Southport-Killer "Es ist gut, dass diese Kinder tot sind"
Die Messerattacke von Southport löste in Großbritannien große Bestürzung, aber auch Krawalle aus. Seitdem wird über Behördenversagen auf der Insel diskutiert.
Er stürmte im Juli 2024 in einen Taylor-Swift-Tanzworkshop im englischen Southport. Dort stach Axel R. wahllos auf die teilnehmenden Kinder ein. Die neunjährige Alice, die sieben Jahre alte Elsie und die sechsjährige Bebe starben. Der 18-Jährige versuchte, acht weitere Kinder zu töten, ebenso zwei Erwachsene. Jetzt wurde Axel R. wegen dreifachen Mordes, zehnfachen versuchten Mordes, des Besitzes eines Messers, des Giftes Rizin und eines Handbuchs der Terrororganisation al-Qaida zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Verkündung des Liverpooler Crown Court hatte sich verzögert, weil R. die Richterin angeschrien hatte, dass er krank sei. Er wurde des Raumes verwiesen und soll tatsächlich am Morgen in einem Gefängniskrankenhaus behandelt worden sein.
Die Polizei hatte schon früh in ihren Ermittlungen festgestellt, dass der Angriff "kein zufälliger Akt" war, "sondern ein geplanter und überlegter Versuch, einen Massenmord zu begehen". Der 18-Jährige selbst soll schon kurz nach der Festnahme der Polizei laut "The Times" gesagt haben: "Es ist gut, dass diese Kinder tot sind … Ich bin so froh … so glücklich."
Am ersten Prozesstag am 20. Januar bekannte sich der Angeklagte überraschend in allen Punkten schuldig. Nicht nur des Mordes und des versuchten Mordes, sondern auch des Terrorismus. Ein brisantes Geständnis. Denn trotz intensiver Ermittlungen hatte die Polizei nach eigenen Angaben bei Axel R. kein terroristisches Motiv gefunden. Im Laufe des Prozesses wurde jedoch offenkundig, dass es im Vorfeld viele Hinweise gegeben hatte, dass Axel R. gewalttätig werden könnte. Deswegen wird in Großbritannien jetzt über das Versagen der Behörden diskutiert.
Der in der walisischen Hauptstadt Cardiff geborene Axel R. war bereits mit 13 Jahren entsprechend aufgefallen, berichtete "The Guardian". 2019 wurde das Anti-Terrorprogramm der britischen Regierung, Prevent, alarmiert. Der Grund: Axel R. soll ein Interesse an Schulmassakern und den Tötungen von Kindern in den USA gehabt haben. Er habe sich darüber auch auf Schulcomputern informiert. Das wurde als potenziell besorgniserregend eingestuft. Doch dabei blieb es, weil der Teenager damals laut Ermittlern keiner terroristischen Ideologie anhing und ein Terrorakt nicht in Planung gewesen sei. Sonst hätte Prevent reagieren müssen, um die Gefahr zu reduzieren.
Zwei weitere Verdachtsfälle gab es 2021, Axel R. hatte sich mit Terrorattacken beschäftigt. Einer dieser Fälle sollte von einer anderen Behörde übernommen werden. Ob dies tatsächlich geschah, ist allerdings unbekannt.
Der Sohn von Einwanderern aus Ruanda komme aus einer gottesfürchtigen Familie, sei schmächtig und klein für sein Alter, schreibt "The Guardian". Das habe die Einschätzung der Ermittler vielleicht beeinflusst. Ebenso wie seine Passion fürs Schauspiel. So spielte er die britische Kultfigur "Doctor Who" in einer Werbung für die Wohltätigkeitsorganisation der BBC, "Children in Need" (Kinder in Not). Eine Talentagentur war auf ihn aufmerksam geworden, als er 11 Jahre alt war. Doch für die große Bühne habe es ihm an Selbstvertrauen gemangelt, berichteten Freunde über den Autisten.
Doch später war der schüchterne Sohn von evangelikalen Christen offenbar zu einer brutalen Tat in der Lage. Vor der Tat soll er sich stundenlang mit Völkermorden auseinandergesetzt und etliche brutale Videos geschaut haben. "Er war absolut besessen von Genoziden", sagte ein Ermittler "The Guardian". "Er konnte jeden Genozid in der Geschichte benennen und wusste, wie viele Menschen getötet wurden – Ruanda, Dschingis Khan, Hitler. Das ist das Einzige, worüber er reden wollte."
Axel R. flog von der Schule
Offenbar hatte Axel R. die Tat von Southport lange geplant. Bereits 2022, zwei Jahre zuvor und nur ein Jahr nach den Verdachtsfällen, hatte er tödliche Waffen und Materialien zur Herstellung des Giftes Rizin im Netz gekauft. Auch das gestand R. vor Gericht. Für die Attacke in Southport hatte er sich die Waffen ebenfalls aus dem Internet besorgt. Die Polizei teilte mit, dass er dabei Sicherheitssoftware eingesetzt habe, um seine Identität bei den Online-Käufen von Messern zu verbergen. Nur wenige Tage vor dem tödlichen Angriff hatte er sie bestellt.
Von der Schule war er bereits im Alter von 13 Jahren geflogen. Denn er hatte ein Messer dorthin mitgebracht. Außerdem habe er zuvor Lehrer und Schüler mit einem Hockeyschläger bedroht. Auf der Waffe standen die Namen der Bedrohten. Ein früherer Schulfreund bezeichnete ihn als "tickende Zeitbombe". Ein Nachbar sagte, er habe ihn "noch nie" außerhalb des Elternhauses gesehen. "Er hatte nie Freunde um sich." Generell sei er ein Einzelgänger gewesen. Eine Woche vor der Attacke auf die Kindergruppe verhinderte sein Vater, dass ein Taxi ihn zu seiner alten Schule brachte. Er trug den gleichen Kapuzenpullover und die gleiche OP-Maske, die er eine Woche später bei dem Angriff getragen hatte.
"Ungesunde Obsession mit Gewalt"
Am Tag des Angriffs suchte R. im Internet nach dem Video eines Messerangriffs in einer Kirche in Sydney. Kurze Zeit später betrat er mit einem Küchenmesser bewaffnet die Tanzschule und begann dort, wahllos Kinder anzugreifen. Er soll regelrecht Jagd auf die Kinder gemacht haben. Als die Beamten eintrafen, stand er über der Leiche eines der getöteten Mädchen, das blutende Küchenmesser in der Hand. Die Polizisten forderten ihn auf, es fallen zu lassen – was er tat. Axel R. leistete keinen Widerstand und wurde festgenommen.
In Großbritannien wird nun über mögliche Behördenfehler diskutiert. Ministerpräsident Keith Starmer kündigte eine Untersuchung an. Er werde nicht zulassen, dass von einem Behördenversagen abgelenkt werde, "einem Versagen, das in diesem Fall offenkundig auf der Hand liegt", sagte Starmer. Es gebe keine Worte, die die "Brutalität und den Horror" der Tat beschreiben könnten. Alle Eltern im Land würden sich sagen: "Es hätte überall sein können, es hätten auch unsere Kinder sein können, aber es war in Southport."
Dass der britische Regierungschef sich so entschieden äußert, hat auch mit den Geschehnissen nach der Tat zu tun. Denn schon kurz darauf war in den sozialen Medien fälschlicherweise behauptet worden, der Täter sei ein muslimischer Migrant. Die Polizei teilte zwar schnell mit, sie habe einen 18 Jahre alten Verdächtigen festgenommen, der als Sohn von Ruandern in Großbritannien geboren wurde. Hass und Desinformationen ließen sich aber nicht mehr aufhalten, angeheizt auch durch Äußerungen von Rechtspopulisten, die die Stimmung gegen die noch neue Labour-Regierung von Keir Starmer für sich nutzten. Es folgten tagelange rechtsradikale und antimuslimische Ausschreitungen.
Ziel des Mobs in mehreren englischen Städten waren meist Unterkünfte für Asylbewerber, Moscheen und Geschäfte. Tausende Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, etliche wurden verletzt. Mit Trauer um die drei Mädchen hatten die Krawalle nicht mehr viel zu tun, der offen gelebte rechtsradikale Hass schockierte weit über die britischen Grenzen hinaus. Tausende Menschen demonstrierten in der Folge gegen Gewalt und für Toleranz. Inzwischen wurden Hunderte Angreifer zu Haftstrafen verurteilt. Ob nun das Urteil gegen Axel R. die Stimmung im Land besänftigen kann, wird sich noch zeigen.
- bbc.com: "Father stopped Southport killer from going to former school a week before attack" (englisch)
- theguardian.com: "Southport murderer bought weapons and ricin-making equipment two years before attack" (englisch)
- theguardian.com: "Axel Rudakubana was referred to counter-extremism scheme three times" (englisch)
- theguardian.com: "Axel Rudakubana: a ‘ticking timebomb’ who murdered three girls in Southport" (englisch)
- cnn.com: "Boy, 17, charged with murder of three young girls in Southport attack" (englisch)
- apnews.com: "Teen who killed 3 girls at Taylor Swift-themed dance class in England disrupts sentencing hearing" (englisch)
- thetimes.com: "Southport latest: Axel Rudakubana removed from court at sentencing"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa