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Braunschweig: Prozess gegen Maddie-Verdächtigen beginnt


Sexualstraftäter Christian B.
Verdächtiger im Fall Maddie steht vor Gericht

Von afp, dpa, lw

Aktualisiert am 14.02.2024Lesedauer: 5 Min.
Der Verdächtige im Fall Maddie: Der 43-jährige Deutsche Christian B. soll das Kind ermordet haben.Vergrößern des Bildes
Der Verdächtige im Fall Maddie: Christian B. soll das Kind ermordet haben. (Quelle: imago / carabinieri milano - Montage: Uf/t-online)

Ein vorbestrafter Sexualstraftäter muss erneut wegen schwerer Vorwürfe vor Gericht. Im Fokus der Öffentlichkeit steht der Deutsche aber wegen eines anderen Falls.

Christian B. stand schon einmal in Braunschweig vor Gericht und wurde wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt. Ab heute muss sich der 47-Jährige dort wieder wegen schwerer Straftaten verantworten.

Während der erste Prozess 2019 an der Öffentlichkeit nahezu vorbeiging, ist das Interesse jetzt riesig. Denn seitdem Ermittler 2020 bekannt gaben, dass sie den Deutschen im Fall der vermissten Maddie aus Großbritannien für den Mordverdächtigen halten, steht er in einem ganz anderen Fokus. Ein Überblick.

Worum geht es im Strafprozess?

Vor dem Landgericht Braunschweig muss sich der Angeklagte wegen fünf schwerer Sexualstraftaten verantworten. Dem gebürtigen Würzburger werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeworfen. Das Gericht setzte für die Verhandlung zunächst rund 30 Verhandlungstage bis Ende Juni an.

Die Taten soll der Verdächtige zwischen Ende Dezember 2000 und Juni 2017 in Portugal begangen haben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte im Oktober 2022 nach mehrjährigen und aufwendigen Ermittlungen in mehreren europäischen Ländern eine mehr als 100 Seiten umfassende Anklageschrift vorgelegt.

Dem Mann wird darin vorgeworfen, dass er eine etwa 70 bis 80 Jahre alte Frau in ihrer Ferienwohnung gefesselt und vergewaltigt haben soll. Zudem soll er ein deutschsprachiges Mädchen im Alter von mindestens 14 Jahren nackt an einen Holzpfahl gefesselt, mit einer Peitsche geschlagen und zum Oralverkehr gezwungen haben. Weiter soll er eine 20-jährige Frau aus Irland brutal vergewaltigt haben.

Außerdem wird B. sexueller Missbrauch von zwei Mädchen im Alter von zehn sowie elf Jahren 2007 und 2017 an Stränden sowie auf einem Spielplatz in Portugal zur Last gelegt. Er soll sich vor den Kindern nackt gezeigt und vor ihnen masturbiert haben. Im letzten Fall alarmierte das Opfer seinen Vater, woraufhin der Beschuldigte von Polizisten noch vor Ort gefasst wurde. Die Anklage stützt sich auch auf Videoaufnahmen der Taten, die der Beschuldigte selbst aufnahm.

B. beschäftigt Ermittler und Justiz in Deutschland bereits seit Langem, er ist unter anderem auch wegen Sexualdelikten an Kindern vorbestraft und verbüßte im Lauf seines Lebens diverse Haftstrafen. Zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig 2019 wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Touristin in Portugal im Jahr 2005 rechtskräftig zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe, die er derzeit in einer Haftanstalt verbüßt.

Wo ist die Verbindung zum Fall Maddie?

Am 3. Juni 2020 gaben das Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt, dass sie im Fall Maddie gegen einen mehrmals vorbestraften Sexualstraftäter wegen des Verdachts des Mordes ermitteln. Zur besten Sendezeit lief der Bericht über einen verdächtigen Deutschen in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Obwohl bis heute keine Leiche gefunden wurde, teilten die Ermittler damals mit, dass sie davon ausgehen, dass das Mädchen aus Großbritannien nicht mehr lebt.

Nähere Angaben dazu, worauf sich ihr Verdacht stützt, machten die Behörden bislang nicht. Bis heute gibt es keine Anklage. Auch die portugiesische Staatsanwaltschaft beschuldigt den Deutschen im Fall Maddie des Mordes.

Wegen der Mordermittlungen gegen B. geriet das ungeklärte Schicksal von Maddie damals wieder in den Blickpunkt. Die zum Zeitpunkt des Verschwindens dreijährige Britin Madeleine McCann war im Mai 2007 im portugiesischen Praia da Luz an der Algarve aus einer Ferienanlage verschwunden. Die Eltern hatten sie am Abend des 3. Mai 2007 im Appartement gelassen, als sie in einem nahe gelegenen Restaurant mit Freunden aßen. Seitdem ist der Fall ungeklärt.

Immer wieder haben die Ermittler erklärt, dass es trotz des großen Interesses und der breiten Berichterstattung wenig Neues gebe und die Ermittlungen ungeachtet der aktuellen Anklage weitergingen.

Was wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung?

Die Staatsanwaltschaft strebt eine Verurteilung des Angeklagten mit Blick auf alle angeklagten Taten an. "Deshalb wurde ja auch Anklage erhoben", sagte Oberstaatsanwalt Hans Christian Wolters vorab der Deutschen Presse-Agentur.

Natürlich sei es vom Verlauf der Beweisaufnahme abhängig, ob sich alle Vorwürfe bestätigen und beweisen lassen. Das gelte dann auch für die Frage, welche konkreten Strafen angemessen erscheinen. "Nach Aktenlage muss der Angeklagte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren rechnen", sagte Wolters. Eventuell komme auch eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.

"Wir wollen Freisprüche", sagte dagegen Verteidiger Friedrich Fülscher aus Kiel der dpa. Das gelte für sämtliche Anklagepunkte. Ob sich sein Mandant vor Gericht äußern werde oder plane, zu schweigen, ließ der Anwalt noch offen. Trotz massiver Vorverurteilungen in der Öffentlichkeit hoffe er auf ein faires Verfahren für seinen Mandanten, sagte Fülscher schon im vergangenen Herbst zur Prozessankündigung.

Das Gericht betonte, dass erst im Hauptverfahren zu klären sei, ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht. Jede angeklagte Person gelte bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

Warum werden die Fälle in Braunschweig verhandelt?

B. lebte früher unter anderem in Braunschweig, daher ist das Landgericht in dieser niedersächsischen Stadt für ihn zuständig. Geklärt wurde dies erst nach einem juristischen Zuständigkeitsstreit. Das Braunschweiger Gericht erklärte sich für nicht zuständig und argumentierte, B. habe den letzten ständigen Wohnsitz vor seinem Auslandsaufenthalt in Sachsen-Anhalt gehabt.

Das übergeordnete Oberlandesgericht in Braunschweig entschied später auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft aber, dass von einem letzten Wohnsitz in Braunschweig auszugehen sei. Daher sei das Landgericht dort zuständig.

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Wie blickt Großbritannien auf den Prozess?

Auf der Insel ist das Interesse an dem Prozess gegen Christian B. erwartungsgemäß groß. Selbst kleinere Entwicklungen, wie die Anzeigen gegen B. durch Vollzugsbeamte wegen Beleidigung und der abgelehnte Antrag der Verteidigung, einen Zeugen auszuschließen, wurden von Medien im Königreich berichtet.

Auch der Fall der Irin, die B. im Jahr 2004 mutmaßlich im portugiesischen Praia da Luz brutal vergewaltigte und der nun vor Gericht verhandelt werden soll, ist immer wieder Thema in irischen und britischen Medien. Der "Daily Mail" zufolge erhielt die Dublinerin bereits Ende vergangenen Jahres einen Besuch von Behördenvertretern aus Deutschland, die sie über das Verfahren informierten. Aus Sorge um ihre Sicherheit werde sie strengen Polizeischutz erhalten, hieß es in dem Bericht. Die Frau selbst wurde mit den Worten zitiert: "Ich kann es nicht erwarten, meinem Peiniger in die Augen zu schauen und ihn vor Gericht zu sehen."

Dass es sich bei B. um ihren Peiniger handeln könnte, wurde der Irin durch die Berichterstattung über die Vergewaltigung der 72-jährigen US-Amerikanerin klar, für die B. derzeit einsitzt. Sie habe sich beim Lesen übergeben müssen, "weil es mich direkt wieder zu meiner Erfahrung transportiert hat", sagte sie im Jahr 2020 dem "Guardian".

Erwartet werde, dass die Frau als Erste ihre Aussage machen werde, berichtete die "Daily Mail" unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Das könne mehrere Tage in Anspruch nehmen. Die Eltern von Madeleine McCann äußerten sich zu dem Prozess zunächst nicht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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