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Tagesanbruch: Oh, wie schön ist Panama – ein Blick auf die Klimakrise


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Oh, wie schön ist Panama

  • Peter Schink
MeinungVon Peter Schink

Aktualisiert am 09.08.2019Lesedauer: 7 Min.
Der Kleine Bär und der Kleine Tiger mit dem Posthasen auf dem Weg nach Panama – ganz CO2-neutral.Vergrößern des Bildes
Der Kleine Bär und der Kleine Tiger mit dem Posthasen auf dem Weg nach Panama – ganz CO2-neutral. (Quelle: United Archives/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, heute in Stellvertretung für Florian Harms:

WAS WAR?

Wir befinden uns im Sommerloch – nachrichtlich gesehen. Der Bundestag hat noch Pause, die Republik wartet auf die neue Saison der ersten Bundesliga. Die meisten Deutschen sind noch im Urlaub. Im Gegensatz zum Kleinen Tiger und Kleinen Bär hat sich aber wohl kaum jemand zu Fuß dorthin aufgemacht. Schon gar nicht nach Panama.

Die Wissenschaftler des Weltklimarates präsentierten gestern eine Zahl, die Tiger und Bär nicht gefallen würde: Um 1,53 Grad Celsius ist die weltweite Durchschnittstemperatur über Land inzwischen gestiegen, verglichen mit dem vorindustriellen Zeitalter. Nimmt man die langsamer ansteigenden Meerestemperaturen dazu, sind wir zwar erst bei einem Anstieg von 0,87 Grad. Die Zahl erschreckt trotzdem, kommen wir dem eigentlich gesteckten Klimaschutz-Ziel von 1,5 Grad doch schon jetzt erschreckend nah. Willkommen in der Klimakrise.

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Doch der Tiger und der Bär sind zwei fröhliche Zeitgenossen. Deshalb betrachte ich das Thema heute einmal von der optimistischen Seite.

Was sagt der Weltklimarat genau? Alles hängt mit allem zusammen. Die steigende Anzahl der Menschen auf diesem Planeten, unser persönliches Konsumverhalten, die Wirtschaftsproduktion, und vor allem die Art und Weise, wie wir die endliche Landmasse nutzen. 70 Prozent der eisfreien Fläche werden inzwischen vom Menschen beansprucht. Wir nutzen sie zu intensiv, sagen die Forscher. Zu wenig ökologisch und zu wenig nachhaltig. Ein Beispiel: 30 Prozent der produzierten Lebensmittel werden weggeworfen oder verderben wegen falscher Lagerung. Dabei wäre das alles leicht anders zu organisieren.

Also zu Janosch: Die Geschichte handelt davon, wie schön es ist, am Ende zu Hause anzukommen. Dort ist es für Bär und Tiger so schön. Sie beschließen einfach, ihr altes Zuhause ist Panama.

Bitte nicht falsch verstehen: Sie sollen natürlich nicht für das Klima zu Hause bleiben. Oder nur noch wandernd in den Urlaub ziehen. Vielmehr habe ich von Tiger und Bär gelernt, dass wir umdenken können. Anders handeln können als bislang. Meist ist es schwer, die gleiche Sache anders zu sehen. Oder zu anstrengend. Wir Menschen ändern nämlich nicht gerne unsere Gewohnheiten, denn sie geben uns Sicherheit.

Ich selbst habe in den vergangenen vier Jahren wenig an meinem Klima-Verhalten geändert. Ich bin häufig innerdeutsch geflogen, habe alle zwei Jahre ein neues Handy gekauft, beim Mittagessen habe ich mir selten Gedanken gemacht, wie viel Fleisch auf meinem Teller liegt oder ob mein Gemüse aus ökologischem Anbau stammt. Alle diese Gewohnheiten lassen sich ändern. Einziges Problem: Wir ändern unsere Gewohnheiten in der Regel am schnellsten, wenn wir uns einen Vorteil dadurch erhoffen.

Jetzt werden Sie vielleicht denken: Soll doch die Politik anfangen, die größeren Probleme anzugehen. Kohlekraftwerke abschalten zum Beispiel. Das würde doch mehr bringen. Nur: Ohne ein Mehr an Verantwortungsbewusstsein bei uns allen wird es nicht vorangehen. Weil wir mit unserem Lebensstil doppelt so viel CO2 verbrauchen wie der weltweite Durchschnitt. Weil wir Vorbild für andere Länder sind. Weil wir es können. Wir brauchen ein anderes Verständnis von Mobilität, weniger Konsum, einen geringeren Energie- und Ressourcenverbrauch. Das ist in Teilen recht einfach: Umweltschützer haben beispielsweise schon 2014 eindrucksvoll visualisiert, wie wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren können.

