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Tagesanbruch: Corona-Demo in Berlin – an Rücksichtslosigkeit nicht zu überbieten


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Was heute wichtig ist
An Rücksichtslosigkeit nicht zu überbieten

  • Florian Wichert
MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 03.08.2020Lesedauer: 8 Min.
Proteste in Berlin: Wegen Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen musste die Demo am Ende abgebrochen werden.Vergrößern des Bildes
Proteste in Berlin: Wegen Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen musste die Demo am Ende abgebrochen werden. (Quelle: reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier kommt der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es waren die Bilder des Wochenendes, wenn auch keine schönen: Tausende Demonstranten auf der Straße des 17. Juni in Berlin. Ohne Abstand. Ohne Masken. Impfgegner, Corona-Leugner, Rechtsradikale, Hippies. Alle vereint im Protest gegen Corona-Maßnahmen unter dem Motto "Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit", iniziiert von der Initiative "Querdenken 711".

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Vollkommen absurd: Die Angaben des Veranstalters, denen zufolge 800.000 bis 1,3 Millionen Menschen da waren. Tatsächlich kamen laut Polizei 17.000 bis 20.000. Die Polizei brach die Veranstaltung letztlich zurecht ab, weil sich niemand an die Regeln hielt. Später gab es bei anderen Protesten, unter anderem gegen die Räumung einer linken Szene-Kneipe, heftige Ausschreitungen in Berlin-Neukölln oder später in Prenzlauer Berg. Insgesamt gab es in Berlin 45 verletzte Polizisten, 133 Festnahmen und 89 eingeleitete Strafermittlungsverfahren sowie 36 Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Die Hauptstadt in Aufruhr.

Und die Frage: Darf man überhaupt darüber berichten und damit diesen Uneinsichtigen und Radikalen eine Bühne bieten, wie es schon im Vorfeld vielerorts diskutiert wurde?

Das Wochenende hat gezeigt: Natürlich muss man darüber berichten. Selbstverständlich muss man mit den Teilnehmern der Demo sprechen, wie es mein Kollege Florian Schmidt getan hat. Auf jeden Fall muss man über die wüsten Pöbeleien und Angriffe auf Journalisten berichten, wie es meine Kollegin Janna Halbroth getan hat, nachdem ZDF-Journalistin Dunja Hayali ihre Reportage aus Sicherheitsgründen abbrechen musste. Und auch über die möglichen Folgen, weil die Demo schon jetzt eine politische Debatte über härtere Strafen gegen Corona-Regelverstöße ausgelöst hat.

Und natürlich kann man trotzdem feststellen, dass eine Zusammenrottung in dieser Form an Rücksichtslosigkeit nicht zu überbieten ist. Und dass sich selbst die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die an der Demo teilgenommen haben, fragen müssen, wem sie sich da angeschlossen haben.


Es war eine historische Mission. Zwei Monate nach dem ersten bemannten Start des von der Privatfirma SpaceX entwickelten Raumschiffs "Crew Dragon" zur ISS sind die US-Astronauten Robert Behnken und Douglas Hurley gestern Abend mit der Kapsel "Endeavour" im Golf von Mexiko vor der Küste Floridas gelandet, wie Live-Aufnahmen der Nasa zeigten.

Die beiden waren Ende Mai vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida aus gestartet. Nach fast neunjähriger Pause war es das erste Mal, dass Astronauten von den USA aus zur ISS flogen, und das erste Mal, dass sie von einem privaten Raumfahrtunternehmen befördert wurden. SpaceX hatte zuvor nur Fracht zur ISS transportiert. Mehr Infos dazu finden Sie hier.


In der Politik tritt für gewöhnlich erst zurück, wer keinen anderen Ausweg mehr sieht. Wer in eine Affäre verstrickt ist, Amt oder Kontakte für private Zwecke genutzt hat, wem das Wasser bis zum Hals steht. Oder wer einfach zu alt ist. Für andere Branchen gilt das nahezu genauso. In der Wirtschaft? Nimmt ein erfolgreicher Manager gern noch so viele Millionen mit wie möglich. In der Unterhaltungsbranche? Wird gesungen und moderiert, bis man von der Bühne fällt. Im Sport? Macht man erst Schluss, wenn die Knochen morsch sind und so langsam niemand mehr hinschauen mag.

Umso überraschender kam nun eine Serie von Rücktritten im Fußball. In nur zwei Wochen haben gleich drei deutsche Fußballhelden ihre Karrieren beendet – in einem Alter, in dem man das als Fußballer eigentlich noch nicht tut.

"Ich habe gemerkt, wie krass es mich erfüllt hat, meinen Sohn hautnah zu erleben. Da wurde Fußball plötzlich so unwichtig für mich." Benedikt Höwedes, Weltmeister, Karriereende mit 32.

"Ich brauche keinen Beifall mehr." André Schürrle, Weltmeister, Karriereende mit 29.

