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Tagesanbruch: Genmanipulierte Babys geboren – wir machen Gott Konkurrenz


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 27.11.2018Lesedauer: 6 Min.
He JiankuiVergrößern des Bildes
He Jiankui (Quelle: Mark Schiefelbein/AP dpa/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Was sind wir doch für eine großartige Spezies! Wir erfinden Medizin gegen den Krebs. Wir fliegen schneller als der Schall. Wir schicken Roboter auf den Mars. Wir erschaffen Menschen nach unseren Vorstellungen.

Wie bitte?

Ja, Sie haben richtig gelesen. Während gestern die Medien landauf, landab über die russisch-ukrainische Eskalation im Asowschen Meer und den Spendenskandal der AfD berichteten, ging eine andere Meldung fast unter: Im fernen China will ein Forscher die weltweit ersten genmanipulierten Babys gezüchtet haben. Verzeihen Sie mir bitte dieses harte Verb, aber drastische Ereignisse muss man drastisch beschreiben. Trifft zu, was der Universitätsprofessor He Jiankui verkündete, und bislang gibt es wenige Gründe, daran zu zweifeln, dann hat die Menschheit im Jahr des Herrn zweitausendundachtzehn eine Grenze überschritten. Sie hat etwas getan, wovor Wissenschaftler, Politiker und Philosophen seit Jahren warnen: Einer von uns, ein Mensch wie Sie und ich, hat Gott gespielt.

Und wie das so ist im Jahr 2018, spricht Gott zuerst auf Youtube: “Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“, frohlockte Herr He in einem Video – und erklärte dann, wie er die Gene der Zwillinge manipuliert habe, um diese resistent gegen HIV zu machen. Mithilfe einer sogenannten “Gen-Schere“ (einem Enzym) schnitt er das Erbgut (die blaue Doppelhelix) der Mädchen an einer bestimmten Stelle entzwei und tilgte so das Risiko, dass die Kinder wie ihr Vater an der Immunschwäche Aids erkranken. “Ich weiß, dass meine Arbeit Diskussionen auslösen wird, aber ich glaube, dass Familien diese Technologie brauchen. Und ich bin bereit, für sie die Kritik auf mich zu nehmen“, sprach der Mensch, der nun Gott ist.

Kritik ist allerdings ein zu kleines Wort für das, was Gott gestern aus der akademischen Welt entgegenbrandete: “Verrückt!“ “Unverantwortliche Menschenversuche!“ “Ein Super-GAU für die Wissenschaft!“ “Ein Verstoß gegen Menschenrechte!“ “Er hat die Büchse der Pandora geöffnet!“ Die Empörung wollte gar nicht mehr abebben. Sogar die Leitung der Universität in Shenzhen, an der Herr He, pardon: Gott, forscht, zeigte sich erschüttert: “Wir sind zutiefst schockiert.“ Die Arbeiten seien in einem Labor außerhalb der Hochschule und ohne Kenntnis der Universitätsleitung durchgeführt worden.

Das mag alles zutreffen, aber es kann das Geschehene nicht ungeschehen machen – ebenso wenig wie sich nun verhindern lassen dürfte, dass andere Mediziner und Gentechniker Herrn He-Gott nacheifern, sein Werk kopieren und zu übertrumpfen versuchen werden. Aber weder sie noch sonst jemand kann voraussehen, was geschieht, wenn sich auf unserem Planeten Menschen verbreiten, deren Gene künstlich zusammengestückelt worden sind. Was diese Eingriffe in unsere DNA für die Fortpflanzung, die Verbreitung von Krankheiten und resistenten Keimen bedeuten. Und irgendwann wird der Tag kommen, an dem Ärzte es angehenden Eltern nicht mehr verweigern können, dass diese ihr Kind wie im Katalog zusammenstellen. Blondes Haar bitte und grüne Augen, 1,88 Meter groß, resistent gegen Diabetes, Karies und Demenz, und 120 Jahre alt soll es mindestens werden. Ach ja, und wo wir schon einmal dabei sind, bitte mit einem devoten Hang zum Gehorchen. Erzieht sich dann nämlich leichter.

Sie meinen, ich schreibe Kokolores? Dann schlagen Sie bitte in einer freien Minute das Buch “Homo Deus“ des israelischen Autors Yuval Noah Harari auf. Er beschreibt anschaulich, zu welch zweifelhaften Leistungen die Wissenschaft heute fähig ist und wie diese die Menschheit radikal verändern können. Nur habe es bisher noch keinen nachgewiesenen Fall eines genmanipulierten Menschen gegeben, sagte Harari vor einiger Zeit in einem Vortrag. Dank Herrn He-Gott wird er seinen Vortrag nun wohl umschreiben müssen.

“Du sollst nicht andere Götter haben neben mir“, hat der Allmächtige einst von uns verlangt. Im Herbst des Jahres zweitausendundachtzehn hat er in Herrn He aus Shenzhen seinen Meister gefunden.

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Wir bleiben in der Medizin: Beinahe ebenso gruselig wie die chinesische Genmanipulation klingt das, was Journalisten unter Federführung der “Süddeutschen Zeitung“ recherchiert haben: In Deutschland und andernorts werden immer mehr Patienten durch medizinische Implantate geschädigt. Hierzulande seien allein im vergangenen Jahr 14.034 Mal Verletzungen, Todesfälle und andere Probleme im Zusammenhang mit Medizinprodukten wie künstlichen Hüft- oder Kniegelenken, Brustimplantaten oder Insulinpumpen gemeldet worden. Der Kern des Problems: Für Medizinprodukte gibt es keine staatliche Kontrolle. Hier bekommen Sie einen knappen Überblick über die Enthüllung. Das Gesundheitsministerium will nun eine Behörde aufbauen, bei der alle Implantate gemeldet werden müssen. Zeit wird’s.

