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Corona-Pandemie und Wahlkampf: "Jede Handlung könnte Stimmen kosten"


Meinung
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Tagesanbruch
Wer wird das Ende der Pandemie erklären?

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 11.08.2021Lesedauer: 5 Min.
Das Hamburger Impfzentrum, am letzten Tag der Erstimpfungen.Vergrößern des Bildes
Das Hamburger Impfzentrum, am letzten Tag der Erstimpfungen. (Quelle: dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute schreibe ich für Sie den kommentierten Überblick über die Themen des Tages.

Hatten Sie schon mal den Eindruck, dass Ihnen persönlich das richtige Maß verloren gegangen ist? Weil sie zu viel essen, zu viel arbeiten oder zu viel Geld ausgeben? Es ist eine Binsenweisheit: nicht zu viel und nicht zu wenig von allem, das hilft. Doch was ist zu viel, was ist zu wenig von etwas? Was ist noch gut, was ist ungesund?

Wer im Leben Antworten auf solche Fragen finden will, braucht einen guten Kompass, an dem er seine Mitte ausrichten kann. Nur wer weiß, wo Norden ist, kann in eine bestimmte Richtung losmarschieren. So ein menschlicher Kompass besteht aus Parametern wie "arm und reich", "schlank und dick" oder "schön und hässlich". Er ist für jeden Menschen individuell. Er ist erlernt, anerzogen, erfahren. Und er ändert sich im Laufe eines Lebens.

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Und dann ereilt uns Anfang 2020 die Corona-Pandemie. Ausnahmesituation. Schulen und Geschäfte schließen, viele Menschen gehen in Kurzarbeit, einige verlieren ihre wirtschaftliche Existenz. Viele Regeln des täglichen Zusammenlebens ändern sich. Unsere Kompassnadeln rotieren heftig, die Welt gerät ein Stück weit aus den Fugen.

Wir machen also Anfang 2020, was menschlich ist: Wir versuchen zu lernen. Orientieren uns an Erkenntnissen von Wissenschaftlern, an Aussagen von Politikern, an Berichten von Journalisten oder eben an Social-Media-Beiträgen anderer Menschen. Doch die Wissenschaftler, Politiker und Journalisten lernen selbst gerade erst, die Pandemie zu verstehen. Das ist für alle neu, ungewohnt und manchmal irritierend. "Auf Sicht fahren" wird zu einer nicht nur von Bundeskanzlerin Angela Merkel häufig verwendeten Redewendung. Dabei braucht unser menschlicher Kompass Beständigkeit. Wir wollen wissen, in welche Himmelsrichtung wir steuern sollen.

Sieht man sich die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an, kann man feststellen: Zumindest das Regelwerk wird einfacher, das hilft unserem menschlichen Kompass. So soll nun die 3G-Regel (einfacher Begriff!) ausgeweitet werden auf weitere Lebensbereiche (ebenfalls leicht zu verstehen). Wer nichts vorweisen kann, muss sich künftig die Haare lang wachsen lassen, kann niemand mehr im Krankenhaus besuchen, nicht ins Schwimmbad gehen und muss den Fernseher dem Fitnessstudio vorziehen. Dazu kommen weitere einfache Merksätze, die vereinfacht lauten: Tests sind nicht mehr kostenlos (mit Ausnahmen). Die Maskenpflicht bleibt bestehen. Die Schutzmaßnahmen in Betrieben bleiben ebenso. Kann man sich merken.

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Doch was ist mit der langfristigen Perspektive? Die MPK stellt fest: Die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" dauert nach ihrer Einschätzung an (auch wenn das der Bundestag beschließen muss). Klingt wie eine alte Schallplatte, bei der die Nadel in einer Rille hängengeblieben ist. Auch in der abschließenden Pressekonferenz wenig dazu, wann denn die "epidemische Lage" endet. Merkel sagte lediglich, man strebe eine Impfquote von 70 bis 75 Prozent der Gesamtbevölkerung an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, die Rechte für Geimpfte würden "im September oder dann danach" besprochen werden müssen. Weil rein juristisch Einschränkungen nicht länger verargumentiert werden könnten.

Es wird also weiter "auf Sicht gefahren".

Die MPK ist auch das falsche Gremium. Es soll dazu dienen, gemeinsame Regeln für die Bundesländer zu finden. Nicht Perspektiven für unseren menschlichen Kompass. Das ist Aufgabe der Regierungskoalition. Doch die ist mitten im Wahlkampf, da packt man die heiklen Themen ungern an, nach dem Motto: Jede Handlung könnte Stimmen kosten.

Vor der Bundestagswahl bleibt es also dabei: Der Druck auf die Ungeimpften wird über den Geldbeutel erhöht, über alles Weitere wird später gesprochen. Bis dahin hängt die Nadel in der Schallplatten-Rille. Dabei muss Merkel eine Sache längst gelernt haben: Die Menschen verlangen danach, dass ihnen eine Perspektive aufzeigt wird, damit sie ihren Kompass ausrichten können. Das ist sie mindestens den rund 60 Prozent Geimpften schuldig.


