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Tagesanbruch: Kampf gegen die Klimakrise – Merkels größter Fehler


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

04.12.2018Lesedauer: 7 Min.
Angela Merkel beim Dieselgipfel im Kanzleramt.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel beim Dieselgipfel im Kanzleramt. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

"Es ist eine Frage von Leben und Tod." Acht Worte, ein Satz wie ein Hammer. UN-Generalsekretär Guterres hat ihn gestern den Delegierten auf der Klimakonferenz im polnischen Kattowitz um die Ohren gehauen. Er meinte die Erderwärmung und haute gleich hinterher: Die Welt sei beim Bemühen, die Erderwärmung zu stoppen, "vom Kurs abgekommen". Im Plenum saßen die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD und der deutsche Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU. Sie sagte: Deutschland müsse "Signale geben, dass wir es ernst meinen mit der Klimafinanzierung". Er sagte: Klimaschutz sei eine "Überlebensfrage der Menschheit" und "Ursache für Hunger und Armut". Dann schütteten die beiden ein Füllhorn deutsches Steuergeld aus, verdoppelten den deutschen Beitrag zum internationalen Klimafonds auf 1,5 Milliarden Euro. Großes Hallo, allerseits Freude über den Geldsegen aus Berlin.

Etwa zeitgleich im Kanzleramt in Berlin: Die Bundeskanzlerin kündigte den zum "Dieselgipfel" angereisten Kommunal- und Landespolitikern freudestrahlend an, noch mal eine halbe Milliarde Euro in das Förderprogramm "Saubere Luft" zu pumpen und weitere 432 Millionen Euro zu spendieren, damit kleine Lkw nachgerüstet werden können und dann (hoffentlich) etwas weniger Feinstaub ausstoßen. Großes Hallo, allerseits Freude über den Geldsegen aus Berlin.

Zwei Treffen, ein Muster: Diese schwarz-rote Bundesregierung löst Probleme nicht, sondern versucht sie mit Geld zuzuschütten – mit Ihrem und meinem und dem von Millionen weiteren Steuerzahlern. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Natürlich brauchen Klimaschutzprogramme und Luftreinhaltepläne Geld, sonst funktionieren sie nicht. Aber die Spendierhosen anzuziehen kann entschiedenes politisches Handeln, unbequeme Gesetze und Verordnungen nicht ersetzen. Das aber würde die Bereitschaft voraussetzen, sich mit Lobbygruppen, der Autobranche, der Luftfahrtindustrie ernsthaft anzulegen – und die Lösung der Klimakrise als Priorität Nummer eins zu behandeln. Davor scheut diese Bundesregierung zurück. Nach dem großkoalitionären Sommertheater fürchtet sie das eigene Ende, die Wähler, die chaotische internationale Gemengelage, die früher Politik hieß. Also wirft sie die sprudelnden Steuermilliarden mit vollen Händen zum Fenster hinaus und hofft, sich von den Problemen freikaufen zu können.

Der Haken ist: So werden die Probleme zwar vielleicht kurzzeitig eingedämmt – aber nicht gelöst. Weil die Autohersteller Verkehrsminister Scheuer und Kanzlerin Merkel seit Monaten auf der Nase herumtanzen und sich weigern, den von ihnen angerichteten Schlamassel aufzuräumen, weil die Deutsche Umwelthilfe Fahrverbote in immer mehr Städten einklagt und weil der Groll bei immer mehr Dieselfahrern wächst, muss nun zack, zack irgendeine Lösung her. Also noch mehr Geld ausgeben und dann hoffen, dass die Feinstaubbelastung irgendwie sinkt. Dass sich die Verwaltungsrichter in all den Städten durch alle möglichen "Maßnahmen" besänftigen lassen und bitte, bitte auf möglichst viele der 65 drohenden Fahrverbote verzichten. Das ist keine Politik, das ist Roulette. Und der Einsatz ist unser Geld.

Was die Lage noch prekärer macht: Während die Kanzlerin in Berlin Geld verjubelte, wäre sie in Kattowitz dringend gebraucht worden. In einer Welt der Trumps, Erdogans, Putins, Xis gibt es nicht mehr viele Spitzenpolitiker von Weltformat, denen die Chefs und Diplomaten anderer Staaten vertrauen, denen sie zu folgen bereit wären. Merkel hat diesen Status als eine von wenigen – aber sie verzichtet darauf, ihn zur Lösung der Klimakrise einzusetzen. So hat uns der gestrige Tag symptomatisch das größte Versäumnis dieser Kanzlerin vor Augen geführt. Es ist nicht der Umgang mit den Flüchtlingen, nicht die Migrationspolitik, wo sie (viel zu) spät in geordnete rechtsstaatliche Verfahren umgesteuert hat. Es ist ihre Entscheidung, den Kampf für den Klimaschutz unter ferner liefen zu behandeln und damit die Zukunft unserer Kinder und Enkel aufs Spiel zu setzen. Deutschland liegt beim Ausstoß von Kohlenstoffdioxid nicht in der Spitzengruppe – aber weit vorn.

