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Jogi Löws Weg ist zu Ende. DFB-Elf ist ein Trümmerhaufen


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Löws Weg ist zu Ende

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 19.11.2020Lesedauer: 8 Min.
Joachim Löw hat viel erreicht, aber jetzt keinen Plan mehr.Vergrößern des Bildes
Joachim Löw hat viel erreicht, aber jetzt keinen Plan mehr. (Quelle: Marcelo Del Pozo/reuters)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

und vielen Dank für die vielen Zuschriften. Ihr Lob und Ihre Kritik helfen uns in der Redaktion, unser Angebot ständig für Sie weiterzuentwickeln. Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Hinten flitzte der unermüdliche Philipp Lahm umher. In der Mitte warf sich Bastian Schweinsteiger unter Schmerzen in jede Bresche. Vorne roch der alte Fuchs Miro Klose einen Ball schon, bevor der angesegelt kam. Und dann rein das Ding, zack! So geht das, das waren Helden! Fußballer, die den Kampf noch ernst nahmen und die Moral auch dann behielten, wenn sie mal hinten lagen. Echte Typen, von Millionen Fans vergöttert, von Gegnern gefürchtet, selbst der Herrgott hat bestimmt keines der Spiele der Weltmeisterschaft zwovierzehn verpasst. Diese Dramatik, Himmelherrgottnochmal, wunderbar!

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Was ist von der Herrlichkeit der deutschen Fußballnationalmannschaft geblieben? Ein Trümmerhaufen. Eine Gurkentruppe. Ein Haufen desorientierter Millionäre, die weder ein Team noch Vorbilder sind, obwohl sogar der eine oder andere aus der guten alten Zeit noch mitkicken darf. Es ist ein Elend, und gestern Abend haben wir es in seiner quälenden Schonungslosigkeit vorgeführt bekommen. 0:6 (null zu sechs!) hat sich das deutsche Team von Spanien abschießen lassen. Die höchste Niederlage für den DFB seit fast 90 Jahren. Jogi Löws Zeitlupenkicker konnten froh sein, dass ihnen die Spanier nicht auch noch die Hosen auszogen. Verdient hätten sie’s gehabt, so blank schlurfte die bundesdeutsche Fußballelite auf dem Rasen herum.

Die Abwehr: Trabte kopflos von A nach B und sah staunend zu, wie die Gegner den Ball über C und D ins T tricksten. Das Mittelfeld: War es überhaupt anwesend in Sevilla? Von den angeblichen Führungskräften wie Toni Kroos und İlkay Gündoğan war nichts zu sehen. Der hochgelobte Turboangriff mit Timo Werner, Serge Gnabry und Leroy Sané: coole Frisuren, aber Pudding in den Beinen. Welch eine Schmach. "Eine der klarsten Niederlagen meiner Karriere, es tat weh", nuschelte Herr Kroos hinterher. "Wir haben das Spiel komplett vergeigt. Das ist einfach nur bitter und enttäuschend", murmelte Herr Neuer. Wohin man auch schaute in der deutschen Delegation: hängende Köpfe und noch tiefer hängende Mundwinkel. Nur zwei Herren scheint das Debakel noch nicht genug zu schmerzen: Bundestrainer Löw und Bundesirgendwas Bierhoff wollen weitermachen wie bisher. "Das Vertrauen ist da, daran ändert auch dieses Spiel nichts", verkündete letzterer. Der Oli. Würde wohl auch dann noch rosarote Wolkenkuckucksheime malen, wenn seine Jungs null zu sechzehn gegen Timbuktu verlören. Wird schon wieder, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Eine Mischung aus Ideenlosigkeit, Überheblichkeit und Schönfärberei: Das ist die Haltung der DFB-Anführer im Jahr 2020.

Einer der Helden von früher hat eine bessere Idee: Weltmeister Bastian Schweinsteiger machte sich gestern Abend für eine Rückkehr seiner Ex-Kameraden in die Nationalmannschaft stark. "Ich weiß, dass solche Spieler wie Jérôme Boateng oder Thomas Müller mit dem FC Bayern München das Triple gewonnen haben. Sie sind die beste Mannschaft Europas. Die spielen in der ersten Elf, die haben Qualität. Warum nicht für die Nationalmannschaft?" Wirklich eine gute Frage. Aber nicht nur die kann man jetzt stellen.

