Skandal-Rede bei "Trauermarsch" Opfer in Köthen starb nach Streit an Herzversagen
Nach einem Streit mit tödlichem Ausgang in Köthen hat ein rechtsextremer Redner beim "Trauermarsch" von "Rassenkrieg" gesprochen und wurde bejubelt. Zwei Afghanen sitzen wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Haft.
Nach dem Tod eines 22-Jährigen aus Köthen bei einer Auseinandersetzung mit jungen Männern aus Afghanistan wurden bei einem "Trauermarsch" Reden mit rassistisch und möglicherweise volksverhetzendem Inhalt gehalten. Der gestorbene junge Mann ist der Polizei zufolge "einem akuten Herzversagen erlegen, das nicht im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen steht".
Ein Sprecher eines rechtsextremen Bündnisses forderte unter Jubel seiner Zuhörer in Köthen mehrfach "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Die Polizei hatte sich mit einem großen Aufgebot auf mögliche Auseinandersetzungen vorbereitet.
"Trauermarsch" verharrte schweigend am Tatort
Unter anderem die Partei "Die Rechte" und Vertreter der NPD und der Partei "Der Dritte Weg" hatten zu einer Versammlung aufgerufen, die sie als Trauermarsch deklarierten. Nach Berichten von Journalisten vor Ort startete der Zug mit mehreren Hundert Demonstranten, die Teilnehmerzahl wuchs danach noch. Das Lagezentrum des Innenministeriums gab die Teilnehmerzahl später mit 2.500 an.
Der Zug führte zum Tatort, einem Spielplatz, wo die Demonstranten schweigend verharrten. Bei dem "Trauermarsch" liefen Familien ebenso mit wie Hooligans und Neonazis verschiedener Parteien in T-Shirts mit Aufdrucken wie "White Resistance" oder "Hatred worldwide" (Hass weltweit).
Redner spricht von "Rassenkrieg"
David Köckert, Chef der rechtsextremen Bewegung "Thügida", sprach danach von einem "Rassenkrieg gegen das deutsche Volk". Unter lautem Jubel sagte er: "Wir müssen erwachen und sagen, die wollen nicht friedlich mit uns leben. Also Auge um Auge, Zahn um Zahn."
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Er setzte seine rassistischen und möglicherweise volksverhetzenden Ausfälle fort: Auf der Welt seien von acht Milliarden Menschen Bevölkerung nur noch 300 bis 400 Millionen weiß. "Wir sind eine Minderheit, aber eine Minderheit, die eine Faust hat und sich wehren kann." Unter "Widerstand"-Rufen wurde zum Marsch auf Berlin aufgerufen.
Journalisten attackiert
Eine junge Frau forderte anschließend: "Wir sollten kämpfen, und das macht man nicht mit dem Smartphone". Sie stellte sich als Schülerin der örtlichen Berufsschule vor, einer "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage" – "mal schauen, ob ich am Donnerstag noch dorthin darf." Die Demonstration zog anschließend zurück zu ihrem Startpunkt. Dabei wurde "Nationaler Sozialismus! Jetzt! Jetzt! Jetzt!" skandiert.
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Mehrere Reporter wurden bedrängt, ein "taz"-Reporter von der Polizei in Sicherheit gebracht, ein Journalist von Buzzfeed News wurde geschubst und ihm wurde das T-Shirt zerrissen, als ihn Teilnehmer erkannten.
Bürgermeister riet von Teilnahme ab
Mit weniger als 100 Teilnehmern hatte um 18 Uhr eine Demonstration "Rassistische Hetzjagden verhindern, bevor sie entstehen" begonnen, die die Linken-Politikerin Henriette Quade angemeldet hatte. Die Teilnehmerzahl wuchs danach noch auf 200.
Köthens Bürgermeister Bernd Hauschild (SPD) war am Mittag mit anderen Politikern zum Tatort gekommen, um des Opfers zu gedenken. Um 16 Uhr begann eine Gedenkveranstaltung in der zentralen St.-Jacobs-Kirche.
Hausschild sagte, er habe mit großer Bestürzung vom Tod des 22-Jährigen erfahren. Er rief auf Facebook auf, nicht am "Trauermarsch" teilzunehmen.
