Täter ging "extrem kaltblütig vor" Mysteriöser Mord an vier Menschen in den Alpen – neue Spur
2012 tötet ein unbekannter Täter vier Menschen in den französischen Alpen. Lange rätseln die Ermittler. Jetzt haben sie einen Verdacht.
21 tödliche Schüsse gab der Täter ab: sechs trafen einen zufällig vorbeifahrenden Radfahrer, die restlichen erwischten eine britische Familie irakischer Herkunft, die auf einem Parkplatz im Auto saß. Passiert ist die brutale Tötung am 5. September 2012 im französischen Alpenort Chevaline. Bis heute wird über das Verbrechen gerätselt, über den Täter herrscht immer noch Ungewissheit. Die Hauptthese der Ermittler: Es handelte sich bei dem Angreifer um einen "verrückten Schützen", der keinerlei Verbindung zu den Opfern aufweist, berichtete die französische Zeitung "Le Parisien".
Seit Sommer 2022 liegt der Fall bei der Ermittlungsrichterin Sabine Kheris. Das Justizministerium hatte sie auf den sogenannten Cold Case angesetzt. Ihr fiel schnell ein brisantes Detail auf: Der Todesschütze muss kampferprobt sein. Die besondere Schießtechnik deute auf einen ehemaligen Militär hin. Damit lag Kheris offenbar richtig. Der Täter könnte ein ehemaliger französischer Elitesoldat sein, so "Le Parisien". Doch warum kommt es jetzt, fast 13 Jahre nach der Tat, zu dieser Erkenntnis?
Dem Bericht zufolge hat eine erneute Untersuchung im Oktober 2024 die Ermittlerin in ihrer Annahme bestärkt. Hinter verschlossenen Türen auf einem Militärstützpunkt in der Nähe von Paris wurde die Tat von drei Schützen nachgestellt. Sie sollten dabei die Zeit messen und den technischen Schwierigkeitsgrad feststellen.
Täter ging extrem kaltblütig und geübt mit Waffe um
Die Erkenntnis: Der Täter sei extrem kaltblütig vorgegangen und muss im Umgang mit der Waffe, einer schweizerischen Luger P06/29, geübt gewesen sein. Er habe in einem Zeitraum von 60 bis 90 Sekunden 21 Schüsse aus der halbautomatischen Pistole abgefeuert. Erst leerte er ein erstes Magazin mit acht Schuss, dann ein zweites, bevor er ein drittes Magazin nachlud. Dann hatte die Tatwaffe Ladehemmung. Zu diesem Zeitpunkt waren der Radfahrer, ein britisches Ehepaar und die Mutter der getöteten Britin bereits nicht mehr am Leben. Die beiden Töchter der Familie, sieben und vier Jahre alt, überlebten. Das ältere der beiden Mädchen, das von einem Schuss an der Schulter getroffen wurde, attackierte der Angreifer, indem er mit dem Kolben der Waffe gegen ihren Schädel schlug. Wie durch ein Wunder blieb die Vierjährige unverletzt – sie versteckte sich unter dem Rock ihrer Mutter, so "Le Parisien".
Bereits 2023 hatte ein Schießexperte den Ermittlern bei einer Anhörung mitgeteilt, dass der Täter zwangsläufig eine Ausbildung genossen haben muss, "die nur einer sehr kleinen Gruppe von Berufsschützen vorbehalten ist", hieß es im Bericht der französischen Zeitung. Die Schusstechnik lasse darauf schließen. Alle Opfer wiesen ein oder zwei Treffer im Kopf auf – alle aus sehr kurzer Entfernung. Diese Technik sei typisch für die militärische Ausbildung des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE, einer Spezialeinheit des Inlandsgeheimdienstes DGSI und des ersten Fallschirmjägerregiments der Marineinfanterie. Ebenso gelte das für die Spezialeinheiten in der Schweiz.
Hat der Täter auch einen Belgier getötet?
Auch deute die verwendete Pistole nicht auf das Profil eines Auftragsmörders. Dann hätte der Täter nicht eine Luger P06 verwendet, ein Modell aus der Nachkriegszeit, das für seine regelmäßigen Fehlfunktionen bekannt sei. Auch sei es Zufall gewesen, dass die Opfer am Tatort unterwegs waren.
Eine weitere Hypothese ist, dass derselbe Täter einen belgischen Touristen ein Jahr zuvor ermordet haben könnte. Der Belgier wurde bei einem nächtlichen Stopp auf einer Raststätte bei Nancy 2011 erschossen. Wer der unbekannte Täter ist, bleibt jedoch weiterhin ein Rätsel.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- leparisien.fr: "Tuerie de Chevaline : la piste d’un militaire des forces spéciales qui aurait 'vrillé'" (französisch, kostenpflichtig)
- leparisien.fr: "Tuerie de Chevaline : le meurtrier a-t-il aussi abattu Xavier Baligant sur l’A31 un an plus tôt ?" (französisch)
- bundeswehr.de: "Keine Zeit zum Warten"