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Petra Kelly und Gert Bastian: Wie starb das grüne Spitzenpaar?


Petra Kelly und Gert Bastian
Wie starb das grüne Spitzenpaar?

Aktualisiert am 27.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Petra Kelly und Gert Bastian: 1992 starben die beiden Grünen-Politiker unter ungekärten Umständen.Vergrößern des Bildes
Petra Kelly und Gert Bastian: 1992 starben die beiden Grünen-Politiker unter ungekärten Umständen. (Quelle: Hans-Günther Oed/imago-images-bilder)
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Sie waren das Gesicht der Grünen, 1992 wurden Petra Kelly und Gert Bastian erschossen aufgefunden: "Erweiterter Suizid". Spielte eine DDR-Verbindung eine Rolle?

Rüschen vor den Fenstern. Rosen im Vorgarten. Am Briefkasten kleben kleine Zettel: "Keine Werbung einwerfen". Oder "Vertreter verboten". Über allem wacht eine Alarmanlage. Das kleine Reihenhaus im Bonner Norden in der Swinemünder Straße 6 vermittelte 1992 den Eindruck einer sehr bürgerlichen Idylle.

Doch jede Idylle kann zum Tatort werden. Deutschland und die Welt erfahren davon, als in der Nacht zum 20. Oktober des Jahres zehn Streifenwagen das Sträßchen abriegeln und zwei Särge in die Gerichtsmedizin gebracht werden. Die Nachbarin hat Petra Kelly und Gert Bastian tot aufgefunden. Kelly und Bastian sind das grüne Politikerpaar der Achtzigerjahre: Die Friedensbewegung dieser Zeit wird immer wieder mit ihren Gesichter identifiziert.

Kein Anlass für weitere Ermittlungen

Petra Kelly liegt in ihrem Bett und trägt einen Hausanzug, als Rosemarie L. auf sie stößt. Die Leiche Gert Bastians, bekleidet mit Hemd und Hose, findet die Nachbarin im Flur. Das gekippte Regal neben ihm hat er wohl im Hinfallen mitgerissen. Die Toten sind halb verwest. Die Todeszeit liegt drei Wochen zurück. Beide sind am 1. Oktober, nach der Rückkehr von einem Strahlenopfer-Kongress in Berlin, durch "fachmännische", aufgesetzte Kopfschüsse ins Stammhirn gestorben, ergibt die Untersuchung. Oberstaatsanwalt Peter Iwand wird später sagen, seine Behörde sehe keinen Anlass, weitergehend zu ermitteln. Gegen tote Täter geht das auch nicht.

Eine Tattheorie haben die Fahnder trotzdem: Der Ex-General Bastian, der die 12. Panzerdivision der Bundeswehr führte, die Uniform auszog und beim pazifistischen "Krefelder Appell" mitarbeitete, hat mit einer zweiläufigen Deringer Kaliber 36 aus seiner Waffensammlung ("Ich war sehr, sehr gerne Soldat") erst Petra Kelly erschossen und dann sich selbst. Kriminologen nennen das "erweiterten Suizid".

Ikonen der Friedensbewegung

Stunden nach dem Fund legt ein junger Mann drei weiße Chrysanthemen vor die braune Haustür im Bonner Norden. Er verdrückt ein paar Tränen und geht. Der Tod des Paares rührt viele Menschen. Sie erinnern sich an dessen gemeinsamen Kampf gegen die Nachrüstung sowjetischer und amerikanischer Raketen.

An die Massendemonstrationen wie im Bonner Hofgarten, als 300.000 kamen. An das Engagement gegen Unterdrückung wie zuletzt in Tibet. An die Auftritte der beiden im Bundestag der Kohl-Jahre schließlich, dessen Altherrenklima sie kräftig aufmischten.

Am frühen Morgen des 1. Oktober ist auch eine ungewöhnliche Liebe tragisch zu Ende gegangen. Sie hatte 1980 auf einem der vielen Friedenstreffen begonnen. Es ist die Lovestory zwischen der nur 44 Jahre alt gewordenen, hübschen und wortstarken Kelly und dem lebenserfahrenen, kantigen Kommandeur. Sie trennte ein Altersunterschied von 24 Jahren. Aber sie lebten ihre Innigkeit auf offener Bühne aus wie auch in scheinbar unbeobachteten Momenten. "Mein Gertilein", schrieb sie kurz vor dem Drama ins Poesiebuch – und zeichnete mit: "Deine kleine Petra".

Keine Hinweise auf Fremdbeteiligung

Warum dann diese Tat? Geschah sie aus Verzweiflung, weil der gesundheitlich angeschlagene Bastian nicht mehr dem irren Arbeitstempo der Gefährtin folgen konnte? Saß Enttäuschung über die grüne Wahlniederlage zwei Jahre zuvor zu tief? Spielten Nebenbuhler, die es gab, und Eifersüchte eine Rolle? Auch: Erschoss er sie mit ihrem Einverständnis oder in ihrem Auftrag oder als sie schlief mit der Absicht, sein eigenes Leben zu beenden und besorgt, sie könne ohne ihn nicht weiterleben?

Parteifreunde und Bekannte der beiden sind nach dem Ereignis geradezu einem psychoanalytischen Rausch verfallen. "Zerstörerisch" sei die Abhängigkeit voneinander gewesen, "fatal" ihre "symbiotische Verstrickung". Fast Glück sei es, dass es sich nicht um einen politischen Mord handele, sagte Ludger Volmer vom Grünen-Vorstand, der von rechten Drohbriefen gegen Petra Kelly wusste. Alle Äußerungen allerdings gründeten auf der Aussage der Staatsanwaltschaft, es liege "kein Fremdverschulden" vor. War das wirklich so? Oder spielten doch andere mit?

Ermittler schauen immer erst auf den Tatort. Dort gab es weder Einbruchs- noch Kampfspuren. Schmauch zeigte, dass Bastian den Abzug gedrückt hat. Die Obduktion der Leichen wies weder auf schwere Krankheiten hin noch auf Gifte, Drogen oder Alkohol. Aber es fehlte ein Abschiedsbrief. Beide hatten einen vollen Terminkalender. Kelly sollte und wollte für das Europäische Parlament kandidieren.

Die Schreibmaschine war noch eingeschaltet

Nach der Rekonstruktion der letzten Stunden Bastians wurde zudem klar: Erst schrieb der Ex-Offizier am Morgen der Tat einen Brief an Charlotte, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau in München. Plaudereien, nichts Bewegendes. Der Brief war zugeklebt und unfrankiert, als ihn die Fahnder sicherstellten.

In der elektrischen Schreibmaschine steckte ein zweites Schreiben. Es richtete sich an seinen Anwalt und drehte sich um eine zweitrangige Rechtssache. Die Maschine war noch eingeschaltet, als die Polizei eintraf. Das Gerät hatte mitten im Wort "müs..." gestoppt.

Entscheidet sich ein Mensch mitten in einem eigentlich unerheblichen Satz spontan, zur Waffe zu greifen? Wenn nein, wenn also ein Dritter im Spiel gewesen sein sollte: Welches Motiv hat zum doppelten Tod an diesem frühen Morgen geführt?

"Generale für den Frieden"

Eine vage Spur führt in die dramatische Schlussphase des Kalten Krieges zwischen 1980 und 1989. Geheimdienste beider Seiten beobachteten die friedensbewegte Szene. Lew Kopelew, der sowjetische Dissident und langjährige Vertraute des Paares, mutmaßte über solche Hintergründe: "Ich glaube an keinen Selbstmord".

Auf eine Fährte stößt im April 1993 das Bundeskriminalamt. Beamte verhören in Berlin zwei Ex-Stasi-Oberste. Die räumen ein, dass Gert Bastians Organisation "Generale für den Frieden", 1980 gegründet, aus der DDR gesteuert und monatlich mit 100.000 D-Mark finanziert war. Auch wenn nicht nachzuweisen ist, dass Bastian Mitarbeiter des ostdeutschen Dienstes war: Er muss diese Drähte gekannt haben.

Kelly auch? Nur wenige Wochen vor ihrem Tod hatte sie Einsicht in ihre Akten bei der Stasi-Unterlagenbehörde beantragt. Vielleicht versteckten sich dort Dinge, die sie über den Partner nicht wissen durfte. Vielleicht ahnte Bastian das. Vielleicht war das für beide das Todesurteil.

Was 1992 in der Swinemünder Straße 6 passierte, dürfte nie ganz zu klären sein. Die Stasi hat zentrale Akten noch zu DDR-Zeiten vernichtet. Petra Kellys Grabmalmotiv auf dem Würzburger Waldfriedhof deutet ohnehin anderes an: Eine Kerze, die sich zu schnell verzehrt hat.

Verwendete Quellen
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