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Bericht aus dem US-Gefängnis: Der Tod von Jeffrey Epstein ist kein Einzelfall


Mitarbeiterin berichtet über US-Gefängnisse
Der Tod von Jeffrey Epstein ist kein Einzelfall

dpa, Christiane Jacke

15.08.2019Lesedauer: 4 Min.
Paula Chavez steht vor dem Gefängnis in TexasVergrößern des Bildes
Paula Chavez steht vor dem Gefängnis in Texas: Hier arbeitet sie seit zwölf Jahren als Lehrerin. (Quelle: Paula Chavez/dpa)

Der Fall Epstein wirft viele Fragen auf über Gefängnisse in Amerika. Nirgendwo auf der Welt sitzen so viele Menschen hinter Gittern wie in den USA. Eine Gefängnismitarbeiterin gibt Einblicke in ihren Alltag.

Der Tod von Jeffrey Epstein in einem New Yorker Bundesgefängnis wirft ein Schlaglicht auf die Zustände in amerikanischen Haftanstalten. Der reiche Unternehmer, der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde, soll sich in seiner Zelle umgebracht haben. Was genau passierte, wird noch untersucht.

Nach und nach kommen Details ans Licht, was alles schief lief in der New Yorker Haftanstalt: Unter anderem sollen die Wächter entgegen der Vorschriften stundenlang nicht nach Epstein geschaut haben. Der aufsehenerregende Fall zeigt jedoch nur einen kleinen Ausschnitt aus einem Gefängnissystem in den USA, das an vielen Stellen krankt.

Paula Chavez hat jeden Tag damit zu tun. Sie arbeitet seit zwölf Jahren in einem Bundesgefängnis in Texas. Mehr als 1.300 männliche Häftlinge sind dort untergebracht. Chavez war früher Lehrerin an einer Schule. Nun unterrichtet die 48-Jährige Häftlinge – in diversen Fächern, aber auch darin, sich nach der Haft wieder in einem normalen Leben einzufinden. Zumindest sei das eigentlich ihr Job, sagt sie.

Chavez klagt, über die Jahre sei die Zahl der Mitarbeiter in ihrem Gefängnis drastisch geschrumpft – mit schwerwiegenden Folgen. Unter den Insassen gebe es viel Gewalt. "Wir sind nicht in der Lage, Häftlinge vor Angriffen zu schützen", sagt sie. "Wir können auch die Mitarbeiter nicht schützen."

Attacken auf Gefängnismitarbeiter steigen

Die Zahl der Attacken auf Mitarbeiter habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Chavez' Sohn arbeitet auch in dem Gefängnis. Im vergangenen Jahr wurde er attackiert, als er versuchte, einem Häftling ein Handy abzunehmen. Mehrere Insassen schlugen ihn zusammen, verletzten ihn schwer. Anderen Kollegen sei ähnliches passiert.

Clifton Buchanan ist Arbeitnehmervertreter für Mitarbeiter von Bundesgefängnissen in Texas und Bundesstaaten nebenan. Er klagt, Personalmangel sei an vielen Orten ein Problem. Viele Mitarbeiter seien überarbeitet, litten unter Burn-Outs. Der Druck sei enorm.

Personalmangel als großes Problem

Der Frust bei Chavez und ihren Kollegen ist groß. "Wir schaffen es gerade mal, dafür zu sorgen, dass sie nicht abhauen. Aber wir haben keine echte Kontrolle über sie", sagt sie mit Blick auf die Häftlinge. "Wir versagen." Es sei nicht möglich, den Schmuggel von Drogen und Handys zu stoppen oder die Verbreitung von Kinderpornografie. Eigentlich sind Handys für Häftlinge verboten. "Aber wir haben inzwischen mehr Häftlinge mit Handys als ohne", sagt sie. "Das ist Wahnsinn." Es gebe nicht genug Personal, um die Zellen danach zu durchsuchen und den Insassen die Telefone abzuknöpfen.