Und vielleicht ahnen Sie die Lösung: Um etwas zu verändern, bei uns privat (unsere Gewohnheiten!) und genauso in der Wirtschaft, muss Politik unterstützen. Durch politische Rahmenbedingungen, Förderungen und Restriktionen. Regierung und Parlament müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Ideen liegen alle auf dem Tisch: ein schnellerer Kohleausstieg, CO2-Bepreisung, Energieumstiegsförderung, energetische Gebäudesanierung und Förderungen beim Hausbau, ÖPNV- und Bahn-Förderung, Umstellung in der Agrarpolitik, Änderungen in der Entwicklungshilfe. Und so weiter.

Bis zum 20. September hat sich die Bundesregierung Zeit gegeben. Dann will das Klimakabinett Vorschläge präsentieren. Handelt die Regierung verantwortungsvoll, dann darf es nicht um wenige Einzelmaßnahmen gehen. Die Änderungen müssen alle Lebensbereiche betreffen. Von Umdenken war bei einigen Ministern allerdings bislang wenig zu spüren. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will eine Verkehrswende ohne Einschränkung der Mobilität. Agrarministerin Julia Klöckner muss sich von ihrem eigenen wissenschaftlichen Beirat vorrechnen lassen, dass ihr Ministerium auf die falschen EU-Förderanreize für Bauern setzt (die gerade in Brüssel verhandelt werden). In beiden Fällen ist die Handlungsrichtung klar: Die Minister biedern sich beim eigenen Klientel an. Niemand soll verschreckt werden.

Dabei sind wir beim Klimaschutz gedanklich womöglich schon weiter als unsere Regierung. Umfragen zeigen, dass die Deutschen bereit sind, zu verzichten. Lediglich im Geldbeutel wollen wir es nicht spüren, wenig verwunderlich.

Ich werde also künftig ganz persönlich konsequenter sein: Ich werde mir kein neues Handy und keinen neuen Fernseher kaufen, solange die alten Geräte noch anstandslos funktionieren. Ich fliege nicht in den Urlaub und auch nicht zum nächsten Geschäftstermin. Ich kaufe im Supermarkt keine Äpfel aus Neuseeland.

Unsere Gesellschaft lebt davon, dass wir alle uns verantwortungsvoll verhalten. Wir als Einzelne ebenso wie Politiker, die Verantwortung in größerem Maße tragen. Versuchen wir doch alle mal umzudenken.


Apropos Verantwortung: Im Artikel 72 des Grundgesetzes ist festgeschrieben, dass der Staat bemüht sein soll, "gleichwertige Lebensverhältnisse" in allen Teilen des Landes herzustellen. Besonders gut funktioniert hat das bislang nicht. Das haben Wissenschaftler des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft gestern beeindruckend dargelegt. Die Studie ist über 200 Seiten stark, aber vier Grafiken fassen die Ergebnisse im Wesentlichen zusammen. Nicht mehr nur Ostdeutschland ist abgehängt, auch Regionen in NRW, Bremerhaven und Teile des Saarlandes sind ins Hintertreffen geraten.

Die gute Nachricht: It‘s all about money. Der Bund muss finanziell helfen, weil Länder und Kommunen alleine überfordert sind. Nur durch eine bessere Strukturförderung kann den betroffenen Regionen geholfen werden. Wenn es noch irgendeines Beleges bedurft hätte, jetzt haben Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Handlungsanweisung.


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Die AfD provoziert. In Brandenburg wirbt die Partei im Wahlkampf mit einem Bild des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt und dessen Worten: "Mehr Demokratie wagen". Es ist etwas kurios: Der Satz stammt aus der Regierungserklärung Brandts im Oktober 1969, die er nach seiner Wahl zum Kanzler im Bundestag in Bonn hielt. Darin sagt er gleich zu Beginn: "Ich danke den Wählern für die eindeutige Ablehnung des Extremismus, den es weiterhin zu bekämpfen gilt." Gut, wenn sich die AfD den Gedanken Brandts anschließen kann. Es lohnt sich, die gesamte Rede im Wortlaut zu lesen.


WAS STEHT AN?

Szenenwechsel. Kennen Sie Zlatko Trpkovski? Im Jahr 2000 war er Teilnehmer der ersten Staffel von Big Brother. Die TV-Show wurde damals kontrovers diskutiert. Menschen einschließen und dann begaffen. Geht gar nicht, war damals die Mehrheitsmeinung. Fast 20 Jahre ist das her. Heute regt sich niemand mehr auf. Wenn "Promi Big Brother" ab heute Abend zwei Wochen lang den TV-Alltag in so manchem Haushalt bereichert, ist Zlatko wieder mit dabei.

