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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Behördenskandal? Rätselhafte Waffenrazzia – es fehlen zentrale Dokumente
Das Lebenswerk eines Waffensammlers ist vernichtet. Doch die Umstände scheinen dubios. Verschweigt die zuständige Behörde etwas?
Eine Razzia des Landeskriminalamts Schleswig-Holstein bei einem Waffensammler wirft immer mehr Fragen auf: t-online berichtete bereits exklusiv über mehr als 150 offenbar im Zuge der Ermittlungen verschwundene Gewehre. Nun könnten wohl auch entscheidende Unterlagen zu den gefährlichen und wertvollen Sammlerstücken bei den Behörden abhandengekommen sein. Oder werden sie sogar zurückgehalten?
Ein zerstörtes Lebenswerk
Es ist der 26. Juni 2022, als Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt von der Staatsanwaltschaft Flensburg eine wichtige Zeugin empfängt. Seit Jahren ermittelt er gegen den Sammler Peter Frank, der in seinem Zuhause in der Gemeinde Schwesing einst fast 900 Karabiner museumsreif aufreihte, sauber dokumentiert und der Waffenbehörde gemeldet hatte – bis eben jene Waffenbehörde 2017 mit Einsatzkräften des Landeskriminalamts (LKA) bei ihm vorstellig wurde. Waffen wurden sichergestellt, die Kammer versiegelt und Jahre später sogar die gesamte Sammlung mitgenommen.
Franks Lebenswerk, die 1,5 Millionen Euro teure und bei Experten anerkannte Sammlung – Vergangenheit. Aus dem als zuverlässig geltenden Sammler wurde ein mutmaßlicher Straftäter. Wegen angeblicher Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz droht ihm eine Haftstrafe. Bald soll am Amtsgericht Husum der Prozess beginnen.
Ein ungeheurer Verdacht
Dabei scheinen die Umstände des Verfahrens rätselhaft und dubios: Nicht nur muten die Vorwürfe überzogen an, wenn nicht gar unbegründet – es steht sogar im Raum, dass sich Unbekannte in den Behörden an seiner Sammlung bereichern wollten. Denn teure Exemplare scheinen spurlos verschwunden. Auch deswegen ermittelt nun die Staatsanwaltschaft.
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Die wichtige Zeugin, die im Juni bei Oberstaatsanwalt Winterfeldt vorstellig wird, ist die zentrale Belastungszeugin gegen Frank. Als Sachbearbeiterin der Waffenbehörde hat sie das Verfahren gegen ihn mit schweren Vorwürfen ausgelöst. Frank vermutet bis heute, dabei sei es hauptsächlich um gekränkten Stolz gegangen. "Nicht so schnell" wie ihre Vorgängerin arbeite sie, schrieb er einmal unbedacht an einen seiner Handelspartner – und leitete ihr später den Mailverlauf weiter. Ihre Reaktion: "Danke für die Blumen".
Ein falscher Vorwurf
Bei ihrer staatsanwaltlichen Befragung stellt sich Informationen von t-online zufolge heraus: Selbst die in der Anklage verbliebenen Vorwürfe gegen Frank stehen auf mehr als wackeligen Füßen. Es stellt sich die Frage, ob die Waffenbehörde der Anklagebehörde wirklich alle relevanten Dokumente zur Verfügung stellt, also auch die entlastenden. Und es stellt sich die Frage, warum eine teure Sammlung sichergestellt und teilweise vernichtet wird, die in weiten Teilen vermutlich rechtskonform war. Denn nach und nach brechen immer mehr Vorwürfe in sich zusammen.
Vergangenheit sind mittlerweile die Vorwürfe, die zur Sicherstellung und Vernichtung der Sammlung führten: Eine angeblich illegale Einfuhr von Dekowaffen und eine angeblich fehlende Waffenherstellungserlaubnis brachte die Sachbearbeiterin beim LKA zur Anzeige. Beides taucht nicht in der Anklageschrift gegen Frank auf, denn für die Staatsanwaltschaft war beides nicht zu belegen. Wie die Waffenbehörde ursprünglich zu einer anderen Einschätzung gelangen konnte als die Ermittler später, ist völlig unklar.
