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Diebstahl in deutschen Kliniken: Diebe nehmen wehrlose Patienten ins Visier


Schmuck, Bekleidung und auch Hunde
Diebe beklauen wehrlose Patienten in Krankenhäusern

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 07.02.2019Lesedauer: 4 Min.
Mannheim: Der Schriftzug "ACHTUNG! Für Geld und Wertgegenstände, die nicht an der Kasse hinterlegt sind, übernehmen wir keine Haftung." ist auf der Glasscheibe eines Stationszimmers des Klinikums angebracht. In deutschen Krankenhäusern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist.Vergrößern des Bildes
Mannheim: Der Schriftzug "ACHTUNG! Für Geld und Wertgegenstände, die nicht an der Kasse hinterlegt sind, übernehmen wir keine Haftung." ist auf der Glasscheibe eines Stationszimmers des Klinikums angebracht. In deutschen Krankenhäusern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. (Quelle: dpa)

Es ist eine Schreckensvorstellung: Man liegt als Patient in der Klinik und wird dort auch noch bestohlen. Doch viele Kranke machen diese leidvolle Erfahrung. Können die Kliniken Abhilfe schaffen?

Ob Geldbörsen, Handys, Endoskopiegeräte oder Topfpflanzen – in deutschen Krankenhäusern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Langfinger nutzen die Anonymität in den oft ausgedehnten Gebäudekomplexen aus – und die Wehrlosigkeit von Patienten. Der jährliche Schaden geht in die Millionen. Die Krankenhäuser haben begrenzte Möglichkeiten, dem Unwesen Einhalt zu gebieten: Sie müssen den Spagat üben zwischen Offenheit für die Besucher der Kranken und deren Sicherheit. Der Patientenverband mahnt allerdings schärfere Eingangskontrollen an.

Zwar gibt es keine bundesweite Statistik, doch welches Ausmaß die Straftaten erreichen, zeigen Ländererhebungen. Die neuesten Zahlen sind dabei aus dem Jahr 2017. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden damals zum Beispiel laut Landeskriminalamt (LKA) fast 6.500 Diebstahlsfälle mit einem Schaden von 3,5 Millionen Euro in Krankenhäusern registriert. Ein Negativ-Rekord war im Jahr davor mit einem Schaden von 8,2 Millionen Euro erreicht worden, bei nur leicht höherer Fallzahl. Zum Vergleich: 2011 wurde infolge von 4.715 Diebstählen ein Schaden von nahezu zwei Millionen Euro angerichtet.

Schmuck, Bekleidung, Hunde

Auch in hessischen Krankenhäusern kommt einiges abhanden: 2017 etwa neben Schmuck, Bekleidung und einem Regenschirm auch Tiefkühlkost, ein Bolzenschussapparat oder ein Brettspiel. Gesamtschaden: knapp 1,8 Millionen Euro. Die Aufklärungsquote bei den 1.836 Fällen lag gerade mal bei 16 Prozent. Auch ein Hund gehörte einmal zum registrierten Diebesgut.

In Baden-Württemberg hat die Schadenssumme 2017 einen Höchststand von nahezu 2,75 Millionen Euro erreicht. Im Jahr 2013 waren es noch 1,8 Millionen Euro, aber die Zahl der Fälle, in die auch Arztpraxen einbezogen sind, lag damals bei 3.200 und damit über dem aktuellsten Wert von knapp unter 3.000. Der Trend rückläufiger Fallzahlen bei höherer Schadenssumme lässt sich in mehreren Bundesländern beobachten, so etwa in Thüringen mit 384 Diebstählen und einem Schadensvolumen rund 400.000 Euro im Jahr 2017, nach 496 Fällen und einem Schaden von 118.000 Euro im Jahr zuvor.

In Sachsen-Anhalt wurden am häufigsten Wertsachen aus Patientenzimmern entwendet. 231 Fälle waren es laut LKA 2017. Medizinische Geräte sind im vorvergangenem Jahr 18 Mal, Betäubungsmittel 11 Mal gestohlen worden.

Medizinische Geräte geklaut

In Rheinland-Pfalz sorgte eine Häufung von Diebstählen hochwertiger endoskopischer Geräte zwischen Juli 2015 und November 2017 für Aufregung. Dort ging der Schaden wahrscheinlich in die Millionen. Ein Diebstahl von medizinischen Geräten im Wert von 500.000 Euro ließ 2017 auch in Brandenburg die Schadenssumme hochschnellen.

Auf das Unwesen von Gangs, die es auf medizinisches Equipment abgesehen hatten, reagierte die Uniklinik Tübingen mit der Anstellung eines Sicherheitsdienstes, wie die Kaufmännische Direktorin Gabriele Sonntag schildert. Tübingen sei verschont geblieben und die Diebe inzwischen gefasst. "Aber es gibt immer wieder Sachen, die wegkommen." Das betreffe auch Wertgegenstände der Mitarbeiter. Unter anderem seien Kupferkabel gestohlen worden, als neue Leitungen verlegt wurden. Auch die Berliner Charité setzt auf einen Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr hauptsächlich mit Präventionsmaßnahmen befasst ist.

Die Krankenhäuser tun sich im Allgemeinen schwer, gegenzusteuern. "Krankenhäuser sind große Komplexe mit unkontrolliertem Zugang", sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen aus Düsseldorf. Für Diebe sei es einfach, auf die Stationen zu kommen und Schubläden und Schränke in leeren Zimmern zu durchwühlen. Deshalb sollten Patienten zumindest vorhandene Schließfächer nutzen.

Auch Pfleger seien inzwischen für die Problematik sensibilisiert, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW. Es sei aber schwierig, den Überblick zu behalten. "Wir haben in NRW rund 4,6 Millionen Patienten jährlich in Krankenhäusern. Wenn jeder von ihnen auch von zwei oder drei Menschen Besuch bekommt, dann sind drei Viertel aller Bewohner NRWs einmal pro Jahr im Krankenhaus."

"Keine Wertgegenstände ins Krankenhaus mitbringen"

Die Uniklinik Mannheim tut nach Angaben von Sprecher Philip Egermann ihr Möglichstes, um Diebstähle zu verhindern. "Wir weisen auf allen Kanälen darauf hin, möglichst keine Wertgegenstände ins Krankenhaus mitzunehmen – was nicht dabei ist, kann nicht gestohlen werden." Die Appelle an die Patienten finden sich auf den Stationen, in Patientenzimmern, in der Hausordnung und im Internetauftritt. Wer partout nicht auf Schmuck oder teure elektronische Geräte verzichten wolle, könne diese im Panzerschrank hinterlegen. Das Haus übernehme nur dafür die Haftung. Ganz ließen sich Diebstähle nicht verhindern, betont Egermann. "Wir möchten offen bleiben, damit Angehörige und Freunde die Patienten besuchen können." Das sei deren Gesundheit förderlich.


Der Allgemeine Patientenverband wünscht sich hingegen schärfere Kontrollen in den Eingangsbereichen von Kliniken. Dort müssten sich Besucher anmelden und sagen, wen sie auf welcher Station besuchen wollten und sich gegebenenfalls ausweisen. "Nicht jeder sollte direkt in eine Klinik hineinspazieren können", meint Verbandspräsident Christian Zimmermann. Mit elektronischer Datenverarbeitung lasse sich leicht abschätzen, ob der Besucher lautere Absichten habe.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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