Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Warum so ängstlich, Herr Putin?
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
mein Name ist Ana Grujić. Heute darf ich Florian Harms vertreten und freue mich, die Themen des Tages für Sie kommentieren zu dürfen.
WAS WAR?
Angela Merkel ist eine der mächtigsten Frauen dieser Welt. Sie vermittelt in internationalen Konflikten, setzt sich mit den zwielichtigsten Regierungschefs auseinander – und zwischendurch rettet sie auch in Deutschland den Tag.
Diesen Eindruck habe ich, wenn die Kanzlerin zwischen allen großen Anliegen auch Dinge anspricht, die eher Ärgernis als Problem sind. So geschehen gestern bei der Befragung im Bundestag. Da hat Angela Merkel, die auch schon mal die Führerin der freien Welt genannt wurde, die Bonpflicht verteidigt.
Sie erinnern sich: Ab 1. Jänner 2020 müssen Betriebe bei jedem Geschäft einen Kassenzettel ausstellen. Interessengruppen des Handels beschweren sich seit Wochen lauthals. Bürokratiewahnsinn und eine Katastrophe für die Umwelt: Nichts weniger werfen sie der Pflicht zum kleinen Zettel vor.
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Das ist auch ihr gutes Recht, schließlich sind sie Vertreter von Interessengruppen. Doch was mich schockiert, ist, dass die Regierung der Kritik so wenig entgegensetzen kann. Warum ist die Bonpflicht sinnvoll? Was trägt sie zum Allgemeinwohl bei? Die deutsche Politik scheitert daran, diese Fragen einfach und verständlich zu beantworten.
Da muss sich dann Angela Merkel, die Bundeskanzlerin einer der führenden Industrienationen der Welt, hinstellen und erklären: "Wir können nicht sehenden Auges einfach akzeptieren, dass dem Staat Milliarden Steuereinnahmen verloren gehen." Eigentlich sollte sie aber sagen: "Könnt ihr den Laden hier mal nicht kurz ohne mich am Laufen halten?"
WAS STEHT AN?
Journalismus hat mich verdorben. Da wären die Kleinigkeiten. Weil ich den ganzen Tag Nachrichten lese, werde ich immer besserwisserischer. Ich streite mit Kollegen über einzelne Wörter in einer Überschrift. Selbst nach Feierabend hänge ich noch an meinem Telefon und lese, um bloß nichts zu verpassen. Ich nerve viele meiner Freunde damit und auf Partys bin ich nicht gerade der Kracher.
Das Schlimmste ist aber, dass ich misstrauisch werde. Egal, wie gut eine Nachricht ist, wie heldenhaft ein Protagonist: Ich suche erst mal den Haken. Dieses Recherchieren, Fragen, Einordnen ist für mich Journalismus. Wenn am Ende dieses Prozesses aus einem strahlenden Helden ein normaler Mensch wird, ist es eben so. Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, wusste schon Ingeborg Bachmann.
Diese Zumutung wollen aber nicht alle hinnehmen. Viele möchten ihre Version der Geschehnisse in den Medien sehen. Das wäre legitim, wenn es sich auf das Versenden von Pressemitteilungen beschränkte. Doch gerade Autokraten ertragen einen Blick hinter ihre Propaganda nicht.
Drohen, einsperren und sogar morden: Das verstehen zu viele Regierungen unter Pressearbeit. Das ist keine Verschwörungstheorie, es ist die Realität: In diesem Jahr sind bereits 49 Journalisten getötet worden – weil sie ihre Arbeit gemacht haben. Fast 400 Menschen sitzen aus dem gleichen Grund im Gefängnis.
Daran muss ich denken, wenn ich lese, dass sich Wladimir Putin heute "der Presse stellen" wird. Das stimmt nicht so ganz. Putin wird auf einem Podium sitzen, die anwesenden Journalisten werden applaudieren. Allein diese Anordnung zeigt: Hier sind die Rollen klar verteilt. Die Journalisten sind für Putin keine Diskussionspartner. Sie sind ein Publikum für Botschaften, die der russische Präsident für die Wahrheit hält.
Werden die Reporter kritisch nachfragen? Werden sie lästig sein? Die Konsequenz wäre nicht, dass sie auf ein paar Partys weniger eingeladen werden oder ihre Freunde genervt von ihnen sind. Kritische Journalisten in Russland machen ihren Job im Wissen, dass viele Kollegen vor ihnen unter mysteriösen Umständen gestorben sind.
Ich frage mich oft, welche Frage ich bei dieser Konferenz stellen würde. Am Ende komme ich immer auf eine zurück: Warum so ängstlich, Herr Putin? Vor einer freien und starken Presse muss sich niemand fürchten, der ein freies und starkes Volk möchte.
Sie merken: Journalismus hat mich wirklich verdorben. Ich akzeptiere keine Menschen mehr auf Podesten, egal, wie gern die sich selbst dort oben sehen.
US-Präsident Donald Trump muss ein Impeachment-Verfahren im Senat über sich ergehen lassen. Diese Entscheidung wurde letzte Nacht von den Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus getroffen. Alle Neuigkeiten um die Verzögerungstaktiken der Republikaner und Argumente der Demokraten lesen Sie hier. Eine Einordnung der Ereignisse unseres Washington-Korrespondenten Fabian Reinbold lesen Sie heute auf t-online.de.
Vor drei Jahren starben zwölf Menschen auf einem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, viele weitere wurden verletzt. Ein islamistischer Fanatiker raste mit einem Sattelschlepper in die Menge vor der Berliner Gedächtniskirche. Für viele Menschen in Deutschland fühlte sich der islamistische Terror damals erstmals schrecklich nah an. Ich hatte in den Tagen nach dem Anschlag das Gefühl, dass das schnoddrige, kalte Berlin etwas näher zusammenrückt. Heute wird der Opfer unter anderem mit einer Kranzniederlegung gedacht.
Königin Elizabeth II. wird heute das Regierungsprogramm von Boris Johnson verlesen. Das Königshaus versucht bewusst, eine neutrale politische Position einzunehmen. Dennoch wäre ich zu gerne Mäuschen, wenn die Königin im privaten Rahmen über den neuen Premierminister spricht.
WAS LESEN? WAS ANSEHEN?
Ein unendliches Universum, facettenreich, märchenhaft, schillernd und düster zugleich – ein schier grenzenloser Kreativkosmos. Die Welt von "Star Wars" ist einer der größten Mythen der Filmgeschichte. Mein Kollege Steven Sowa hat sich den letzten Teil der neuen Kinotrilogie angesehen. Wenn seine Kritik zutrifft, ist sie um einiges unterhaltsamer als der Film.
Ich mag befangen sein, aber einer meiner liebsten Instagram-Accounts ist der von t-online.de. Jetzt in der Weihnachtszeit erwartet Sie dort ein ganz besonderer Einblick in die Redaktion: Jeden Tag stellt sich ein Mitglied in den Stories vor und erzählt von seinen Jahreshighlights. Ich will nicht zu viel verraten, aber am 24. Dezember erwartet Sie eine ganz besondere Überraschung.
WAS AMÜSIERT MICH?
Was schwimmt da eigentlich im Wasser unter mir? Eine Frage, der man am besten vom Sofa aus nachgeht. Vor allem, wenn sie schön aufbereitet ist, wie hier.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Herzliche Grüße
Ihre
Ana Grujić
Redakteurin t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Twitter: @AnaSagt
Mit Material von dpa.
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