Ich bin mir sicher, der 43-Jährige wird uns reichlich Material liefern, um zu berichten. Es gibt unter Ihnen allerdings auch viele Leser, die uns fragen, welche Relevanz ein solches Ereignis hat, um Platz auf t-online.de zu erhalten. Andere wiederum verfolgen jede Neuigkeit gebannt, wenn wir berichten. Möchten informiert bleiben, auch wenn es TV-Trash ist. Wir bemühen uns deshalb, in der Berichterstattung einen Mittelweg zu beschreiten. Weil Zlatko eben Teil unserer (Fernseh-)Realität ist.


Am Wochenende startet die teuerste Fußball-Liga der Welt. Welcher Fußball-Star für die Premier League noch rechtzeitig vor Transferschluss verpflichtet wurde? Die Kollegen haben es für Sie verfolgt.


Und dann war da noch Italien. Am gestrigen Donnerstagabend also platzt die Regierung, es wird voraussichtlich Neuwahlen geben. Innenminister Matteo Salvini und seine Lega wollen nicht mehr mit der Fünf-Sterne-Bewegung zusammenarbeiten. Laut Umfragen liegt die Lega derzeit bei 36 Prozent, könnte mit Abstand stärkste Kraft im Parlament werden. So einfach das Kalkül, so hässlich die politische Logik in Italien. Die Zusammenarbeit in Europa macht das nicht einfacher.


WAS LESEN?

Ein anderer schwieriger Partner sieht das so: Entweder die EU kommt Großbritannien entgegen, oder am 31. Oktober tritt das Vereinigte Königreich ohne Deal aus der Gemeinschaft aus. Das verkündet der britische Premierminister Boris Johnson mantrahaft. Doch so einfach ist es nicht. Es ist vielmehr viel komplizierter. Johnson kann nicht alleine über das Schicksal der Briten entscheiden – auch wenn er das immer wieder behauptet. Versucht er es dennoch, droht ein Misstrauensvotum oder eine Rebellion im Parlament und am Ende sogar Neuwahlen. Mein Kollege Stefan Rook erklärt, welche Optionen Johnson und die Briten beim EU-Ausstieg noch haben. Und das sind viele.

Ökonomisch gesehen macht der Brexit keinen Sinn, da sind sich die Experten einig. Johnson wäre aber auch hierzulande in guter Gesellschaft, ein Viertel der Deutschen hat Schwierigkeiten, beim Bezahlen an der Kasse das Wechselgeld korrekt zu berechnen. Das muss sich ändern, finden die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Für den neuen Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) haben sie verschiedene Studien zur ökonomischen Bildung ausgewertet. Meine Kollegin Claudia Hamburger hat sich den Bildungsmonitor angesehen. Deutschland liegt demnach im Vergleich mit den anderen G20-Ländern beim Thema "ökonomische Bildung" im Mittelfeld. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) fordert, Wirtschaft solle bundesweit als Unterrichtsfach eingeführt werden. Wer wirtschaftlich gebildet ist, treffe schließlich bessere Sparentscheidungen, verschulde sich seltener und kümmere sich häufiger um die eigene Altersvorsorge. Nicht verkehrt.

40.000 Menschen erhalten in Deutschland jedes Jahr die Diagnose Blutkrebs oder erleiden andere Erkrankungen des blutbildenden Systems. Für viele von ihnen ist eine Stammzellenspende die letzte Rettung. So auch im Falle des dreijährigen Hugo. Meine Kollegin Ana Grujic wird Ihnen am Wochenende etwas über den Jungen erzählen. Seine Geschichte verdient Aufmerksamkeit.

Etwas leichtere Kost: In ein paar Tagen beginnt der Caravan Salon in Düsseldorf. Wenn Sie sich für die größte Camper-Messe der Welt interessieren, liegen sie im Trend. Die Absatz-Kurve von Wohnmobilen steigt konstant – und zwar ziemlich steil. Sie müssen aber nicht unbedingt selbst nach Düsseldorf reisen. Denn der Kollege Markus Abrahamczyk hat die drei wichtigsten Trends und die schönsten Modelle für Sie hier schon vorrätig.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ich wollte der Klimakrise ja heute mit Optimismus begegnen. Am Ende hilft auch etwas Humor. Nach Fridays for Future jetzt also Rinder ohne Pupser:

Am Montag schreibt wie gewohnt Florian Harms an dieser Stelle. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein entspanntes Wochenende.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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