Trotz Parlaments- und Regierungsforderung USA mauern beim Irak-Abzug – Verstoß gegen Völkerrecht?
Iraks Präsident Abdel Mahdi hat die USA aufgefordert, einen "sicheren Abzug" ihrer Truppen zu veranlassen. In Washington will man davon nichts wissen. Doch ein Verbleib wäre ein Verstoß gegen Völkerrecht.
Nach dem irakischen Parlament drängt auch die Regierung des Landes auf einen Abzug der US-Truppen. Der geschäftsführende Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi forderte US-Außenminister Mike Pompeo auf, konkrete Vorbereitungen für den Abzug der 5.200 US-Soldaten zu treffen. Das US-Außenministerium erteilte Gesprächen über die Beendigung des Einsatzes am Freitag jedoch eine Absage.
Iraks Parlament hatte am Sonntag in einer Resolution alle ausländischen Truppen im Irak zum Abzug aufgerufen. Darauf stützte sich Abdel Mahdi am Donnerstagabend in einem Telefonat mit Pompeo. Er forderte nach Angaben seines Büros die US-Regierung auf, eine Delegation nach Bagdad zu entsenden, die den "sicheren Abzug" der US-Truppen organisieren solle.
Washington reagierte darauf mit einer umgehenden Absage. Eine von Abdel Mahdi geforderte US-Delegation würde "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht über einen Abzug der 5.200 US-Soldaten sprechen, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums. Gesandte der USA würden mit der irakischen Regierung lediglich über eine Verbesserung der "strategischen Partnerschaft" beraten.
Irak: Drohnenangriff verletzte Souveränität
Die Aufforderung zum Truppenabzug wird von Bagdad damit begründet, dass die USA die "Souveränität" des Irak verletzt hätten. Der Vorwurf begründet sich vor allem auf den von US-Präsident Donald Trump angeordneten Drohnenangriff, bei dem am Freitag vergangener Woche der mächtige iranische General Ghassem Soleimani und der irakische Milizenführer Abu Mehdi al-Muhandis in Bagdad getötet worden waren. Der Iran antwortete darauf mit einem Angriff auf zwei US-Truppenstützpunkte im Irak.
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Die US-Truppen sind auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der irakischen Regierung aus dem Jahr 2014 im Land, bei der es um den internationalen Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geht. Diese Vereinbarung wurde vom Parlament in Bagdad nie befürwortet.
Maas: Truppenabzug erhöht Anschlagsgefahr
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich besorgt über die Forderungen aus Bagdad nach einem US-Truppenabzug. Dies könne "neue Spielräume" für eine Rückkehr der IS-Miliz schaffen, sagte Maas bei einem Treffen der EU-Außenminister zum Konflikt zwischen dem Iran und den USA in Brüssel. Damit würde nicht nur die Anschlagsgefahr im Irak steigen, sondern "auch in Europa".
Auch Außen-Staatsminister Niels Annen und der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Hans-Peter Bartels (beide SPD), forderten einen Verbleib der Bundeswehr. Ähnlich äußerte sich die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich bereits am Donnerstag für eine Fortsetzung der Bundeswehr-Ausbildungsmission in Irak ausgesprochen.
Verbleib wäre Verstoß gegen Völkerrecht
Dennoch müssten ausländische Truppen den Irak verlassen, wenn die Regierung des Landes einen entsprechenden Beschluss fassen und dieser vom irakischen Präsidenten verkündet werden würde, hieß es in einem am Freitag vorgelegten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Ein Verbleib der ausländischen Truppen im Irak wäre in diesem Fall "eine Verletzung des Völkerrechts". Der Parlamentsbeschluss allein hat nach Einschätzung der Wissenschaftler aber keine bindende Wirkung für die ausländischen Truppen.
Derzeit befinden sich knapp 120 Bundeswehrsoldaten im nordirakischen Erbil auf Posten. Die dortige Ausbildungsmission ist vorerst ausgesetzt. Angesichts der jüngsten Spannungen hatte die Bundeswehr bereits 32 Soldaten aus dem zentralirakischen Tadschi nach Jordanien und drei weitere Soldaten aus der Hauptstadt Bagdad nach Kuwait verlegt.
Die 32 aus Tadschi verlegten Soldaten seien mittlerweile wieder in Deutschland, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos. Die Soldaten befinden sich demnach in einer 96 Stunden langen Rufbereitschaft. Sollten im Irak die "notwendigen politischen Verhältnisse" für eine Rückkehr geschaffen werden, könnten sie ihre Ausbildungsmission wieder aufnehmen.
Erstmals wieder Proteste gegen die irakische Regierung
Im Irak gingen derweil erstmals seit mehreren Tagen wieder tausende regierungskritische Demonstranten auf die Straße. Bei den Protesten sprachen sie sich gegen die Präsenz sowohl des Iran als auch der USA aus.
- Nachrichtenagentur AFP