"Die Wurstigkeit, mit der Deutschlands offizieller Bundestrainer drei seiner wichtigsten Spieler vor die Tür gesetzt hat, macht sprachlos", schrieb ich vor anderthalb Jahren, als Herr Löw die altgedienten Stars Müller, Boateng und Hummels aus der Nationalmannschaft warf. "Falls die Planlosigkeit nun auch noch in der EM-Qualifikation zu größeren Patzern führen sollte, hätten die anderen 82 Millionen Bundestrainer jedes Recht, einen echten Neuanfang zu fordern." Man soll sich ja nicht wiederholen, weil das schnell langweilig wird, aber heute erlaube ich mir als einer von 82 Millionen inoffiziellen Bundestrainern mal eine Ausnahme: Es ist allerhögschde Zeit für einen Neuanfang beim DFB, auch in den beiden wichtigsten Ämtern. Der Jogi und der Oli haben viel für den Sport geleistet – früher. Aber jetzt sollten sie sich in Freiburg und Starnberg auf die Couch setzen und in der Glotze zusehen, wie neue Anführer die Nationalelf bis zur Europameisterschaft im Sommer wieder in Form bringen. Kann bitte mal jemand den Jürgen in Liverpool und den Bastian anrufen?


WAS STEHT AN?

Bundestag und Bundesrat entscheiden heute über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Sie regelt, welche Maßnahmen die Landesregierungen und Behörden zum Schutz gegen das Coronavirus verordnen dürfen – Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht und so weiter.

Aus ganz Deutschland wollen Demonstranten anreisen, um gegen das Gesetz zu protestieren, darunter viele Anhänger des Verschwörungsextremisten Attila Hildmann. In den einschlägigen Chatgruppen auf Telegram haben sie sich seit Tagen eingestimmt: Das werde heute "der wichtigste Tag nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt", ist dort zu lesen. Das Volk werde sich "gegen Merkels Corona-Diktatur erheben", die Demonstranten sollten aber vorsichtig sein, denn: "Der genverändernde Impfstoff der Firma Biontech soll per feinster Nebelsprühanlage vor dem Reichstag versprüht werden! Also gut aufpassen. Am besten mit Gasmaske kommen." Doch, das steht dort wirklich, und einiges mehr. Nun könnte man sich fragen, was in den Hirnen dieser Leute falsch verkabelt ist – oder man kennt die echte Wahrheit. Es ist nämlich alles noch viel schlimmer. Heute Vormittag wird ein Ufo mit Außerirdischen vor dem Reichstag landen und die Demonstranten mit Abermillionen Atemmasken bewerfen. Könnt ihr mir glauben, echt wahr. Hab ich auf Telegram gelesen.


Wieso erstarkt der Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft? Weil der extremen Rechten mittels Verschwörungsmythen, Antisemitismus und Antifeminismus der Anschluss an die gesellschaftliche Mitte gelingt – sagen Forscher der Universität Leipzig. Heute Vormittag stellen sie ihre Studie "Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität" vor. Eine wichtige Lektüre.


"Money, Money, Money" trällerte die schwedische Band Abba anno 1976, mehr als 450.000 Mal verkaufte sich die Platte hierzulande. Heute ist die Botschaft des Songs präsenter denn je: Geld beschäftigt uns alle, jederzeit – und das nicht nur "in a rich man’s world". Auch wir in der Redaktion von t-online spüren das: Viele unserer lieben Leserinnen und Leser interessieren sich verstärkt für alle Fragen rund ums Geld und die eigenen Finanzen. Wo steht der Dax? Was bedeutet die Wirecard-Insolvenz für Kleinanleger? Wie sorgt man klug fürs Alter vor?

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Seit Jahresbeginn liefern Ihnen meine Kollegen aus unserem Wirtschafts- und Finanzressort Antworten in Nachrichten, Analysen, Interviews, Kommentaren und Ratgebern. Nun erweitern wir unser Angebot, und meine Kollegen Lutz Victor Wengorz, Andreas Grunwald, Thomas Pietsch, Florian Schmidt und Marcel Sagemüller haben viele Monate Arbeit hineingesteckt: Auf der neuen Ressortseite finden Sie ab sofort neben Artikeln und Videos auch praktische Finanzrechner, die Ihnen bei der Geldanlage helfen. Hinzu kommen Kursübersichten zu allen wichtigen Finanzwerten. Es ist nämlich so, wie unser Wirtschaftsressortleiter Florian Schmidt es formuliert: Wir alle sollten mehr über Geld wissen, damit man nicht von Bankberatern über den Tisch gezogen wird.


Wir leben in lauten Zeiten. Auf Twitter wütet noch immer der Donald, vor der Haustür überall Corona, quer durch Europa Alarmmeldungen, Lockdowns und Infektionsrekorde. So viel ist los an allen Ecken und Enden, dass man die dünne Rauchsäule, die fern am Horizont aufsteigt, kaum zur Kenntnis nimmt: In einem Teil der Welt, der normalerweise wenig Aufmerksamkeit bekommt, brennt es lichterloh. Die Menschen dort schenken der Kakophonie unserer Nachrichten längst kein Gehör mehr. US-Wahl? Wen interessiert's. Corona? Ja, schon, aber wir haben drängendere Probleme! Äthiopien heißt das Land, das mit 110 Millionen Einwohnern zu den Schwergewichten seiner Weltregion gehört, von mehreren instabilen Staaten umgeben ist – und sie nun alle mit in die Katastrophe reißen könnte. Am Horn von Afrika hat ein neuer Bürgerkrieg begonnen.