Der junge Mann war nach einem Streit am Samstagabend gestorben. Die Polizei teilte am Abend mit, nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis sei der junge Mann einem akuten Herzversagen erlegen. Dieses stehe nicht im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen.
Zwei Afghanen im Alter von 18 und 20 Jahren waren festgenommen worden. Die Polizei teilte am Abend mit, dass das zuständige Amtsgericht Dessau-Roßlau gegen beide Haftbefehle wegen Körperverletzung mit Todesfolge erlassen hat. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen einen der Männer zuvor nur einen Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung beantragt, das Gericht habe das aber anders eingeschätzt.
Was "Körperverletzung mit Todesfolge bedeutet"
Bei Körperverletzung mit Todesfolge liegt die Mindeststrafe bei drei Jahren. Das Delikt ist dadurch definiert, dass der Täter durch die Körperverletzung den Tod der verletzten Person verursacht, aber die andere Person nicht töten wollte.
Die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtete, Zeugen zufolge sei Markus B. mehrfach gegen den Kopf getreten worden und er habe gerufen, er bekomme keine Luft mehr. Die Zeitung meldete auch, dass der junge Mann eine Vorerkrankung hatte. Olaf Braun, Sprecher der örtlichen Staatsanwaltschaft, wollte das jeweils nicht bestätigen. "Wir kennen diese Information aus sozialen Medien, aber wir haben dafür keine Bestätigung."
In sozialen Netzwerken kursiert auch ein Tondokument, in dem eine Frau schildert, wie sie die Situation erlebt und versucht hat, Markus B. wiederzubeleben. Die Echtheit der Aufzeichnung ist unklar. Ein Sprecher der Polizeidirektion Ost sagte t-online.de, er kenne das Dokument nicht. Unsere Redaktion hat es an die Polizei weitergeleitet.
Darin berichtet die Frau, dass andere Flüchtlinge Markus B. zunächst geholfen hätten, als er bei einem Streit schlichten wollte, dann aber von den Tätern vertrieben worden seien.
Die Täter hätten zum Treten "ausgeholt wie beim Fußball" und Markus B. gegen den Kopf getreten. Sie schildert auch, dass Markus B. blau angelaufen sei. Die Polizei dementierte einen Tag später diese Darstellung, der Obduktionsbericht schloss Gewalt gegen den Kopf als Todesursache aus.
Ein Tatverdächtiger sollte abgeschoben werden
Wegen Körperverletzung mit Todesfolge war auch der Mann verurteilt worden, der 2014 in Offenbach auf einem Parkplatz Tugce A. niedergeschlagen hatte. Bei dem dadurch ausgelösten Sturz hatte sie so schwere Kopfverletzungen erlitten, dass sie daran starb. Der Täter wurde nach Jugendstrafrecht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und 2017 nach Serbien abgeschoben.
Landrat Uwe Schulze (CDU) sagte dem MDR Sachsen-Anhalt, einer der beiden Afghanen sei als Flüchtling anerkannt, der andere habe abgeschoben werden sollen. Wegen laufender Ermittlungen gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung sei das noch nicht erfolgt, aber unmittelbar geplant gewesen, berichtet die "Mitteldeutsche Zeitung".
Anm. d. Red.: In einer früheren Version hatten wir von Herzinfarkt geschrieben. Die Polizei spricht von Herzversagen. Außerdem hatten wir von "Gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge" berichtet. Der Straftatbestand heißt aber korrekt "Körperverletzung mit Todesfolge".
Auf der Pressekonferenz am Montag stellte die Landesregierung den vorläufigen Obduktionsbericht vor. Demnach wird von "Herzversagen" als Todesursache gesprochen, Gewalt gegen den Kopf des Verstorbenen als Todesursache wurde ausgeschlossen.
- Eigene Recherche
- dpa
- Pressemitteilung Polizeidirektion Sachsen-Anhalt-Ost
- "Mitteldeutsche Zeitung": Todesfall von Köthen – 22-Jähriger starb an Herzinfarkt
- Tondokument mit Schilderung (Echtheit nicht bestätigt!)
- "Tagesspiegel": 22-Jähriger stirbt nach Streit in Köthen
- MDR: 22-Jähriger in Köthen gewaltsam ums Leben gekommen
- "Mitteldeutsche Zeitung": Nach tödlichem Streit in Köthen Update: Was wir wissen – und was nicht