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Johnsons riskantes Spiel: Was einen No-Deal-Brexit noch verhindern kann


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Johnsons riskantes Spiel
Was einen No-Deal-Brexit noch verhindern kann


Aktualisiert am 08.08.2019Lesedauer: 5 Min.
Boris Johnson steuert auf einen No-Deal-Brexit zu: Das könnte ihn am Ende den Job kosten.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson steuert auf einen No-Deal-Brexit zu: Das könnte ihn am Ende den Job kosten. (Quelle: getty-images-bilder)
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Unermüdlich droht Boris Johnson mit einem No-Deal-Brexit. Doch einfach wird das nicht. Es drohen ein Misstrauensvotum, ein Aufstand im Parlament und Neuwahlen. So könnte es weitergehen.

"Komme, was wolle" werde Großbritannien am 31. Oktober aus der EU aussteigen – mit oder ohne Vertrag. Das ist der Leitspruch des britischen Premierministers Boris Johnson. Er tut dabei so, als wäre ein EU-Ausstieg Großbritanniens ohne Vertrag – ein No-Deal-Brexit – eine einfache Sache. Eine, die er einfach anordnen könne. Doch so ist es keineswegs.

Am 31. Oktober soll es wieder einmal so weit sein. An diesem Tag soll feststehen, wie das Vereinigte Königreich die EU verlässt. Doch wirklich final ist dieses Datum nicht. Großbritannien hat die Möglichkeit, eine dritte Brexit-Verlängerung zu beantragen oder den Brexit abzusagen. Bis Halloween kann also noch einiges geschehen.

Johnson ist auf das Parlament angewiesen

Sollten Johnson und die EU doch noch einen Kompromiss finden und Änderungen am Ausstiegsvertrag vereinbaren, müssen das britische Parlament und die übrigen 27 EU-Staaten diesen zustimmen. Erfolgt das, kommt es zu einem geregelten Brexit. Gibt es keine Mehrheit dafür, kann eine erneute Verlängerung beantragt oder über einen No-Deal-Brexit abgestimmt werden.

Bleibt es bei dem von Theresa May mit der EU ausgehandelten Ausstiegsvertrag ohne Änderungen, ist ein harter Brexit ebenfalls nicht zwangsläufig. Auch in diesem Fall können und werden Abgeordnete versuchen, in einer Abstimmung einen Ausstieg ohne Vertrag zu verhindern. Die Abgeordneten könnten ein Gesetz verabschieden, das Johnson dazu zwingt, in Brüssel eine Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen.

Findet sich dagegen eine Mehrheit für einen No-Deal-Brexit, tritt dieser nach dem 31. Oktober in Kraft. In beiden Fällen entscheidet also letztendlich das Parlament und nicht Johnson final darüber, wie Großbritannien aus der EU ausscheidet.

Misstrauensvotum gegen Johnson so gut wie sicher

Es könnte jedoch sein, dass es zu dieser Art der Entscheidungsfindung gar nicht kommt. Die Labour-Partei hat angekündigt, dass sie in jedem Fall ein Misstrauensvotum gegen Johnson ansetzen werde. Für den Erfolg reicht eine einfache Mehrheit der Abgeordneten aus. Das ist besonders brisant für Johnson, denn seine Koalition mit der nordirischen DUP regiert derzeit mit nur einer Stimme Mehrheit.

Noch hat das britische Parlament Sommerpause. Am 3. September nimmt das Unterhaus seine Arbeit wieder auf. Schon am 4. September ist ein Misstrauensvotum möglich und wahrscheinlich. Denn nur dann gibt es noch eine Chance auf Neuwahlen vor dem 31. Oktober. Labour-Chef Jeremy Corbyn hat bereits angekündigt: "Labour wird alles unternehmen, um einen No-Deal-Brexit zu stoppen. Das schließt ein Misstrauensvotum zu einem geeigneten, sehr frühen Zeitpunkt ein."

So läuft ein Misstrauensvotum im britischen Parlament ab

Verliert Johnson das Misstrauensvotum, ist er nicht automatisch sein Amt als Premierminister los. Er hat 14 Tage Zeit, die Abgeordneten zu überzeugen, ihre Meinung zu ändern und ihn doch weiter zu unterstützen. Auch die Opposition kann in diesen zwei Wochen versuchen, eine Mehrheit für eine alternative Regierung zu finden. Wird das Misstrauensvotum am 4. September gestellt, muss bis zum 18. September eine Mehrheit für die alte oder eine neue Regierung gefunden worden sein, die dann weiterregiert.

