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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zum Tod von Erhard Eppler Der Mann, der Helmut Schmidt gehörig nervte
Erhard Eppler hegte eine unglückliche Liebe zur Politik. Seine beste Zeit hatte er als Ikone der Friedensbewegung, die sich gegen den SPD-Kanzler Helmut Schmidt stellte. Nun ist er verstorben.
Erhard Eppler gehörte zu den Klügsten seiner Generation. Er schrieb höchst lesbare Bücher über die Politik, die andere machten. Er selbst war ein politischer Mensch, aber kein Politiker im engeren Sinne. Dafür war sein Horizont zu weit, seine Bildung zu tief. Im Nachdenken kam er weiter als im Handeln. Er sah aus wie ein schwäbischer Idealist und er dachte wie einer. Damit ging er den reinen Pragmatikern wie Helmut Schmidt gehörig auf die Nerven.
Mir sind über die Jahre öfter solche Menschen wie Erhard Eppler begegnet, die eine unglückliche Liebe zur Politik hegten. Sie sind stark in der Analyse und schwach im Umsetzen. Sie sind stark im Rechthaben und schwach im Rechtbekommen. Sie gehören zum Typus Gelehrter, dem das Bohren dicker Bretter schwer fällt. Eppler war von Beruf Gymnasiallehrer und blieb es sein Leben lang.
Von Schmidt gedemütigt
Seine besten Jahre kamen, nachdem er aus der Regierung ausgeschieden war. Nicht zufällig war er bis 1974 Entwicklungshilfeminister gewesen, als Willy Brandt unrühmlich zurücktrat. Nach ihm wurde Helmut Schmidt Kanzler. So nahe Eppler dem Willy war, so fern blieb er dem Helmut, der nur Hohn und Spott für ihn aufbrachte.
Die Demütigung war groß. Aber es kam die Zeit, da Erhard Eppler zur Ikone der außerparlamentarischen Opposition aufstieg und im Grunde den Machtwechsel von 1982 vorbereitete. Schmidt setzte Politik und Ökonomie in eins. Eppler erkannte früh die Bedeutung der Ökologie und der europäischen Friedensbewegung, die der militärischen Aufrüstung mit immer neuen Raketen widerstand, wie wir sie auch heute wieder erleben.
Als junger Journalist musste ich über die berühmte Großdemonstration im Bonner Hofgarten 1981 berichten, auf der Erhard Eppler wie selbstverständlich mit Willy Brandt auftrat und gegen die Politik aufbegehrte, deren Inbegriff Helmut Schmidt war. Ich fand das sehr seltsam, wie zwei Sozialdemokraten gegen den sozialdemokratischen Kanzler standen, als gehöre sich das so, als sei nichts Besonderes dran.
Die SPD gibt es immer zweifach
Damals begann, was wir heute zur Genüge kennen. Es gibt immer mindestens zwei SPDs, eine zum Regieren und die andere, um dagegen zu opponieren.
Erhard Eppler war in seinem Element, wenn er von draußen nach drinnen rufen konnte. Wenn er selbst drinnen sein wollte, war er nicht mehr in seinem Element.
Er war mal Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg, als dort noch nicht Winfried Kretschmann regierte, sondern das Land fest in der Hand der CDU lag. Es tat fast weh, Eppler zuzuhören und zuzusehen, wie er auf verlorenem Posten war und trotzdem kämpfen musste, wider besseres Wissen. Was er im Kopf hatte, nützte ihm nichts. Keine Analyse brachte ihn weiter. Jede Selbstanalyse hätte vernichtend ausfallen müssen. Er war einfach kein Parteipolitiker, eigentlich war er gar kein Politiker, sondern ein Beobachter des Politischen wie wir, nur klüger. Es dauerte, bis er die Konsequenzen zog.
Von Erhard Eppler stammt der Satz, dass nicht jeder Sieg ein Gewinn ist. Es stimmt aber auch, dass nicht jede Niederlage adelt.
Er überlebte sie alle
Im Privatleben war Erhard Eppler ein Muster an Beständigkeit. Mit seiner Frau lebte er eine Ewigkeit in seinem Haus in Schwäbisch Hall. Dort habe ich ihn einige Male besucht. Er war ein liebenswürdiger Gastgeber, der durch seinen Garten führte, Kuchen auftischte und gerne Fragen beantwortete, wobei er auch begierig auf Informationen aus dem inneren Gehäuse der Macht war.
Mit den Jahren litt er an seiner Partei, verteidigte sie jedoch zuverlässig. Gerhard Schröder schätzte er als "political animal", was er selbst eindeutig nicht war. Wenn Erhard Eppler analysierte, blieb er human. Er wusste ja, welche Pein Verachtung verursachte. Ich ging immer bereichert wieder weg.
- Mit 92 Jahren: SPD-Urgestein Erhard Eppler ist tot
Er hat sie alle überlebt, den Willy und den Helmut, den Kohl und den Genscher, seine ganze Generation. Ich würde es ihm nachsehen, wenn ihm das eine Genugtuung gewesen sein sollte. An seinem 90. Geburtstag fand er noch die Würdigung, die ihm zusteht. Er erlebte sie fragil, aber fröhlich.
Nun ist er gegangen, der schwäbische Purist mit seiner schwierigen Passion für die Politik.