Wie gravierend die Erderwärmung das Leben auf unserem Planeten verändern wird, zeigen die Kollegen von "Tagesschau.de" in einer eindrucksvollen Grafik. Klicken Sie ruhig mal darauf und schauen Sie, wie heiß es künftig an dem Ort wird, an dem Sie gerade leben. Kleiner Vorgeschmack: Falls Sie Frankfurter sind, dürfen Sie Ihre Kinder und Enkel auf Temperaturen wie in Malawi vorbereiten.

Das Problem ist: Die Länder der Welt können sich gut und gerne noch zu 25 weiteren Klimagipfeln treffen, tagelang reden und zig Communiqués verabschieden – ein effektiver Klimaschutz funktioniert nicht, solange die Staats- und Regierungschefs mit dem Finger aufeinander zeigen und sagen: Geht ihr voran! Solange die G20-Länder, die für vier Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, auf ihren "Gipfeln" – wie dem Kaffeekränzchen in Buenos Aires – die Klimakrise weitgehend links liegen lassen. Der Geist der G20 sei tot, die Länder sollten ihre Treffen künftig lieber bleiben lassen, schreibt unser Kolumnist Gerhard Spörl.

Deutschland hätte beim Klimaschutz schon vor Jahren mutig und beherzt vorangehen können. Weil es die nötigen wissenschaftlichen Kapazitäten mit finanziellen Ressourcen und internationalem politischen Gewicht vereint. Die Bundesrepublik hätte zum Vorreiter einer entschlossenen Klimapolitik erst in der EU, dann in der Welt werden können. Stattdessen: eine verkorkste Energiewende, ein verschleppter Kohleausstieg, eine jahrelange Dieselkrise, eine ewiggestrige Verkehrspolitik, die Autos und Flugzeuge begünstigt und den Bahn-Ausbau vernachlässigt. Und, am schlimmsten, das demonstrative Desinteresse der Regierungschefin an Klimafragen. Das, mit Verlaub, ist der größte Makel der Merkel-Jahre. Das wird das große Versäumnis sein, über das unsere Enkel in 20, 30 Jahren in den Geschichtsbüchern lesen werden. Es ist das Versagen unserer Generation, für das unsere Enkel uns verantwortlich machen werden, wenn sie eine Dürre nach der anderen aushalten müssen, mit Klimaflüchtlingsströmen und Artensterben ungeahnten Ausmaßes konfrontiert sein werden.

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So langsam scheint das auch der Bundesregierung zu dämmern. Umweltministerin Schulze beschwor gestern vollmundig das im kommenden Jahr geplante deutsche Klimaschutzgesetz: dieses solle "Anstrengungen in allen Sektoren festschreiben". Sollte es diese Bundesregierung dann noch geben, müssen wir sie an ihr Versprechen gemahnen.

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WAS STEHT AN?

Kampf um den CDU-Vorsitz, Tauziehen um den EU-Haushalt, Digitalgipfel – viele wichtige Termine stehen heute an, aber ein anderer ist mir noch wichtiger: Fast 15 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich in einer Bürgerinitiative, einem Sportverein, einer sozialen oder ähnlichen Organisation, und es werden immer mehr. Das ist eine großartige Leistung und eine unverzichtbare Säule unserer Bürgergesellschaft. Schön also, dass all diese Menschen am Tag des Ehrenamtes selbst einmal geehrt werden. Der ist zwar erst morgen, aber schon heute verleiht Bundespräsident Steinmeier 28 Verdienstorden – in diesem Jahr für herausragendes Engagement in der Gedenk- und Erinnerungskultur. Falls Sie selbst ein Ehrenamt ausüben, erlaube ich mir, Ihnen heute im Namen meiner Redaktion ein herzliches Dankeschön zu sagen. Falls Sie (noch?) keines ausüben, aber jemanden kennen, der sich ehrenamtlich engagiert, dürfen Sie den Dank gern weitergeben. Und falls Sie sich mit dem Gedanken tragen, eines zu übernehmen, können Sie sich hier informieren.

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In der schier unendlichen Geschichte des Brexits wird heute das entscheidende Kapitel aufgeschlagen: Am Nachmittag kommen die Abgeordneten im britischen Parlament zusammen, um fünf (ja: 5) Tage lang über das Abkommen mit der EU zu disputieren. Abgestimmt wird dann am 11. Dezember. Stimmen die Parlamentarier der Vereinbarung zu (was nach derzeitigem Stand unwahrscheinlich ist), sind die Briten ab dem 29. März draußen. Lehnen sie den Vertrag ab, geht das Chaos erst richtig los. Einen ungeordneten Brexit würden viele Branchen der britischen Wirtschaft schwerlich überstehen, am wahrscheinlichsten ist nach derzeitigem Stand ein hektisch geschmiedeter neuer Deal, demzufolge Großbritannien erst einmal weiter EU-Vollmitglied bleiben würde, irgendwann ein neues Referendum abgehalten wird und dann womöglich eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der Union stimmt (nachdem das Land und seine Bürger viele Jahre für ein politisches Husarenstück vergeudet haben). Und dann werden Sie es mir bitte nachsehen, wenn ich wieder einmal den Satz schreibe: Die spinnen, die Briten.

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Erwähnte ich oben die deutschen Autokonzerne? Ach ja: Deren Chefs fliegen heute nach Washington, um mit US-Regierungsvertretern über den Zollstreit zu sprechen. Die Karten sind bei diesem Treffen klar verteilt: Hier die Macht, da die Männchen.

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US-Außenminister Pompeo fliegt in die entgegengesetzte Richtung: Er will heute auf dem Nato-Außenministertreffen in Brüssel erklären, wie er den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie die Zukunft der Abrüstung einschätzt – und wohl erneut verlangen, dass die europäischen Nato-Staaten mehr Geld berappen.

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Und noch ein letzter, aber wichtiger Termin: In Genf erklärt der UN-Nothilfekoordinator, wie viel Geld es im kommenden Jahr vermutlich brauchen wird, um die weltweiten humanitären Krisen zu lindern. Das letzte Mal, als die internationale Gemeinschaft die Hilferufe der Vereinten Nationen ignorierte, in den Jahren 2014/15, flohen anschließend Hunderttausende Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan nach Europa.

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WAS LESEN?

Normalerweise empfehle ich an dieser Stelle längere Artikel und besondere Videos, aber manchmal reicht auch schon eine kleine Meldung, um uns eine Geschichte zu erschließen. Oder besser: ganz viele Geschichten. Diese hier handelt von all den Menschen in Westdeutschland, die bis zum Mauerfall im Jahr 1989 Pakete an Freunde und Verwandte in der DDR schickten, von all den DDR-Bürgern, die sich wunderten, wenn die angekündigten Pakete nicht oder nur unvollständig eintrafen – und von Hans-Jürgen Niehof. Der war damals DDR-Postminister und hat jetzt dem MDR erzählt, was mit den Paketen aus dem Westen geschah. Und wer sich daran bereicherte.

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Wenn Sie regelmäßig den Tagesanbruch lesen, wissen Sie, dass ich die sozialen Netzwerke kritischer als viele andere Menschen beurteile. Ein Problem auf Facebook, YouTube und Co. sind all die Lügen, Halbwahrheiten und Gerüchte, die ungehindert und massenhaft verbreitet und leider von vielen Menschen geglaubt werden. Das ist schon hierzulande ein Problem, aber andernorts ist es das noch viel stärker, wie mein Kollege Felix Huesmann von watson.de berichtet. In Nigeria führten gezielt gestreute "Desinformationen" dazu, dass sich der Präsident genötigt fühlte, ein Dementi abzugeben: Nein, er sei kein sudanesischer Doppelgänger seiner selbst! In anderen Fällen hatten die Lügen sogar tödliche Folgen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Ich weiß ja nicht, wie Sie sich im Chemieunterricht geschlagen haben. Wie Sie reagieren, wenn Ihnen jemand verkündet, er habe da eine echt total interessante Reaktion von Aluminium und Quecksilber gesehen. Ob Sie (a) schon bei "Reaktion" abgeschaltet haben oder (b) erst bei "Quecksilber" – oder sind Sie (c) hellhörig geworden? Die richtige Antwort ist übrigens (c). Auch für die Damen und Herren von (a) und (b).

Ich wünsche Ihnen einen überraschend schönen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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