Gelingt das nicht, werden automatisch Neuwahlen eingeleitet. In diesem Fall wird das Parlament 25 Werktage vor dem Termin der Neuwahlen aufgelöst, damit die Parteien Zeit für den Wahlkampf haben. Der frühestmögliche Termin für Neuwahlen wäre der 25. Oktober. Vorausgesetzt, das Misstrauensvotum findet am 4. September statt und Johnson verliert es.

Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Ende Juli kämen die Konservativen bei Neuwahlen derzeit auf 32 Prozent der Stimmen. Für Labour sprachen sich 22 Prozent der Befragten aus, für die Liberaldemokraten 19. Der Brexit-Partei würden 13 Prozent ihre Stimme geben, den Grünen 8 Prozent. Konservative und Brexit-Partei wären damit noch immer stärker als die Brexit-Gegner.

Greift Johnson in die Trickkiste?

Im Team von Johnson scheint man sich einige Gedanken über ein Misstrauensvotum und dessen Konsequenzen gemacht zu haben. Es soll Überlegungen geben, dass Johnson nach einem verlorenen Misstrauensvotum die 14-Tage-Frist zur Formierung einer neuen Regierung nutzen könnte, doch noch seinen No-Deal-Brexit durchzusetzen. Bisher ist es üblich, dass ein Premierminister, der ein Misstrauensvotum verloren hat und der keine neue Mehrheit im Parlament findet, zurücktritt. Theoretisch könnte sich Johnson aber weigern, genau das zu tun und beschließen, bis zu Neuwahlen weiterzuregieren. Und diese Neuwahlen könnten dann erst nach dem 31. Oktober stattfinden, also möglicherweise nach einem wie auch immer gearteten Brexit.

Auch die Möglichkeit, das Parlament zu vertagen, soll diskutiert worden sein. Der Vorgang heißt "proroguing" und bedeutet, dass die Abgeordneten zwar ihre Sitze behalten, aber keine Debatten und Abstimmungen – also auch kein Misstrauensvotum – stattfinden können. Vertagt wurde ein Parlament zuletzt 1948. Nur so war es damals möglich, ein Gesetz zur Beschränkung der Macht des Oberhauses durchzusetzen.


Bei einem "proroguing" würde Johnson einen No-Deal-Brexit am Parlament vorbei entscheiden. Der entscheidende Faktor in diesem Szenario ist die Königin Elisabeth II., denn sie muss diesem Vertagen zustimmen. Damit würde Johnson die Königin in eine brisante politische Entscheidung verwickeln – was in Großbritannien vollkommen unüblich ist.

Letzte Hoffnung Biarritz

84 Tage bleiben noch bis zum 31. Oktober. 84 Tage, um doch noch eine Lösung im Brexit-Streit zu finden, oder – was die Brexit-Gegner Johnson unterstellen – die Zeit mit übertriebenen Forderungen und einer Blockadehaltung gegenüber der EU verstreichen zu lassen, um einen No-Deal-Brexit zu erreichen. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon warf Johnson nach einem Treffen in Edinburgh vor: "Dies ist eine Regierung, die eine No-Deal-Strategie verfolgt, so sehr sie das auch bestreiten mag."

Johnson hat jedenfalls nach seinem Amtsantritt weder die EU noch ein anderes EU-Land besucht, um in persönlichen Gesprächen Fortschritte bei den festgefahrenen Verhandlungen zu erreichen.


Derzeit bewegt sich also gar nichts zwischen der Johnson-Regierung und der EU. Die Fronten sind so verhärtet, dass die EU-Kommission derzeit keine Basis für weitere Brexit-Verhandlungen sieht. In Brüssel hofft man nun auf den G7-Gipel im französischen Biarritz vom 24. bis 26. August – also noch vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpause in Großbritannien. Dort könnte ein Durchbruch erzielt werden, oder deutlich werden, dass Verhandlungen mit Johnson sinnlos sind. Kommt es so, sind die Briten am Zug. Dann müssen sie entscheiden, ob sie Johnsons No-Deal-Brexit wollen oder etwas und jemand ganz anderes.

Verwendete Quellen
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