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WAS STEHT AN?

Eigentlich sucht die CDU ja einen neuen Chef, aber de facto kennt die Partei gerade kein anderes Thema mehr als den Globalen Migrationspakt. Jeder, der in der Partei etwas zu sagen hat, hat mindestens einen Satz dazu zu sagen (und sagt nicht selten zwei Tage später das Gegenteil). Immerhin das Prozedere steht nun fest: Noch in dieser Woche wollen Union und SPD im Bundestag über den Pakt debattieren und anschließend den nötigen Entschließungsantrag mit ihrer Mehrheit durchwinken. Anfang Dezember will die CDU auf ihrem Krönungsparteitag dann noch einmal über den Pakt diskutieren und noch einmal darüber abstimmen. Doppelt hält besser.

Den Entschließungsantrag wiederum will die CDU/CSU-Fraktion heute Nachmittag ausführlich… Sie erraten es: diskutieren. Dreifach hält noch besser. Nachdem sie die öffentliche Diskussion zu dem Thema wochenlang versäumt haben, wollen die von der Kritik aufgeschreckten CDU-Leute nun alles sehr, sehr gründlich machen.

Apropos: Vergangene Woche bemäkelte ich die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zum Migrationspakt in den sozialen Medien. Ich bleibe dabei, dass Kanzleramt und Ministerien dort viel zu wenig getan haben, um über das Thema aufzuklären. Aber immerhin einige Beiträge auf Facebook gab es dann doch, beispielsweise hier und hier.

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Auf der Berliner Sicherheitskonferenz wird heute sicher über den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gesprochen. Von deutscher Seite redet Verteidigungsministerin von der Leyen mit.

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In Paris präsentiert das UN-Umweltprogramm heute seine Daten zum Stand der weltweiten Klimaschutzbemühungen: Kommen die Staaten wirklich voran?

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In Dortmund wird das Urteil im Prozess um den Bombenanschlag auf das Team von Borussia Dortmund gefällt. Der Angeklagte Sergej W. hat gestanden, im April 2017 drei Splitterbomben vor dem Mannschaftshotel gezündet zu haben. Dadurch wollte er einen Einbruch der BVB-Aktie auslösen, von dem er selbst profitiert hätte. Die Anklage lautet auf 28-fachen Mordversuch.

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Was Sie hier sehen, sind sogenannte "Gelbwesten" – allerdings nicht in Frankreich, sondern bei einer Aktion in Köln am vergangenen Wochenende. Wie Sie außerdem sehen, demonstrieren die Aktivisten, anders als in Frankreich, nicht gegen hohe Spritpreise oder die Mineralölsteuer. Unser Rechercheteam hat das Foto im Messenger-Dienst Telegram gefunden. Dort braut sich was zusammen: Dutzende regionale Gruppen organisieren Protestaktionen gegen die Obrigkeit. Manchen geht es um den UN-Migrationspakt – anderen um einen politischen Umsturz in Deutschland. Eine obskure Szene, über die wir hier exklusiv berichten.

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Was ist nur aus dem Uli geworden? Jahrzehnte lang residierte er unumstritten auf dem Chefsessel von Deutschlands größtem Fußballklub. Heute hockt er grantig und unsouverän am Katzentisch. Seine Sprüche faucht er zum falschen Zeitpunkt, sie verpuffen oder schüren im Verein noch mehr Unruhe. Dem Trainer hat Hoeneß eine Jobgarantie für ein einziges Spiel gegeben. Für Niko Kovac könnte also nach der Partie gegen Benfica Lissabon heute Abend in der Champions League (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online.de) schon Schluss sein – obwohl Hoeneß vor einigen Wochen noch verkündet hatte, Kovac “bis aufs Blut“ zu verteidigen. Unser Kolumnist Stefan Effenberg hat sich deshalb heute nur dieses Thema vorgenommen: den Uli und dessen Strukturen beim FC Bayern. Er kommt zu einem vernichtenden Urteil.

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WAS LESEN?

Diesen Spitzbuben kennen Sie, oder? Das Kleine… genau. Erfunden hat es Walter Moers – neben Hunderten anderen schrägen Figuren. Sein Humor ist politisch vollkommen inkorrekt und gerade deshalb zum Kreischen komisch. Pünktlich vor Weihnachten veröffentlicht der bekennende Weihnachtshasser jetzt eine neue CD, die es auch als LP gibt (das sind diese schwarzen Scheiben mit den Rillen drin): "Weihnachtsfest auf der Lindwurmfeste". Was zur Hölle hat er sich dabei gedacht? Meinem Kollegen Helge Denker hat er’s verraten.

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Unser Interview mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat eine angeregte Debatte unter den Leserinnen und Lesern von t-online.de entfacht. Viele von ihnen interessieren sich vor allem für die Rente – also haben meine Kollegen Caroline Mayr und Nicolas Lindken die Fragen gesammelt und den Minister damit konfrontiert. Wie will die Bundesregierung das Rentenniveau halten, wenn wir alle immer älter werden? Hier sind die Antworten.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Wussten Sie, dass ich die nettesten Leserinnen und Leser Deutschlands habe? Klar wussten Sie das, Sie sind ja eine oder einer davon. Eine geschätzte Leserin schickte mir nun ein Video. Eigentlich ist darauf gar nicht so viel zu sehen: ein Wäldchen auf der japanischen Insel Hokkaido, in dem Gartenarchitekten eine ganz besondere Installation aufgebaut haben. Müssen Sie nicht sehen, finden Sie langweilig, meinen Sie? Das wäre ein Fehler. Machen Sie bitte die Augen auf – und vor allem die Ohren!

Nach diesem Erlebnis kann Ihr Tag nur entspannt beginnen.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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