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Der Brexit-Irrsinn ist nicht zu toppen – bekommt Johnson trotzdem heute seinen Deal?


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Mist – so weit hat er nicht gedacht

  • Florian Wichert
MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 21.10.2019Lesedauer: 7 Min.
Boris Johnson.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson. (Quelle: Simon Dawson/reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Stellen Sie sich Folgendes vor: Es ist das Jahr 1973 und ein junger Mann, sagen wir, ein Brite, heiratet eine junge Frau, sagen wir, eine Französin – oder besser – eine Europäerin. Jahrelang hatte er sie umworben. Doch sie ließ ihn eiskalt abblitzen. Und das mehrfach. Sie kamen einfach aus verschiedenen Welten. Er lebte auf einer Insel. Sie fühlte sich auf dem Festland wohl und konnte sich mit seinen Eigenheiten nicht sofort anfreunden. Irgendwann springt der Funke dann aber doch über.

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Es ist von Beginn an keine einfache Ehe. Er hat irgendwie immer etwas zu meckern. Trotzdem bauen sie sich eine gemeinsame Existenz auf. Sie haben gemeinsame Interessen, Werte und Ideen. Gemeinsam, das wird beiden schnell klar, sind sie einfach stärker. Gibt es mal Streit, raufen sie sich zusammen und finden eine Lösung. Der Brite und die Europäerin, sie gehören einfach zusammen, so scheint es.

Doch leider gibt es ein Problem. Er ist im Herzen schon immer ein Einzelgänger. Er war sich schon vor der Hochzeit immer selbst am nächsten – und ist es eigentlich auch während der Ehe. Die Jahre übertünchen aufkeimende Probleme, doch es knirscht immer mehr. Er fühlt sich irgendwie kontrolliert.

Für ihn wird es immer klarer: So kann es nicht weitergehen. Er will frei sein.

Und deshalb sucht er Rat bei seinen Freunden, die ihm sicher helfen können. Aber von wegen. Die Freunde sind uneins. Sie verwirren ihn mehr, als dass sie ihm helfen. Er hat noch nie wirklich auf sein Herz gehört. Er orientierte sich stets an Fakten. Und jetzt ist es nun mal so, dass ein Freund mehr ihm rät, die Beziehung zu beenden und einfach Nägel mit Köpfen zu machen. Damit ist die Entscheidung gefallen.

Der Brite nimmt all seinen Mut zusammen und stellt sie – nach 43 Jahren Ehe – vor vollendete Tatsachen: "So geht es nicht weiter. Ich mache Schluss."

Doch so einfach, wie er sich das vorstellte, ist es nicht. "Was denkst du dir eigentlich, wer du bist? Wie stellst du dir das vor? Sind dir all die Jahre gar nichts wert? Du bist allein gar nicht lebensfähig", fährt sie ihn an.

Einmal in Rage legt sie nach: "Was ist mit den Kindern? Dem Haus? Dem Hund? Was ist mit der neuen Küchenzeile, die wir erst vor Kurzem gekauft haben? Was sollen die Nachbarn sagen? Die halten uns doch für bekloppt nach so langer Zeit!"

Mist. So weit hat er nicht gedacht.

Immerhin: Je länger sie darüber nachdenkt, desto mehr findet sie sich mit dem Gedanken einer Trennung ab. Irgendwann kommt er vielleicht ohnehin wieder angekrochen, weil er merkt, dass er einen Fehler gemacht hat. Aber gut. Wenn er weg will, dann soll es eben so sein. Aber zumindest eine saubere Scheidung, die sollte noch möglich sein.

Doch auch die gestaltet sich schwieriger als erhofft. Und so gehen sich die beiden immer mehr auf den Keks: Sie schalten Anwälte ein und die feilschen um Sorgerechte für die Kinder und darum, wer den Hund nehmen darf.
Er ist innerlich zerrissen, lehnt aber erst mal jegliche Kompromisse ab. Dabei ist sie schon so freundlich und kommt ihm in vielen Punkten entgegen.