André Schürrle hatte Deutschland mit seiner Torvorlage für Mario Götze 2014 zum Weltmeister gemacht. Benedikt Höwedes war bei dem Turnier der einzige Feldspieler neben Philipp Lahm, der alle sieben Spiele über 90 Minuten absolvierte. Und Sandro Wagner hatte es im Herbst seiner Karriere noch zum FC Bayern und in die Nationalmannschaft geschafft. Er machte gestern als Letzter der drei Schluss.

Die Motive? Sind bei allen gleich: Mehr Zeit für die Familie, keine Lust mehr auf den Druck und Stress des Geschäfts, das immer weniger Platz für Schwächen und Menschlichkeit lässt. Rente mit 30 – so könnte man den Trend nennen, der womöglich auch vor weiteren Fußballhelden wie dem Siegtorschützen von 2014, Mario Götze, nicht Halt macht.

Die Reaktionen auf so ein frühes Karriereende lassen sich in der Regel in zwei Lager teilen.

Lager eins zeigt Verständnis. Es zollt den Zurückgetretenen Respekt. Zu solch einer Entscheidung gehört eine große Portion Mut. Und natürlich ist sie richtig, schließlich gehen Familie und private Interessen ganz sicher vor. Warum sollte man sich den Stress und Druck weiter antun, wenn man doch ohnehin keine finanziellen Sorgen mehr hat?

Lager zwei zeigt kein Verständnis. Wie kann man sein Talent nur so wegwerfen? Das zeugt von Bequemlichkeit und fehlendem Biss. Offensichtlich ist hier jemand dem Druck einfach nicht gewachsen und beschreitet lieber den Weg des geringeren Widerstands. Oder wie Rudi Völler, Weltmeister von 1990, einmal formulierte: "Wer sowas macht, hat den Fußball nie geliebt. Wenn einer so früh aufhört, ohne verletzt zu sein, das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Sportinvaliden oder für jeden Jugendlichen, der immer noch Fußballprofi werden will."

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"Warum schreibt der das alles?", mögen Sie fragen.

Weil diese Diskussion nicht nur ein Phänomen des Sports ist.

Gerade jetzt, unter den Eindrücken von Kurzarbeit, Homeoffice und während der Diskussion über den Vorschlag einer Vier-Tage-Woche von Linken-Chefin Katja Kipping, stellen sich viele die Frage: Kann ich es mir – gerade finanziell – leisten, meine Prioritäten langfristig zu verschieben und womöglich weniger zu arbeiten? Weg vom Stress, Druck und den Herausforderungen im Arbeitsalltag – hin zu mehr Freizeit und Familie?

Und auch diese Diskussionen um solche Arbeitszeitmodelle haben zwei Seiten. Weniger Arbeitszeit und mehr Zeit für Kinderbetreuung, Hobbys, Freunde – das kann womöglich zu einer höheren Zufriedenheit, weniger Stress und damit auch zu einer besseren Gesundheit und höheren Produktivität führen. Auf der anderen Seite sehen Experten eine große Gefahr. Wo weniger gearbeitet wird, wird am Ende auch weniger produziert. In vielen Branchen ist das nur mit mehr Personal auszugleichen, was an vielen Stellen unrealistisch ist.

Ob Lehrer, Autolackierer, Manager oder Postbote: Viele Menschen wünschen sich mehr Zeit für Familie und private Interessen – nicht überall ist das so einfach umzusetzen wie beim Fußball, gerade jetzt in der Corona-Krise.


WAS STEHT AN?

Heute beginnt das große Zittern, heute beginnt das neue Schuljahr im ersten Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern. Auch wenn es hier kaum Neuinfektionen gibt, bleibt doch die bange Frage: Kann bei 150.000 Schülern und 13.000 Lehrkräften der Infektionsschutz gewährleistet werden? Oder drohen die Schulen zu Corona-Hotspots zu werden? Wenn nicht in Mecklenburg-Vorpommern, dann vielleicht in Hamburg, wo am Donnerstag die Schule beginnt? Im zweiten Bundesland also – in dem auch die Infektionszahlen höher sind als in Mecklenburg-Vorpommern?

Dort hat das Bildungsministerium einen neunseitigen Hygieneplan entwickelt. An den Grundschulen sollen jedem Schüler mindestens vier Stunden Unterricht am Tag garantiert sein, an den weiterführenden Schulen mindestens fünf.

Hygienepläne gibt es einige in Deutschland. Die Frage ist, ob sie funktionieren. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek plädierte deshalb in der "Welt am Sonntag" sicherheitshalber noch für eine Maskenpflicht an Schulen. Es sei zwar nachvollziehbar, "wenn Länder auf Abstandsregeln in den Schulen verzichten wollen, weil die räumlichen Bedingungen ansonsten nur eingeschränkt Präsenzunterricht zulassen würden. Dennoch wird der Präsenzunterricht nur dann funktionieren können, wenn weitere Regelungen zur Hygiene, zum Tragen von Schutzmasken sowie zum Abstandhalten auf dem Schulhof und auf den Fluren strikt eingehalten werden."

