Kampf um Macht und Milliarden Das mysteriöse Verschwinden eines der reichsten Deutschen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vor fünf Jahren verschwand Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub spurlos. Danach entbrannte ein Streit um Macht und Geld in der Milliardärs-Familie.
Er war einer der reichsten Deutschen, doch 2018 kehrte er nicht von einem Ausflug in den Schweizer Bergen zurück: Bis heute gibt das Verschwinden von Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub Rätsel auf und ist Grund für reichlich Spekulationen. Was ist über den Fall bekannt?
Wer war Karl-Erivan Haub?
Karl-Erivan Haub, von Freunden "Charly" genannt, war der Kopf der Unternehmerdynastie Tengelmann. Der Wert des Familienimperiums wurde 2017 – kurz vor Haubs Verschwinden – auf 4,2 Milliarden Euro geschätzt.
Schon Haubs Vater hatte das Unternehmen zu einem der größten Lebensmittelfilialisten in Deutschland entwickelt. Karl-Erivan Haub stellte es ab Ende der 1990er-Jahre zukunftsfähig auf: Er beteiligte sich am Textil-Discounter Kik, baute die Mehrheiten an der Baumarktkette Obi aus und investierte zunehmend in Unternehmen des Online-Handels wie Zalando oder Delivery Hero.
Haub hatte nach der Schule eine Lehre zum Einzelhändler absolviert, erst danach hatte er Wirtschaftswissenschaften studiert und anschließend zeitweise bei der Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet. Haub betonte, dass er nicht im Luxus groß geworden sei. "Hartes Arbeiten und nichts verprassen", das hätten die Eltern ihm und seinen Brüdern stets gelehrt.
Karl-Erivan Haub galt als passionierter Sportler, durchtrainiert und fit. Laufen, Bergsteigen und Skitouren zählten zu seinen Hobbys. Mit 30 Jahren bestieg er das Matterhorn, immer wieder nahm er an anspruchsvollen Skirennen und Marathons teil.
Er hatte zwei Brüder – Christian und Georg – und lebte mit seiner Ehefrau Katrin und seinen zwei Kindern, den Zwillingen Viktoria und Erivan, in Köln.
Wie verschwand Karl-Erivan Haub?
Der leidenschaftliche Skifahrer Haub brach Anfang April 2018 allein zu einer Skitour am Klein Matterhorn in der Schweiz auf – und kehrte nie zurück. Er wollte eigentlich für das traditionelle Skitourenrennen "Patrouille des Glaciers" trainieren, das das Militär veranstaltet.
Rätselhaft ist bis heute, wo und unter welchen Umständen Haub genau verschwand. Auf einer Bergstation auf mehr als 3.500 Metern Höhe verliert sich seine Spur, von dort sendete sein Handy gegen 8.30 Uhr das letzte Signal. Von der Bergstation gibt es Abfahrten Richtung Zermatt und Italien – welche Richtung Haub einschlug, ist bis heute unklar.
Am Nachmittag wäre Haub mit seiner Familie im Hotel in Zermatt verabredet gewesen, tauchte aber nie auf. Am nächsten Morgen schlug die Familie Alarm. Für die anschließende Suchaktion stellte sie unbegrenzte finanzielle Mittel. Was Geld allerdings nicht regeln konnte: Das Terrain in dieser Region ist extrem schwierig, mit Gletscherspalten, die zum Teil Hunderte Meter tief sind. Das erschwerte die Suche.
Dutzende Rettungskräfte suchten mit Hubschraubern und seilten sich mit Taschenlampen und Lawinensuchgerät in Gletscherspalten ab. Doch sie wurden nicht fündig. Nach vier Tagen sah der leitende Rettungsarzt bereits nur noch geringe Chancen, denn Haub war nur leicht bekleidet gewesen.
Die Familie bestand zunächst darauf, unter hohem Risiko weiterzusuchen, um Karl-Erivan Haub zu finden. Sechs Tage nach seinem Verschwinden aber gab auch sie die Hoffnung auf. Es werde "mit dem heutigen Tage die Überlebendensuche auf eine Bergungssuche umgestellt", teilte sie mit.
Warum zerstritt sich die Familie nach seinem Tod?
Zunächst schien die Familie nach Karl-Erivans Tod in Trauer vereint. Dann aber begann ein Kampf um Macht und Geld im milliardenschweren Konzern.
Nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub hatte dessen jüngerer Bruder Christian die alleinige Geschäftsführung übernommen. Bis dahin gehörte der Familienkonzern jeweils zu gut einem Drittel Karl-Erivan Haub und Christian Haub. Die restlichen Anteile besaß der dritte Bruder Georg Haub.
Mehr als zwei Jahre nach seinem Verschwinden, im Oktober 2020, beantragten Christian und sein Bruder Georg, den verschollenen Karl-Erivan für tot erklären zu lassen. Zur selben Zeit kritisierte Christian Haub seinen verschollenen Bruder öffentlich: Der habe verantwortungslos gehandelt, als er auf eine gefährliche Bergtour gegangen war, ohne für den Ernstfall vorzusorgen. Georg Haub zog seinen Antrag auf Todeserklärung ein paar Monate darauf zurück.
Karl-Erivans Witwe Katrin Haub hingegen kritisierte die Brüder und ihren Vorstoß scharf: "Es ist sehr befremdlich, dass sich jemand Drittes anmaßt, solche Entscheidungen für unsere Familie treffen zu wollen."
Im Frühjahr 2021 einigten sich die beiden Familienstämme nach langen und harten Verhandlungen. Katrin Haub schloss sich mit ihren Kindern dem Antrag der Brüder an. Die drei verkauften ihre Anteile an der Tengelmann Warenhandels-AG an Christian Haub. Im Mai erklärte das Kölner Amtsgericht Karl-Erivan Haub für tot – gut drei Jahre nach seinem Verschwinden in den Schweizer Alpen.
Lebt Karl-Erivan Haub noch?
Vier Jahre nach seinem Verschwinden warfen Recherchen von Journalisten des Senders RTL die Frage auf, ob Karl-Erivan Haub noch lebe. Die spektakuläre Vermutung: Der Milliardär habe sein Verschwinden nur vorgetäuscht, sei tatsächlich in Russland abgetaucht, wo er enge Geschäftsbeziehungen und eine vermeintliche russische Geliebte namens Veronika E. habe. Auch mögliche Kontakte zum russischen Geheimdienst wurden thematisiert.
Christian Haub und die Familie protestierten scharf gegen diese Darstellung und bezeichneten die Vorgehensweise der Journalisten als "skrupellos". Auch das Kölner Amtsgericht wies die Recherchen zurück, es hielt sie nicht für belegbar. Solche Vermutungen fußten auf "Vermutungen und nicht prüfbaren Unterlagen", stellte es fest. Die Reporter hatten sich offiziell mit ihren Ergebnissen ans Gericht gewandt. Der Sender blieb bei seiner Darstellung – und legt heute in einer weiteren Dokumentation neue Indizien vor.
- Mit Material von dpa
- ntv.de: "Verschweigt Christian Haub etwas?"
- businessinsider.de: "Familienstreit eskaliert"