Und deshalb reicht es ihr auch langsam. Er ist bockig wie ein kleines Kind. Sie setzt ihm mehrere Ultimaten. Immer wieder bittet er um mehr Zeit. Er müsse da einfach noch mal drüber nachdenken. Sie verlangt schließlich, dass bis Halloween alles geklärt ist.

Als sie – mal wieder – kurz vor der Lösung stehen, kommen ihnen ausgerechnet die Kinder in die Quere. Sie halten nichts von den Plänen ihrer Eltern. So könne man das nicht handhaben. Also geht der Kampf um die Scherben ihrer Ehe weiter. So weit, dass er ihr letztlich zwei Briefe schreibt, die von seiner inneren Zerrissenheit zeugen. In einem bittet er um mehr Zeit, in dem anderen versichert er, dass er die Halloween-Deadline einhalten werde.

Bis heute haben der Brite und die Europäerin ihre Scheidung nicht auf die Reihe bekommen. Aber vielleicht kommen sie ja heute einen großen Schritt weiter?


WAS STEHT AN?

Der Super-Samstag in Großbritannien – er wurde zum Super-GAU-Samstag. Statt das Austrittsabkommen mit der EU für einen geregelten Brexit anzunehmen, stimmte das britische Unterhaus am Wochenende für eine Vertagung der Entscheidung. Die Brexit-Gegner feierten überschwänglich wie nach dem letzten Fußball-Weltmeistertitel 1966 – die Presse taufte das Parlament "Haus der Narren", weil sich die Abgeordneten endgültig der Lächerlichkeit preisgeben.

Die Übersicht zu bewahren, fällt immer schwerer. Deshalb bleiben wir bei den Fakten. Zu denen gehört, dass Großbritanniens Premierminister Boris Johnson im Parlament ankündigte, nicht wie vom "Benn Act" vorgeschrieben, eine Verschiebung des Austrittsdatums über den 31. Oktober hinaus zu beantragen – und das dann trotzdem tat. Und zwar in einem nicht von ihm unterschriebenen Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, dem ein zweiter folgte, indem er die Absicht bekräftigte, trotz der Samstagsniederlage bis Ende des Monats die EU verlassen zu wollen. Der Brexit-Irrsinn hat damit eine ganz neue Stufe erreicht, die eigentlich kaum noch zu toppen ist. Oder doch?

Schon heute geht es nämlich weiter.

Und das "Haus der Narren“ könnte schon heute doch noch über den Deal von Johnson abstimmen und ihn somit durchwinken. Der britische Außenminister Dominic Raab zumindest geht davon aus, dass nun ausreichend Unterstützung im Unterhaus vorhanden ist, um den Deal durchzubekommen. Kann aber natürlich auch sein, dass es wieder nichts wird.

Parlamentspräsident John Bercow will seine Entscheidung dazu am Nachmittag bekannt geben – vielleicht so gegen 16.30 Uhr MESZ. Lässt er es zu, könnten die Abgeordneten bereits am späten Nachmittag oder abends über den Deal abstimmen.


Die Umfragen sind mies, von der Industrie kommt Kritik und sowieso: So richtig glücklich agierte die große Koalition in den vergangenen zwei Jahren nicht. Nun rückt die Halbzeitbilanz näher, das Zwischenzeugnis steht an. Nachdem der Koalitionsausschuss gestern Abend dreieinhalb Stunden tagte, haben sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD offenbar darauf geeinigt, ihre Bilanz Anfang November vorzustellen.

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Im flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde sind heute 27 Millionen Kanadier aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Bei der Abstimmung tritt die Partei des liberalen Ministerpräsidenten Justin Trudeau gegen die Konservativen mit Spitzenkandidat Andrew Scheer an. Umfragen prophezeien ein knappes Rennen. Sollte keine Partei die absolute Mehrheit von 170 Sitzen erhalten, könnten die Sozialdemokraten und die Regionalpartei aus Quebec eine wichtige Rolle spielen. Ergebnisse werden erst am Dienstag erwartet.


DIE GUTE NACHRICHT

Sie ist 52 Jahre alt, musste jahrzehntelang in argentinischen und chilenischen Zirkussen auftreten, litt unter Abszessen sowie Nieren- und Leberproblemen. Nun, nach einer langen Reise per Flugzeug und Lastwagen, hat ein ehemaliger Zirkus-Elefant in einem brasilianischen Reservat ein neues Leben begonnen. Die Ankunft der Elefantendame Ramba wurde live bei Facebook übertragen, Tausende Menschen schauten sich das Video an. In dem mehr als tausend Hektar großen Reservat lebt sie nun mit zwei Mitbewohnerinnen – Rana und Maia – zusammen, die auch einmal im Zirkus gearbeitet haben.


WAS LESEN ODER ANHÖREN?

An deutschen Universitäten tobt ein ideologischer Krieg.

Letzte Woche musste der AfD-Gründer Bernd Lucke, der als Professor wieder in Hamburg unterrichtet, seine Vorlesung abbrechen, weil linke Studenten gegen ihn protestiert hatten. Es ist eines von vielen Beispielen, das für den Wandel der Diskussionskultur an deutschen Universitäten steht.

Mein Kollege Tim Kummert hat deshalb mit linken Studierenden aus Berlin, die offen vom Sozialismus träumen und die Gesellschaft revolutionieren wollen, sowie mit ihren konservativen Gegnern in München gesprochen, die sich selbst für die letzte Bastion gegen den "Genderwahnsinn" halten.

Weil CDU und SPD bei dem Thema kaum klar Stellung beziehen, versuchen die AfD und die Grünen den Streit für sich auszuschlachten – und so die junge Wählergeneration an sich zu binden. Wie? Das hat Tim Kummert hier aufgeschrieben.


"Erhard Eppler gehörte zu den Klügsten seiner Generation. Er schrieb höchst lesbare Bücher über die Politik, die andere machten. Er selber war ein politischer Mensch, aber kein Politiker im engeren Sinne. Dafür war sein Horizont zu weit, seine Bildung zu tief. Im Nachdenken kam er weiter als im Handeln. Er sah aus wie ein schwäbischer Idealist und er dachte wie einer. Damit ging er den reinen Pragmatikern wie Helmut Schmidt gehörig auf die Nerven."

So beschreibt unser Kolumnist Gerhard Spörl Erhard Eppler, der als Vordenker der SPD galt und nun im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Das ganze Portrait lesen Sie hier.


"Er ist mein Männerschwarm. Er ist unter meinen Top Fünf der Männer, für die ich schwärme. Und er wird immer besser, in jeder Saison, jedem Spiel, jedem Interview und jedem Moment. Für mich sitzt Jürgen Klopp im Fußball am Tisch der Könige."

Was für eine Lobeshymne, die Robbie Williams da über den deutschen Welttrainer singt. Und das, obwohl der Popstar glühender Anhänger von Manchester United ist – während Klopp den großen Rivalen FC Liverpool trainiert. Gestern Abend trafen die beiden Topklubs übrigens aufeinander – und trennten sich 1:1. Das Interview von Ana Grujić mit dem 45-jährigen Popstar ist allerdings nicht nur für Fußballinteressierte spannend. Williams spricht nämlich auch über den Brexit und seine Zusammenarbeit mit Helene Fischer.


Sieht aus wie ein Pilz, verhält sich aber wie ein Tier. Hat kein Gehirn, aber 720 Geschlechter – und stellt die Wissenschaft damit vor neue Fragen: der "Blob", wie ihn Experten getauft haben. Was es damit auf sich hat und wo man ihn seit dem Wochenende bewundern kann, lesen und sehen Sie hier.


WAS AMÜSIERT MICH?

Vor wenigen Wochen war David Hasselhoff in der Redaktion von t-online.de zu Gast und räumte mit Gerüchten zu seinem Anteil am Mauerfall auf. Nun war er wieder in Berlin – und durfte sich ein Trabi-Hupkonzert anhören. Raten Sie mal, welches Lied da gehupt wurde.

Ich wünsche Ihnen einen hervorragenden Start in die Woche. Morgen schreibt wie gewohnt Florian Harms für Sie.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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