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HomeUnterhaltungTVKolumne - Janna Halbroth

Corona-Maßnahmen in TV-Serien? Lieblose Umsetzung


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

Eskapismus hin oder her
Wie lieblos TV-Sender die Corona-Maßnahmen umsetzen

MeinungEin Kommentar von Janna Halbroth

Aktualisiert am 03.08.2020Lesedauer: 4 Min.
"Gute Zeiten, schlechte Zeiten": So einen Körperkontakt gibt es derzeit in der Serie nicht.Vergrößern des Bildes
"Gute Zeiten, schlechte Zeiten": So einen Körperkontakt gibt es derzeit in der Serie nicht. (Quelle: TVNOW / Bernd Jaworek)
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Keine Umarmungen, keine Küsse: In der Pandemie achten die Serienmacher auf die Abstands-Regeln. Das ist gut! Aber sie nehmen auch Abstand vom Menschenverstand der Zuschauer.

Wer in diesen Tagen den Fernseher anschaltet, sieht in den Soaps Menschen, die erfolglos das echte Leben nachahmen. Denn: Zum echten Leben gehören mittlerweile auch Masken und Abstand. Die Strahlemänner und -frauen unserer Lieblingsserien halten zwar auch Abstand, Corona gibt es im Serienuniversum allerdings nicht. Die Pandemie wird ignoriert. Warum eigentlich?

Wer die harte Realität sehen will, der schaut Nachrichten oder echte Dokumentationen. Formate wie "Unter uns", "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", "Rote Rosen" oder "Sturm der Liebe" liefern da einfache 30 Minuten zum Wegträumen in eine Welt, die augenscheinlich vorheuchelt, sie sei die echte – nur eben mit viel mehr Drama, Intrigen und Herzschmerz.

Keine Zeit zum Händewaschen

Es ist unser gutes Recht, uns für einige Momente in eine Welt davonzustehlen, in der grundsätzlich das Glas noch halbvoll ist, wenn man den Restauranttisch verlässt. Oder in der wir so gut wie nie ein Badezimmer sehen, weil in einem Leben, in dem ein Mensch gleich mehrere tragische Schicksale erlebt, Wunder wahrmachen kann oder unfassbaren Zufällen begegnet, einfach kein Platz bleibt für so etwas Banales wie der Gang zum Klo. Das Soap-Geschehen hat zwar im Namen den Begriff Seife, aber Händewaschen ... tja, da gibt es wirklich Wichtigeres. Auch in Zeiten von Corona, oder doch nicht?

Das TV-Leben läuft konzentriert ab. Auf ein Hoch folgt immer auch ein Tief. Nie aber würde es ebenerdig und langweilig verlaufen, denn das kennen wir ja meistens ohnehin schon von uns selbst. Trotzdem brüsten sich die Formate schon seit Anbeginn ihrer Zeitrechnung damit, aktuelle gesellschaftliche Themen widerzuspiegeln. Homosexualität, Fremdenfeindlichkeit – das alles findet eigentlich nur allzu gern in unseren Lieblingssoaps statt, weil es wichtig ist, thematisiert zu werden. Nicht selten konzentriert sich nebenbei bemerkt alles auf einen Charakter – in kürzester Zeit natürlich. Aber das nehmen wir hin, weil wir ja wissen, es ist nicht das echte Leben. Eskapismus nennt man das in Fachkreisen: das Flüchten in eine Scheinwelt.

Masken und Abstand gehören jetzt zum Leben dazu

In Zeiten von Corona brauchen wir solche Ausflüchte mehr denn je, heißt es. Jedoch ist ein Bezug zur realen Welt immer noch wichtig. Wir wollen Ausgedachtes, das transportiert wird in unsere bestehende Gesellschaft. Zu der gehören derzeit weltweit aber nun einmal auch Masken und Abstand. Wir kommen uns doch vielmehr auch ganz schön veralbert vor, wenn bei GZSZ auf einer Beerdigung zum Trösten niemand umarmt wird, das aber nicht mit Corona begründet, sondern gänzlich offen gelassen wird. Wenn Ute und Till bei "Unter uns" endlich wieder knutschen, die Szene aber kurz vorm Andocken der Zungen abgeschnitten wird, dann nervt das einfach. Und wenn das Hotelpersonal bei "Sturm der Liebe" bei einer Teambesprechung unnatürlich weit weg voneinander steht, dann stört das sogar.

