Ex-Kanzler verliert Aufgaben Um Gerhard Schröder wird es einsam
Gerhard Schröder arbeitet offenbar weiter für russische Energiekonzerne. Zumindest hat er seine Jobs noch nicht offiziell niedergelegt. Andere Aufgaben verliert der Altkanzler deshalb zunehmend.
Der ehemalige Kanzler der Bundesrepublik, Gerhard Schröder, ist trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine weiterhin für russische Energiekonzerne tätig. Unter dem Eindruck immer schärferer Sanktionen wächst auch der Druck auf den heutigen Gas-Lobbyisten, seine Arbeit dort ruhen zu lassen. Immer mehr Partner in Politik, Wirtschaft und Sport wenden sich von ihm ab. Eine Übersicht.
Drohender Parteiausschluss
Über Jahre hielte die SPD-Führung zu ihrem ehemaligen Vorsitzenden und vermied zumindest allzu scharfe Kritik an ihm. Nun wird der öffentliche Druck und seitens der Parteibasis offenbar zu groß. Immer wieder fordern Parteifunktionäre seinen Rückzug von den Posten bei Nord Stream, Rosneft und dem anstehenden Gazprom-Engagement. Zuletzt bekräftigte Schröders Weggefährte Lars Klingbeil, der heutige SPD-Chef, bei "Spiegel Online": "Die Uhr tickt."
Die Parteibasis ist allerdings schon einen Schritt weiter. Der SPD-Kreisverband Treptow-Köpenick bereitet einen konkreten Antrag vor, Schröder aus der Partei auszuschließen, berichtete die "Berliner Zeitung". Auch die Heidelberger Sozialdemokraten fordern den Parteiausschluss und haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Schröder sei untragbar: "Wer Putin unterstützt, der teilt die Grundwerte einer Friedenspartei nicht."
Zuspruch dafür erhalten sie mittlerweile auch aus Teilen der SPD-Spitze. Die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal schloss sich der Forderung an, Schröder aus der SPD zu werfen. "Ich bin absolut fassungslos", sagte sie dem "Spiegel". "Ich verstehe jeden Ortsverein, der sagt: Jetzt ist Schluss", versicherte sie weiter und fügte hinzu: "Natürlich ist jetzt Schluss."
Möglicher Verlust der Amtsausstattung
Ziel der Kritik ist zuletzt die Amtsausstattung des Ex-Kanzlers gewesen, die allen ehemaligen Amtsträgern zusteht. Das beinhaltet auch ein Büro im Bundestag, das Schröder in der Vergangenheit Recherchen der "Zeit" und "Abgeordnetenwatch" zufolge auch für Lobbyarbeit genutzt haben könnte. Sowohl Stimmen aus CDU, FDP und SPD als auch der Bund der Steuerzahler forderten die Schließung. Das Büropersonal solle gestrichen oder zumindest nicht neu besetzt werden.
Inzwischen wenden sich offenbar auch enge Vertraute ab: Nach mehr als 20 Jahren kehre sein langjähriger Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk Schröder den Rücken, berichteten das Nachrichtenportal "The Pioneer" und die "Hannoversche Allgemeine Zeitung". Auch drei weitere Mitarbeiter gäben ihren Posten auf. Von Schröder und seinem Büro war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Mit dem Abschied der vier Mitarbeiter wäre das Büro des Altkanzlers verwaist.
Ehrenmitgliedschaften
Das Engagement Schröders für russische Energiekonzerne wird angesichts des russischen Angriffskriegs auch im Sport für ihn zum Problem. Borussia Dortmund hat dem 77-Jährigen die Ehrenmitgliedschaft entzogen. Der Mutterverein seines Heimatclubs Hannover 96 droht Schröder wegen seiner Russland-Beziehungen derweil mit dem Rauswurf. Auch der Deutsche Fußball-Bund hat den Altkanzler aufgefordert, auf die "Funktionen in russischen Staatskonzernen" zu verzichten oder seine Ehrenmitgliedschaft im DFB aufzugeben.
Weitere Ehrungen
Auch um weitere Ehrungen muss Schröder fürchten: Die Universität Göttingen beschäftigt sich laut einem Bericht der "HNA" mit der Frage, "wie wir mit der Ehrendoktorwürde von Gerhard Schröder umgehen sollen". Noch sei keine Entscheidung gefallen. Vorausgegangen waren Forderungen vor allem seitens CDU und FDP, ihm den Titel zu entziehen. Aus ihren Reihen werden auch Forderungen nach der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover laut. Sogar sein Bundesverdienstkreuz steht mittlerweile zur Debatte.
Wirtschaft
In der Wirtschaft geht es ein wenig schneller: Nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" ist Schröder nicht mehr Vorstandsmitglied der Betrieblichen Vergütungs- und Versorgungssysteme für Unternehmen und Kommunen (BVUK). Die Tätigkeit für das Versicherungsmaklerunternehmen sei seit dieser Woche beendet, sagte ein BVUK-Sprecher der Zeitung. Zuletzt hatten bereits der badische Tunnelbauer Herrenknecht und der Schweizer Medienkonzern Ringier ihre Mandate mit Schröder aufgelöst.
Podcast
Auch Schröders prominentestes Sprachrohr ist vorerst still. Sein ehemaliger Regierungssprecher Béla Anda bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, der Podcast "Die Agenda" werde angesichts der aktuellen Lage auf Eis gelegt. Zuvor hatte die "Bild" berichtet. Noch Ende Januar hatte Schröder der Ukraine in dem Podcast "Säbelrasseln" vorgeworfen, was international auf Empörung stieß.
Sanktionen
Und auch wenn europäische und US-amerikanische Sanktionen ihn bislang verschonten: Noch ist es durchaus möglich, dass sie den ehemaligen Bundeskanzler ebenfalls ereilen. Der deutsche Staatsbürger Matthias Warnig, Putin-Vertrauter, ehemaliger Stasi-Spion und heutiger Geschäftsführer des insolventen Nord Stream 2, steht bereits unter Sanktionen. Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer hat solche Schritte auch gegen Schröder verlangt. Aus Osteuropa und den USA ist die Forderung ebenfalls immer wieder zu vernehmen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters