Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Die Antwort kennen wir schon längst
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages, ein letztes Mal von mir vor meinem Urlaub:
WAS WAR?
Es war spät am Abend gestern, als Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vor die Presse trat. Das Klimakabinett hatte drei Stunden lang intensiv beraten. Und dann dieser Satz: "Es ist sehr, sehr deutlich geworden, dass wir in den nächsten Wochen noch viel Arbeit vor uns haben." Es bleibe aber beim Zeitplan, dass am 20. September das komplette Maßnahmenpaket verabschiedet werden solle.
Die Diskussion drehte sich darum, ob der Zertifikatehandel ausgeweitet wird, oder ob es eine neue CO2-Steuer braucht. Dann geht es um den Preis, den CO2 beim Tanken und Heizen erhalten soll. Darum, wie man Bürger und Wirtschaft wegen der höheren Belastung wieder entlasten kann. Am Ende natürlich auch die Frage, wie ein sinnvoller Kompromiss in der Koalition aussehen kann.
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Es ist also kompliziert. Jede Partei hat schließlich auch noch die Stimmung unter Anhängern und Wählern im Blick. Deshalb wäre es nicht verwunderlich, wenn das gesamte Klimaschutzpaket im September in einer Marathon-Sitzung bis früh in den Morgen zu Ende verhandelt wird.
Am Ende steht aber über allem die eigentliche Kernfrage: Wie weit sind wir alle bereit, unser Leben für den Klimaschutz zu verändern? Die Antwort kennen wir natürlich schon längst.
Erstens: Gar nicht. Wir wollen weiter Auto fahren, mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen und Südfrüchte im Supermarkt kaufen. Oder würden Sie das für sich anders beantworten? Dann gehören Sie nach Umfragen zu einer Minderheit in unserer Gesellschaft.
Zweitens: Natürlich versuchen wir alle, mit dem ersten Punkt umzugehen – entsprechend unserem Charakter. Wir können die Klimakrise leugnen. Wir können beschließen, dass uns die Krise ja als letzte trifft (wir wohnen ja nicht am Meer). Wir können beim Urlaub ein schlechtes Gewissen haben. Wir können beschließen, dass es ja auch nichts ändern würde, wenn nur wir uns ändern. Wir können uns über diejenigen ärgern, die die Klimakrise wieder und wieder zum Thema machen.
Drittens: Auch wenn der zweite Punkt nicht auf uns zutrifft und wir einsehen, dass wir etwas für den Klimaschutz tun müssen ... handeln wir trotzdem nicht oder nur selten konsequent.
Viertens: Weil wir nicht bereit sind, unseren eigenen Schweinehund zu überwinden, brauchen wir jemanden, der uns dabei hilft.
Sie ahnen vielleicht, worauf ich hinaus will. Das genau ist die Aufgabe der Politik. Sie muss alle in der Gesellschaft mitnehmen. Lange Debatten sind schon deshalb wichtig, damit viele Bürger sich ebenfalls Gedanken machen. Natürlich muss Politik auch überlegen, wie Härten abgemildert werden können. Am Ende muss es einen geben, der sagt, wo es langgeht. Der die Verantwortung übernimmt. Der die richtigen Hebel ansetzt, damit sich etwas ändert. In unserer Demokratie fällt diese Rolle der Regierungsmehrheit im Bundestag mit ihrer Regierung zu.
Deshalb ist es leicht zu befinden, die Politik müsse endlich handeln und die Anstrengungen gegen die Klimakrise vervielfachen. Die Wahrheit ist: Bei der verfehlten Klimapolitik sind wir Teil des Problems. Wenn wir nicht mitziehen, wird keine (verantwortungsvolle) Regierung gegen unseren Willen Gesetze beschließen. Die Wahlergebnisse bei der Europawahl haben das etwas beschleunigt. Mal sehen, wie lange das so bleibt.
Ich würde mir wünschen, wir alle wären beim Klimaschutz ein wenig ehrlicher zu uns selbst. Und konsequenter in unserem Handeln. Wenn Politik dann ihre Führungsrolle wahrnimmt, kann sich auch wirklich etwas bewegen. Und wenn das heißt, dass ich weniger Südfrüchte essen werde, weil die CO2-Steuer sie im Supermarkt teurer macht.
Die Irankrise lässt mich verzweifeln. Mehrere Parteien spielen mit dem Feuer. Allen voran der amerikanische Präsident und die iranischen Mullahs. Am Sonntag entführen die iranischen Revolutionsgarden einen Tanker in der Straße von Hormus. Und gestern nähert sich eine iranische Drohne einem US-Kriegsschiff. So nah, dass die ein Argument haben, sie abzuschießen. Das Spiel wird in den kommenden Tagen vermutlich noch weiter gespielt. Menschen leiden, weil ihre Herrschenden die große geopolitische Lage beherrschen wollen. Einflusssphären, Rohstoffe, Verbündete.
Wie sich die Lage in den kommenden Tagen und Wochen entwickelt, darüber haben beide Seiten die Kontrolle längst verloren. Oder wie die iranische Führung es ausdrückt: Man wolle niemals einen Krieg anfangen. Aber man werde sich verteidigen. Mit dieser Argumentation könnte Teheran jederzeit Krieg führen. Da bleibt mir nur zu sagen: إن شاء الله ('in sha' allah). And God Bless America.
WAS STEHT AN?