Für eine kurze Weile erschien Äthiopien als Zeichen der Hoffnung in Afrika. Es ist noch nicht mal ein Jahr her, dass Premierminister Abiy Ahmed in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennahm, für den historischen Friedensschluss mit dem Erzfeind Eritrea. Überhaupt schien der Mann alles richtig zu machen. Dissidenten? Aus dem Gefängnis freigelassen. Opposition? Erlaubt. Die korrupte Clique, die das Land Jahrzehnte lang beherrschte? Aus ihren Ämtern gedrängt. Auf den Straßen der Hauptstadt Addis Abeba jubelten die Menschen ihrem Hoffnungsträger zu. Es war ein bisschen wie im Märchen – allerdings eines, in dem sich der Wolf und die Hexe nur etwas Zeit gelassen haben, bis sie die Bühne betreten. Denn die neue Freiheit ebnete auch finsteren Akteuren den Weg. Kleine Parteien mit großen Ambitionen verschafften sich Zulauf, indem sie im Vielvölkerstaat Äthiopien für ihre eigene Volksgruppe und gegen die anderen hetzten.

Die autokratische Clique von einst hatte allen Grund, die Rivalitäten der Ethnien unter Kontrolle zu halten. Denn die Männer an den Schalthebeln der Macht gehörten fast alle zu den Tigray, einem Volk, das im Norden Äthiopiens lebt und gerade mal ein Zehntel der Gesamtbevölkerung ausmacht. Premier Abiy Ahmed hingegen gehört zu den Oromo, der größten Volksgruppe. Doch er kann sich ihrer Loyalität nicht sicher sein. Auch unter seinen Leuten gibt es viele, denen nach der langen Zeit im politischen Abseits nun das Stück vom Kuchen gar nicht groß genug sein kann. Die Hetzer tun auch dort ihr Werk. Pogrome und Unruhen begleiten Abiys Regierungszeit. Der Premier behauptet, die Strippenzieher aus dem alten Regime steckten dahinter, die Anführer der Tigray. Denkbar ist es. Beweise gibt es nicht.

Und so ist aus dem Friedensengel Abiy ein Krieger geworden. Im Norden, dem Land der Tigray, ist die Schlacht nun in vollem Gang. Auf beiden Seiten sind neben regulären Truppen auch gefürchtete Milizen im Einsatz. Amnesty International berichtet von einem Massaker mit Äxten und Macheten, Zehntausende sind auf der Flucht. Man munkelt, der Diktator im Nachbarland Eritrea mische sich in den Konflikt ein, um alte Rechnungen mit den Tigray zu begleichen. Das Beben in Äthiopien beginnt die ganze Region zu erfassen.

Ja, wir sind sehr beschäftigt mit dem Donald und Corona, und die Wirren am Horn von Afrika könnten kaum weiter entfernt sein. Aber vielleicht werden wir in einiger Zeit wieder mehr verzweifelte Menschen an den Toren Europas pochen hören – und uns wundern, wie das denn nun auf einmal wieder kommt. Dann wird man viel über den Wert von Prävention, rechtzeitiger Hilfe und Entschärfung von Konflikten in den Herkunftsländern der Flüchtlinge hören. Aber dann könnte es wieder einmal zu spät sein.


In Hamburg will der 61-jährige Kampfsportler Muhamed Kahrimanovic heute einen Weltrekord aufstellen, indem er so viele Kokosnüsse wie möglich innerhalb einer Minute mit der Hand zerschlägt. Doch, das gibt es wirklich. Sieht so aus.


WAS LESEN?

Sandro Wagner gilt als Klartexter. Zum Ende seiner Karriere hat der Ex-Nationalspieler unserem Sportchef Robert Hiersemann bemerkenswerte Einsichten zu den Wurzeln gesellschaftlicher Probleme in Deutschland erzählt.


In Berlin herrschte gestern Aufregung: Polizisten nahmen drei Mitglieder der Großfamilie Remmo fest und fahnden nach zwei weiteren – sie werden verdächtigt, den Millionen-Kunstdiebstahl in Dresden begangen zu haben. Unser Rechercheur Jonas Mueller-Töwe zeigt Ihnen, was diese Familie schon alles auf dem Kerbholz hat.


Seit zwei Wochen ist der Teil-Lockdown in Kraft. Neue Daten zeigen alarmierende Entwicklungen in vielen Landkreisen – aber in zwei Bundesländern auch einen erfreulichen Trend, wie meine Kollegen Philip Friedrichs, Adrian Röger und Laura Stresing berichten.


WAS AMÜSIERT MICH?

Das Coronavirus wird über winzige Tröpfchen übertragen, vor allem beim Sprechen. Höchste Zeit also, dass wir endlich unsere Aussprache verändern!

Ich wünsche Ihnen einen fidelen Tag. Morgen schreibt Peter Schink den Tagesanbruch für Sie, ich melde mich am Freitag wieder bei Ihnen.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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