Zwei Mal in den vergangenen Wochen hätten Drohnen Pakete mit Handys, Sim-Karten und Tabak auf dem Gefängnisgelände abgeworfen, erzählt Chavez. In diesen Fällen sei die Lieferung entdeckt worden. Wie viele Pakete es vorher – mit Hilfe von Mitarbeitern – unentdeckt ins Innere geschafft hätten, wisse niemand.

Auch Drogen kämen in rauen Mengen in die Anstalt, klagt sie. Mehrfach pro Woche müssten Häftlinge wegen übermäßigen Drogenkonsums auf die Krankenstation gebracht werden. Insassen machten sich im Gefängnis selbst mit Drogen kaputt, obwohl dies eigentlich der Ort sei, an dem sie davon loskommen sollten. "Das macht keinen Sinn." Außerdem steigerten die Drogen die Aggressivität unter den Insassen.

"Wir haben nicht mal genug Personal, um für die Sicherheit der Insassen zu sorgen", sagt Chavez. Genug Personal für Resozialisierungsprogramme gebe es da erst recht nicht. Bei ihrer Entlassung hätten Häftlinge größeren Frust und mehr Probleme als bei ihrer Ankunft. Echte Wiedereingliederung finde nicht statt.

Chavez sagt, jahrelang hätten die Behörden nichts unternommen. Nur langsam ändere sich etwas. Die zuständige Behörde für die Bundesgefängnisse lässt Nachfragen zu diesen Klagen unbeantwortet. Wegen Epsteins Tod ist die Behörde nun auch mit allerlei Fragen von anderer Stelle konfrontiert: aus dem Justizministerium und aus dem Kongress. Sie wollen Details zum Fall Epstein, aber auch zu den allgemeinen Zuständen in jenem New Yorker Gefängnis, in dem der Multi-Millionär starb. Sein Fall wirft grundsätzlich Fragen auf zu Missständen in Haftanstalten Amerikas.

USA kämpft mit überfüllten Gefängnissen

Nirgendwo auf der Welt sitzen so viele Menschen im Gefängnis wie in den USA. Mehr als 2,1 Millionen Menschen sind in den Vereinigten Staaten inhaftiert. Dem regelmäßigen internationalen Ranking der Universität London nach ist das weltweit Rekord – sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zur Einwohnerzahl des Landes.

Schon vergleichsweise kleine Straftaten, etwa Drogendelikte, können in den USA zu langer Haft führen. Das Land hat deshalb seit langem mit überfüllten Gefängnissen zu kämpfen. Ende des vergangenen Jahres wurde eine Reform verabschiedet, um mehr Häftlingen in Bundesgefängnissen zur vorzeitigen Entlassung zu verhelfen und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu verbessern.

Dies trifft aber eben allein Bundeshäftlinge – und das sind nur rund 180.000 der 2,1 Millionen Inhaftierten. Der Effekt der Reform ist daher begrenzt. Das US-Justizministerium verkündete Mitte Juli die vorzeitige Entlassung von mehr als 3.100 Bundeshäftlingen durch die Reform. Es ist ein Anfang, mehr nicht.

Seit langem gibt es Klagen über die Zustände in US-Gefängnissen. Für einen Aufschrei sorgte vor einigen Monaten, was aus Alabama ans Licht kam. Das US-Justizministerium legte einen Untersuchungsbericht vor, der schauerliche Zustände in den Haftanstalten des Bundesstaates offenbarte: exzessive Gewalt, Vergewaltigungen und massenhafte sexuelle Übergriffe unter Häftlingen, Suizid, Folter unter Insassen – vielfach ohne ein Eingreifen von Vollzugsbeamten. Das Ministerium sprach in seinem Bericht von einem "kaputten System" in dem Staat. Aber auch anderswo liegt vieles im Argen.


Dass Menschen in Haft auf unnatürliche Weise ums Leben kommen, ist in Amerika keine Seltenheit. Zwischen 2001 und 2014 wurden nach offiziellen Angaben fast 1.000 Insassen in Gefängnissen des Bundes und der US-Staaten getötet, mehr als 3.000 nahmen sich dort in diesem Zeitraum selbst das Leben. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Der Fall Epstein erregt die Gemüter. Ein Einzelfall ist er nicht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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