Das alles könnte man erklären, wenn man Corona in den Sendungen thematisiert. Aber die Pandemie existiert bei GZSZ und Co. nicht. Man will zum einen nicht zu realistisch werden und sich zum anderen nicht das Geschäft mit den Wiederholungen versauen. Man möchte es vermeiden, dass Lischen Müller enttäuscht ist, wenn sie in drei Monaten die Wiederholungen von "Rote Rosen" sieht und da noch immer die Rede von Corona ist, obwohl wir möglicherweise im unwahrscheinlichsten Fall die Krise längst überstanden haben.

Ja, es stimmt. Niemand will bei "Sturm der Liebe" wissen, wie die echten Probleme eines Hotelbetriebes sind, sondern sich lieber über die teilweise an den Haaren herbeigezogenen Intrigen am Fürstenhof erfreuen. Wir wollen Strumpfhosenmörder, Geschwister, die versehentlich heiraten, Zwillinge von verschiedenen Vätern und explodierende Restaurants.

Fehlende Vorbildfunktion

Aber wir wollen doch trotzdem nicht für blöd verkauft werden. Wenn die Charaktere sich nicht mehr berühren, dann stößt einem das bitter auf, weil es keinen Zusammenhang zur Geschichte hat. Außerdem fällt es den Menschen sicherlich viel leichter, sich an Masken und Abstand zu gewöhnen, wenn es ihnen auch in der täglichen Serie vorgelebt wird. Der Verantwortung ihrer Vorbildfunktion kommen die Sendungen so nicht nach.

Dabei konnten sie es einst besser. Als vor etlichen Jahren einmal bei GZSZ eine Schauspielerin ausgetauscht wurde, dachte man sich eine hanebüchene Geschichte aus. Ihre Serienfigur erlitt einen schrecklichen Unfall. Sie musste operiert werden, bekam ein neues Gesicht. Es waren dramatische Szenen, als sie sich nach wochenlanger Wartezeit den Verband vom Gesicht pulte und eine neue Schauspielerin mit anderem Gesicht den Zuschauer anstrahlte. So viel Mühe hat man sich damals noch für eine Neubesetzung einer Rolle gegeben. Und wenn wir eine weltweite Pandemie erleben passiert nichts?

Eine kleine Abhilfe ist mittlerweile geschaffen. Ab sofort sind trotz der Corona-Pandemie keine pauschalen präventiven Quarantänemaßnahmen mehr erforderlich, wie die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) kürzlich mitteilte. Wenn am Set zwei Personen nur kurz miteinander zu tun haben – weniger als 15 Minuten am Tag – reichen allgemeine Hygieneregeln und Eingangskontrollen mit Abfrage von Corona-Symptomen. Wenn sie länger Kontakt haben, ohne den Mindestabstand wahren zu können, kommen in einer weiteren Stufe zwei Corona-Tests pro Woche hinzu. Auf das Ergebnis müssen wir allerdings wohl noch mindestens sechs Wochen warten, da die Serien mit einem gewissen Vorlauf gedreht werden.

Heute werden Rollen unkommentiert umbesetzt und Corona-Regeln durchgebraten, als ob nichts wäre. Auf eine unsagbare Geschichte, die erklären würde, warum sich Ute und Till jetzt gerade nicht küssen können, warten wir vergebens. Die Realität in das Soapgeschehen mit einzubinden und Corona zu behandeln wie jedes andere Thema, das die Gesellschaft beschäftigt, traut man sich nicht. Masken und Abstand werden uns sicherlich noch eine längere Zeit begleiten. Eskapismus hin oder her, die Soaps wirken mit einer Welt ohne Corona unrealistischer und unpassender als jeder Strumpfhosenmörder es wohl je sein könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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