In Washington war es lange Zeit üblich, dass die Regierung schlechte Nachrichten freitags veröffentlichte. So zum Beispiel die Dokumente über die zweifelhafte Zeit von US-Präsident George W. Bush in der texanischen Nationalgarde. Oder die Stellungnahme der Regierung zum Foltergefängnis Abu Ghraib im Irak. Es ist quasi ein Relikt aus der Zeit des Print-Journalismus. Die Zeitungen für das Wochenende waren schon vollgeschrieben, die Journalisten mental schon im Wochenende. Das ist heute bekanntermaßen anders: Social Media und die Online-Medien sind nie offline, die Abendnachrichten im Fernsehen werden jeden Tag gleich produziert.
Die Kirchen in Deutschland haben sich offenbar entschieden, ihre schlechten Nachrichten trotzdem an einem Freitag zu veröffentlichen. Heute geben sie ihre Austritts-Mitgliederzahlen für das vergangene Jahr bekannt. Die Nachrichtenagentur dpa hat passenderweise schon ein Korrespondentenstück mit der Überschrift "Es fühlt sich gut an – Schlange stehen für den Kirchenaustritt" angekündigt.
Doch jegliche Häme verbietet sich. Die Erosion der Bindungskraft der großen Kirchen wird gesellschaftlich zum Problem, weil sie vielen Menschen Halt gibt, Rat spendet und ihre Einrichtungen konkrete Hilfestellung leisten. Es fehlt sinnstiftender Ersatz, gerade in einer Welt, die von vielen Menschen als zunehmend kompliziert empfunden wird.
Wie gut, dass wir ab heute im Sport wieder Halt finden können. Es wird wieder Fußball gespielt. Die 3. Liga startet in die neue Saison. Wenn man wie ich im Osten Münchens aufgewachsen ist, dann erwartet einen heute Abend gleich ein Spitzenspiel: 1860 München empfängt im dauerausverkauften Grünwalder Stadion den SC Preußen Münster. Neu in der Liga mit dabei: der FC Ingolstadt 04, MSV Duisburg, Waldhof Mannheim und der 1. FC Magdeburg. Willkommen!
Angela Merkel wird in der Bundespressekonferenz erwartet. Dort ist sie öfter zu Gast, aber es ist das erste Mal seit ihren Zitteranfällen, dass sie sich den Fragen der Journalisten stellt. Vermutlich werden einige Kollegen ihr unangenehme Fragen stellen. Die Kanzlerin wird ebenso vermutlich gekonnt darauf reagieren. Ein Vorteil für Merkel: In der Bundespressekonferenz wird nicht gestanden, sondern gesessen.
Der BGH verhandelt in Karlsruhe über die einzig freilebende Wisent-Herde Deutschlands. Der Streit mit einigen Waldbauern (die die Schädigung ihrer Bäume fürchten) geht seit Jahren. Tierschützer wollen die Art in Deutschland halten. Verlieren sie vor Gericht, droht den Tieren die Abschiebung nach Polen.
WAS LESEN?
Mit 18 Jahren das Zweitligadebüt, mit 21 Jahren das erste Länderspiel für Deutschland – Bayer Leverkusens Stürmer Kevin Volland stand schon früh im Rampenlicht und kennt das Profi-Geschäft seit mittlerweile fast zehn Jahren. Besonders in der letzten Zeit irritieren den viertbesten Scorer der vergangenen Bundesligasaison allerdings einige Entwicklungen – und zwar massiv. Mein Kollege Alexander Kohne traf Volland zum Interview während des Leverkusener Trainingslagers in Österreich und war erstaunt, wie deutlich der zehnmalige Nationalspieler dabei teilweise wurde. Im Fokus: Instagram-Videos von Übersteigern, eine zu starke Fixierung auf Tore und gehypte Jungprofis.
In der Redaktion waren wir gestern fasziniert von der Frage, wie wir wohl in 30 Jahren aussehen werden. Und sind damit ganz persönlich im FaceApp-Hype angekommen. Damit sind wir aber nicht allein. Verschiedene Prominente haben bereits die App ausprobiert, in den Stores von Google und Apple wurde sie mehrere Millionen Mal heruntergeladen. Aber vielleicht sollten sie zunächst dieses Stück lesen: Denn nicht nur der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor der App. Grund: Datenschutz- und Sicherheitsbedenken. Was an den Warnungen dran ist, hat mein Kollege Ali Roodsari erklärt.
Von Flugscham keine Spur: Im Vergleich zum Vorjahr hat die Passagieranzahl im ersten Halbjahr 2019 sogar um rund fünf Prozent zugenommen. Uns liegt eine Analyse vor, die zeigt, auf welchen deutschen Flughäfen sich Reisende besonders viel mit Verspätungen herumschlagen müssen. Meine Kollegin Ana Grujić hat die exklusiven Informationen zusammengefasst. So viel sei verraten: An erster Stelle stehen nicht die Problemflughäfen in der Hauptstadt, von denen Sie sonst so viel hören.
Zum Schluss ein Spoiler zu einem Text auf t-online.de, der am Samstag erscheint – ein Interview mit einem außergewöhnlichen Sportfunktionär. Als er vor wenigen Tagen bei uns im Newsroom zu Besuch war, waren wir alle begeistert von seinen Aussagen und seiner Erscheinung. Obwohl der Mann recht klein ist. Vielleicht erkennen Sie ihn ja schon auf diesem Foto.
WAS MICH AMÜSIERT
Nun, so ist das mit uns. Wir sorgen uns um das Klima. Natürlich auch beim Fliegen.
Am Montag gibt es an dieser Stelle eine Premiere: Politik-Ressortleiterin Tatjana Heid schreibt an dieser Stelle. Deshalb spreche ich jetzt von ganzem Herzen eine Leseempfehlung aus: Verpassen Sie nicht den Tagesanbruch am Montag! Bis dahin wünsche ich Ihnen ein entspanntes Wochenende.
Ihr
Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Twitter: @peterschink
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