Eine reichlich späte Erkenntnis, einen Tag vor dem Start der Schule im ersten Bundesland. Zumal mit Berlin, Bayern und Baden-Württemberg erst drei Länder eine Maskenpflicht angekündigt haben. Gerade bei jüngeren Schulkindern ist zudem sehr fraglich, ob diese wirklich praktikabel ist.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hatte zuletzt gesagt, er befürchte ein "großes Durcheinander" an deutschen Schulen. Es sieht aus, als würde er recht behalten.


Spannend: In Dresden werden auf einer Pressekonferenz um 13 Uhr die Ergebnisse der Corona-Schulstudie in Sachsen vorgestellt – es ist die bislang größte Studie an einer Zielgruppe von Kindern im Alter von 1 bis 18 Jahren. In den Monaten Mai und Juni wurden mehr als 2.300 Blutproben und 2.600 Rachenabstriche von Schülern und Lehrern aus Grundschulen und weiterführenden Schulen in Leipzig, Dresden, Zwickau, Borna sowie Werdau genommen und untersucht. Zusätzlich werden erstmalig wissenschaftliche Ergebnisse zu den psychosozialen Auswirkungen von Schulschließungen auf die Kinder präsentiert. Im Anschluss wird Kultusminister Christian Piwarz von der CDU die Ergebnisse der Studie mit Blick auf den Schulstart im Normalbetrieb einordnen.


Für Italien und insbesondere die Stadt Genua ist heute ein guter Tag. Um 18.30 Uhr wird die neue Autobahnbrücke feierlich eingeweiht. Womöglich erinnern Sie sich an die schlimmen Bilder aus dem August 2018, als die Morandi-Brücke einstürzte und 43 Menschen in den Tod riss. Wahrscheinlich aufgrund von Baumängeln. Ab Mittwoch soll die neue Brücke dann normal befahrbar sein.


Mit nur 34 Jahren wurde Hans-Jochen Vogel 1960 Oberbürgermeister von München. Anschließend brachte er den Stadtentwicklungsplan auf den Weg, auf den der ausgedehnte Fußgängerbereich im Stadtzentrum oder auch die Planung des öffentlichen Personennahverkehrs mit dem S- und U-Bahn-Netz zurückgehen. Heute findet nun die Trauerfeier für den ehemaligen SPD-Vorsitzenden in München statt – mit prominenten Gästen wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), dem SPD-Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans sowie Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Vogel war am 26. Juli im Alter von 94 Jahren gestorben.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Keine Umarmungen, keine Küsse, keine Nähe. Aber: Auch kein Händewaschen, kein Mund-Nase-Schutz, keine sichtbaren Hygienemaßnahmen. Womöglich haben Sie sich bei einer TV-Serie in den vergangenen Wochen auch schon mal gewundert und sich gefragt: Was ist da eigentlich los? Existiert Corona auch bei "Sturm der Liebe" oder "Rote Rosen"? Oder etwa nicht? Und warum eigentlich? Meine Kollegin Janna Halbroth ist den Fragen nachgegangen und sieht den Umgang mit der Pandemie im Fernsehen äußerst kritisch.


Marco Reus ist einer der besten Fußballer, die Deutschland hat. Kapitän von Borussia Dortmund, dem zweitgrößten Verein in Deutschland. In 266 Spielen für seinen Verein hat er 129 Tore geschossen – eine grandiose Quote. Er ist Nationalspieler und hat einen Zauberfuß.

Wären da bloß nicht diese Verletzungen.

Syndesmoseanriss, Muskelfaserriss, Schambeinentzündung, Sehneneinriss in den Adduktoren, Teilriss des hinteren Kreuzbandes – seine Verletzungshistorie liest sich wie ein Ausschnitt aus einem Lehrbuch für Sportmediziner. Nur bei 57 Prozent der Spiele, die er hätte absolvieren können, stand er auch tatsächlich auf dem Platz. Er wäre heute Weltmeister, hätte er sich 2014 nicht kurz vor dem Turnier in Brasilien verletzt. Nun fällt er wieder aus und stellt seinen Verein damit zum heutigen Trainingsauftakt vor eine ganz entscheidende Frage. Unser Sportchef Robert Hiersemann und ich diskutieren sie im "Zweikampf der Woche".


Die USA und Brasilien bleiben die weltweiten Corona-Hotspots. Doch um die Corona-Lage in einem Land einschätzen zu können, empfehlen Datenexperten, neben den Todeszahlen und der Anzahl der Neuinfektionen auch die Rate der positiven Tests mit in Betracht zu ziehen. Wie die Analyse dieser Daten im Gesamten ausfällt und wie Deutschland dabei abschneidet, haben Hanna Klein und Axel Krüger für Sie in einer Animation aufbereitet.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ein Corona-Leugner hat es nicht leicht.

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Start in die Woche. Morgen schreibt an dieser Stelle wie gewohnt Florian Harms.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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