Kurienkardinal und einer der mächtigsten Männer im Vatikan.

Parolin ist, ehrlich gesagt, zu langweilig. Er ist ein erfahrener Diplomat, Linke können mit ihm leben, Rechte auch. Aber er ist uncharismatisch, ein Verwalter ohne eigene Ideen. Und ein Papst muss auch ein Menschenfänger sein. Übrigens ist Parolin ein Gegner der deutschen katholischen Kirche.

Dann bleibt von den Italienern nur noch Pierbattista Pizzaballa, der in Bergamo geboren wurde, aber Patriarch von Jerusalem ist?

Und genau deswegen hat er auch eine Chance. Er ist nicht in Europa, kommt aus dem heiligen Land. Das wäre auch politisch eine sehr kluge Entscheidung, dann hätten die Israelis und die Palästinenser es mit einer echten Weltmacht zu tun.

Und von den anderen Europäern?

Peter Erdö aus Ungarn wird gehandelt, aber das glaube ich nicht. Zu konservativ, zu sehr erklärter Gegner von Franziskus. Ich sehe als europäischen Favoriten noch am meisten Jean-Marc Aveline aus Marseille. Franziskus ist noch zu ihm hingefahren, um ihn zu unterstützen. Das war ganz wichtig. Macron war damals stinksauer. Man stelle sich vor, der Papst kommt nach Frankreich, reist aber nicht nach Paris, sondern nach Marseille. Und das, um eben Aveline zu stärken. Das war ein ganz starkes Signal.

Wie muss man sich das Vorkonklave vorstellen? Treten die Bewerber offensiv nach vorn und erklären: Ich will Papst werden?

Die Kardinäle treffen sich in einem Raum unter der Audienzhalle. Und jeder von ihnen kann eine Rede halten. Und die, die Papst werden wollen, halten auf jeden Fall eine Rede und machen ihre Ambitionen sehr deutlich. Erklären, was für eine Kirche sie wollen und welche sie nicht wollen. Dann gibt es welche, die sich gerne von Kollegen nach vorn schieben lassen würden. Und dann gibt's die, die deutlich sagen: Ich will nicht. Und dann wird untereinander geredet.

Ein bisschen wie im Kinofilm "Konklave"?

Im Film fehlte etwas ganz Entscheidendes, und zwar eine bestimmte Figur. Dieses Mal ist es Kurienkardinal Fernández aus Argentinien, ein ganz enger Freund von Franziskus. Päpste sorgen oft dafür, dass es im Konklave nach ihrem Tod eine solche Figur gibt. Das Problem ist oft, dass bis zum Tod eines Papstes alle Kardinäle den jeweiligen Papst nach innen und außen über den grünen Klee loben. Nach dem Tod äußern etwa 50 Prozent von ihnen, zumindest intern, deutliche Kritik am verstorbenen Papst. Die Rolle von Fernández wird sein, diesen Kardinälen vor versammelter Mannschaft ins Gesicht zu sagen: Du sagst jetzt, der Papst hat versagt? Du hast vom Papst dieses und jenes bekommen. Du hast früher dieses und jenes über ihn gesagt. Und jetzt wagst du zu sagen, der Papst hat Mist gebaut? Das ist die Rolle von Fernández. Diese Figur ist ganz entscheidend. Er wird nicht Papst werden, aber er wird Stimmen bewegen, damit der Weg von Franziskus weitergegangen wird.

Müssen wir von einem langen Konklave ausgehen, das länger dauert als die fünf Wahlgänge bei Franziskus?

Vermutlich. Und ein Punkt ist überhaupt nicht vorhersehbar: der spirituelle. Die Kardinäle werden sich wirklich die Frage stellen: Wen von uns will Gott? Das kapieren die meisten Menschen nicht, mit denen man über das Konklave spricht. Natürlich gibt es Machtkämpfe und Politik, aber der spirituelle Faktor ist ganz, ganz wichtig. Ist das wirklich ein Heiliger Vater, den wir da wählen? Diese Fragen stellen sich die Kardinäle tatsächlich.

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Je länger das Konklave dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Überraschungspapstes?

Ein Überraschungskandidat könnte gewählt werden, wenn die Kandidaten der beiden Lager sich lange nicht durchsetzen können, dann gibt es einen Kompromiss-Papst. Das war zum Beispiel bei Johannes Paul II. der Fall. Er wurde erst im achten Wahlgang gewählt. Das könnte wieder passieren.

Dann fehlt nur noch eines, der Name des künftiges Papstes?

Es könnte einen Franziskus II. geben, wenn ein starker Anhänger des verstorbenen Papstes gewählt wird wie Matteo Zuppi, an den ich aber, wie gesagt, nicht glaube. Wenn Pizzaballa gewählt wird, dann wird es vermutlich ein biblischer Name. Josef vielleicht.

Herr Englisch, danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Andreas Englisch in Rom
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