Streikende Arbeitnehmer erhalten Geld aus der Streikkasse der Gewerkschaft. Bei der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) sind das aktuell 10 Euro pro Stunde, maximal 75 Euro pro Tag. Claus Weselsky und seine Kollegen werden ausgerechnet haben, wie viele Tage sie einen Arbeitskampf finanzieren können.

Ab heute wird also gestreikt. Mit nicht einmal 24 Stunden Vorlaufzeit. Während in elf Bundesländern noch Ferien- und damit Reisezeit ist. Zugleich die Menschen überfüllte Züge aufgrund der Pandemie fürchten. Damit starten Weselsky und seine 37.000 Mitglieder wohl in den unpopulärsten Streik seit vielen Jahren.

Lässt sich so ein Arbeitskampf gegen die öffentliche Stimmung durchhalten? Solange GDL-Chef Weselsky nicht um seinen Posten fürchten muss auf jeden Fall. Die öffentliche Meinung war ihm jedenfalls schon beim letzten Bahnstreik herzlich egal.

In diesem Arbeitskampf geht es nicht nur ums Geld, sondern auch darum, dass die GDL als kleinere von zwei Bahngewerkschaften um Mitglieder kämpft – denn nach dem neuen Tarifeinheitsgesetz gilt: Die Bahn muss nur noch den mit der größeren Eisenbahnergewerkschaft EVG ausgehandelten Tarifvertrag anwenden. Dagegen klagt die GDL, nach eigenen Angaben bis vor das Bundesverfassungsgericht. So lange bleibt Weselsky noch Zeit, Mitglieder von der EVG abzuwerben. Denn bleibt die GDL die kleinere Gewerkschaft, wäre ihr die Geschäftsgrundlage entzogen.

Flinke Kollegen von der Wirtschaftswoche haben schon mal recherchiert, wie lange die GDL den Streik finanziell durchhalten kann. Möglicherweise nicht zu allzu lange. Weselsky selbst hat für Gerüchte gesorgt, dass die Streikkasse nicht gut gefüllt sein könnte. Er wollte wegen finanzieller Probleme im vergangenen Jahr Kurzarbeitergeld für seine Gewerkschafter beantragen.


Kurz vor Mitternacht herrschte gestern Gewissheit. Lionel Messi hat einen Vertrag bei Paris Saint-Germain (PSG) unterschrieben. "Ich freue mich darauf, in Paris ein neues Kapitel meiner Karriere zu beginnen", wurde Messi in einer Mitteilung des Clubs zitiert.

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Der Mann ist immerhin sechsmaliger Weltfußballer, in Paris kann man also stolz über die Verpflichtung sein. 34 Jahre ist Messi jetzt alt, zwei Jahre läuft sein Vertrag bei PSG.

Gefeiert wurde er von Fans wie ein Heilsbringer. Und er ist längst nicht der Einzige: Der Pariser Klub hat neben Messi weitere Superstars wie Neymar, Kylian Mbappe oder Sergio Ramos unter Vertrag. Die PSG-Weltauswahl hat damit die Chance, endgültig in die Fußstapfen des Rekord-Europapokalsiegers Real Madrid zu treten.


Was lesen?

Über ein Jahr war Fußballstar Mario Gomez von der Bildfläche verschwunden. Nun ist er zurück – als TV-Experte. Mein Kollege Noah Platschko hat mit ihm gesprochen, über sein Karriereende, seine neue Aufgabe und was er heute denkt über die harsche Kritik von Mehmet Scholl ("Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wund liegt") aus dem Jahr 2012.


Übermorgen vor 60 Jahren, am 13. August 1961, begann die DDR mit dem Bau der Mauer. In Vergessenheit geraten ist der dröhnende akustische Schlagabtausch, der während der Teilung in Ost- und Westberlin ausgeführt wurde. Ausgeführt mit hochgerüsteten Spezialfahrzeugen, die für Ohrenrauschen dies- und jenseits der Mauer sorgten. Mein Kollege Marc von Lüpke erzählt die Geschichte des Lautsprecherkriegs, vom "Studio am Stacheldraht" und den "Roten Hugos".


Geimpft und trotzdem infiziert? Statistisch gesehen nehmen die Impfdurchbrüche zu. Haben wir die falschen Impfstoffe? Ja, sagt Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen. Er entwickelt neue Vakzin-Typen. Wie diese funktionieren und welche Vorteile sie bieten, hat er meiner Kollegin Christiane Braunsdorf erklärt.


Was mich amüsiert

Die Solidarität mit den streikenden Lokführern verhält sich entgegengesetzt proportional zur Länge der Stau-Kilometer.

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Mittwoch. Morgen schreibt Florian Harms wie gewohnt an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de

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