Ein fehlender Beleg
"Herr Frank hat keine Waffenherstellungserlaubnis!", schrieb die Sachbearbeiterin wörtlich an das LKA. Der Mailverkehr dazu liegt t-online vor. Das Brisante: Schon zu diesem Zeitpunkt gab es in den Akten einen entlastenden Vermerk zu diesem ersten Vorwurf. Frank hatte einen Antrag gestellt – und die mündliche Genehmigung wurde bereits ein Jahr vor der Strafanzeige erteilt und schriftlich festgehalten.
Nach Informationen von t-online wusste die Staatsanwaltschaft allerdings lange Zeit nichts von dieser erteilten Genehmigung. Wurde der Vermerk bewusst von der Waffenbehörde zurückgehalten oder war es nur Schlamperei? Der Kreis Nordfriesland verwies in einer Stellungnahme auf die laufenden Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Flensburg teilt lediglich mit, dass die Waffenherstellungserlaubnis nicht Gegenstand der Anklage sei.
Ein neuer Anklagepunkt
Auch der zweite, ursprünglich von der Waffenbehörde erhobene Vorwurf ist mittlerweile vom Tisch: Der penible Sammler Peter Frank hatte die Einfuhr von Dekowaffen schon 2013 bei der Behörde gemeldet, obwohl er dazu eigentlich gar nicht verpflichtet gewesen wäre. "Es kann keine Einwilligung (...) erteilt werden, da Dekowaffen keine Schusswaffen im Sinne des Waffengesetzes sind", antwortete die Behörde laut vorliegenden Dokumenten. Die Einfuhr war also auch ohne Genehmigung legal. Auch dafür, dass die Waffen unbrauchbar sind, gibt es Belege.
Warum hat die Behörde das bei ihrer Strafanzeige übersehen? Und wurde darüber die Staatsanwaltschaft informiert?
Für die Anklageschrift übrig blieben neue Vorwürfe: Waffenläufe seien unter anderem nicht gesetzeskonform auf Waffenbesitzkarten eingetragen. Das räumt Frank ein: "2009 hatte sich das Gesetz geändert. Ich wusste nicht, dass ich sie eintragen lassen muss. Das war ein Fehler. Aber ich habe das nicht geheim gehalten", sagt er. "Die Waffenbehörde wusste zu jedem Zeitpunkt, was ich zu Hause lagere, weil ich jede Quittung übermittelt habe." Die Behörde habe ihn auch nicht darauf aufmerksam gemacht, die Läufe nachzumelden.
Ein ungewisser Prozess
Auch weitere mutmaßliche Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sind nun Teil der Anklage. Nicht genehmigte Munition habe Frank gelagert. Und zu diesem Vorwurf befragt Oberstaatsanwalt Winterfeldt im Juni die Sachbearbeiterin der Waffenbehörde. Ob Herr Frank überhaupt berechtigt gewesen sei, Munition zu besitzen? Nein, sagt die Zeugin, die Genehmigung sei ihm nie erteilt worden.
Eine Straftat also? So eindeutig ist das nicht. Denn schon 2003, das räumt die Sachbearbeiterin ein, habe Frank die Behörde über die Munition informiert. Das Dokument werde sie nachreichen.
Fast 15 Jahre also weiß die Behörde vom angeblichen Verdacht. Dass sie in der ganzen Zeit nicht tätig wurde, könnte einen einfachen Grund haben. Laut Paragraf 58 des Waffengesetzes gilt "die nachgewiesene fristgerechte Anmeldung (...) als Erlaubnis zum Besitz". Zwei Jahre, nachdem die möglicherweise fehlerhafte Anklageschrift verfasst wurde, ist somit gegebenenfalls ein weiterer Vorwurf passé, auch wenn die Staatsanwaltschaft weiter an ihm festhält.
Die zeigt sich ohnehin bislang noch relativ unbeeindruckt vom unüblichen Verlauf des Verfahrens, das Gericht habe die Anklage zugelassen: "An den Vorwürfen wird deshalb zunächst festgehalten und die Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme bleiben – wie in jedem anderen Verfahren auch – selbstverständlich abzuwarten", schreibt Winterfeldt t-online. Möglicherweise fehlende Dokumente kommentierte er nicht, wird den Bestand aber bis zum Prozess sicher noch einmal sichten. Denn auch Franks Waffenbesitzkarten, die eigentlich zwingend für einen Prozess vorhanden sein müssen, sind derzeit noch nicht in der Akte.
- Eigene Recherchen