Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Was heute Morgen wichtig ist

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
Eine einfache Aktion bestimmt seit Tagen die Diskussionen in Deutschland. Journalist Ali Can hat vor vier Tagen auf Twitter unter dem Hashtag #MeTwo ein Forum geöffnet – auf dem Menschen mit Migrationshintergrund über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus berichten können. Bereits 60.000 Menschen haben dieses Angebot wahrgenommen.
Wir haben mit dem Journalisten und Buchautor aus Gießen gesprochen, kurz nach einem Interview mit Al Jazeera, auf dem Weg zum Flughafen, unterwegs zum nächsten Termin. Er ist gefragt in diesen Tagen.
"Es kommen einige, die sagen mir: Ich habe auch schon Rassismus erlebt, und ich bin Deutscher", sagt er. "Oder: Was ist denn mit den kriminellen Ausländern? Oder den vielen Deutschen, die mit Rassismus nichts am Hut haben? Aber darum geht es jetzt gerade nicht. Es geht jetzt erst einmal darum, zuzuhören. Den Menschen, die ihre Geschichten erzählen."
Ali Can fordert ein neues Verständnis von Deutschland. Alle sollen sich an die freiheitlich-demokratische Grundordnung halten. Dann ist es egal, woher jemand kommt, wo jemand geboren ist. Das sollte niemand mehr anzweifeln dürfen. Er fordert von der Regierung, sich für einen Anti-Rassismus-Ethos einzusetzen, nennt das einen Aufstand des Anstands.
"In Schulen, Unternehmen und Bundesbehörden muss gelehrt werden, den Artikel 3 des Grundgesetzes besonders ernst zu nehmen. Niemand darf wegen seiner Herkunft oder seiner Religion benachteiligt werden. Das ist die wichtigste Grundlage für unser Zusammenleben. Es ist Aufgabe des Heimatministeriums, sich darum zu kümmern."
Ali Can verändert gerade die Gesellschaft – einfach dadurch, dass er Geschichten erzählen lässt. Er ist 24 Jahre alt. Das komplette Interview lesen Sie ab heute Mittag exklusiv auf unserer Seite.
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Das Verhältnis zwischen Europa und den USA ist unter Donald Trump auf dem Gefrierpunkt angelangt. Der US-Präsident sieht Angela Merkel als Rivalin, Theresa May als Enttäuschung und die anfängliche Bromance mit Emmanuel Macron ist auch abgekühlt. Trump stellt die Beistandsgarantie der Nato in Frage und sieht die EU als Hauptgegner im Handelsstreit.
Nur mit der neuen Populistenregierung in Italien scheint gerade so etwas wie eine US-europäische Freundschaft zu entstehen.
Das zeigte sich beim Besuch von Premier Giuseppe Conte in Washington. Trump sieht im italienischen Regierungschef einen Verbündeten, wenn es darum geht, die EU zu schwächen, den Dialog mit Russland zu fördern und eine harte Abschottungspolitik an den Grenzen durchzusitzen. Deshalb hat er Conte in Washington regelrecht hofiert.
Anschließend war er so aufgekratzt, dass er sogar ein Treffen mit der iranischen Regierung in Aussicht stellte – ohne Bedingungen und jederzeit. Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold war im Weißen Haus dabei.
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Mit einem Brandbrief hatten republikanische US-Senatoren britische, deutsche und französische Botschafter davor gewarnt, die US-Sanktionen ab dem 6. August gegen den Iran zu unterlaufen. In Deutschland hat das gespaltene Reaktionen hervorgerufen.
"Ich halte dieses Schreiben der zehn Senatoren für einen unter Partnern eher unüblichen Vorgang. Davon sollten wir uns jedoch nicht irritieren lassen", zeigte sich Nils Schmid verwundert, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag.
Anders sieht es FDP-Außenpolitikexperte Alexander Graf Lambsdorff: "Kritik unter Freunden ist möglich. Das gilt für den Brief der republikanischen Senatoren ebenso wie für unsere Kritik am einseitigen Rückzug der USA aus den Nuklearabkommen mit dem Iran.“
Einig sind sich beide Politiker nur darin, dass die deutsche Regierung trotz der drohenden Sanktionen für deutsche Unternehmen nicht vom Atomabkommen mit dem Iran abrücken sollte: Schmid: "Die Bundesregierung sollte selbstbewusst und gelassen auf dieses Schreiben reagieren und an ihrer bisherigen Linie festhalten."
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Essen Sie gerne Pommes? Oder haben Sie Kinder, die gerne Pommes essen? Dann sollten Sie die folgende Meldung vielleicht überspringen. Oder ganz stark sein.
Denn der heiße Sommer treibt auch den Bauern die Schweißperlen auf die Stirn. Und daran sind nicht nur die hohen Temperaturen schuld. Besonders die anhaltende Trockenheit ist ein Grund zur Sorge. Der Bauernverband rechnet mit der schlechtesten Ernte des Jahrhunderts – und fordert Hilfe in Höhe von einer Milliarde Euro.
Auch für Verbraucher hat das Folgen: Das Lebensmittelangebot wird knapper und die Preise steigen. Selbst Importe ändern nichts an der Lage: Denn in unseren Nachbarländern ist die Lage genauso schlimm.
Welche Lebensmittel teurer werden, lesen Sie hier. Kartoffeln gehören dazu. Kartoffelbauern rechnen mit 20 Prozent Ertragsminus. Der Preisanstieg soll im Herbst beginnen – dann kommt die Haupternte in den Handel. Die höheren Preise betreffen dann nicht nur Pommes. Sondern auch Chips sind davon betroffen.
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WAS STEHT AN?
Drei verletzte Frauen, sieben verletzte Männer, ein Ungeborenes stirbt im Mutterleib: Sprachschüler waren die Opfer des Bombenanschlags vom 27.Juli 2000, der auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Düsseldorf-Wehrhahn offenbar gezielt gegen junge Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gerichtet war.
Kanzler Gerhard Schröder rief danach den "Aufstand der Anständigen" gegen rechtsradikalen Hass aus. Heute, 18 Jahre später soll ein Urteil über den mutmaßlichen Attentäter gefällt werden, den 52-jährigen rechtsextremen Militaria-Händler Ralf S.
Doch vieles deutet darauf hin, dass die Strafkammer ihn freisprechen will: Sie glaubt, zu wenige Beweise für die Täterschaft des Angeklagten zu haben. Wer war es dann? Doch der NSU, wie manche Experten vermuten?
Das Urteil wird voraussichtlich am Vormittag verkündet, unser Kolumnist Dietmar Seher rollt den ganzen Fall am Nachmittag noch einmal für Sie auf.
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"Dr. Steelhammer" offen wie nie: Mein Kollege David Digili hat Box-Legende Wladimir Klitschko in Hamburg zum Interview getroffen – und der 42-Jährige macht ein überraschendes Geständnis: "Ich habe Boxen nicht geliebt."
Der ehemalige Schwergewichts-Champ erinnert sich auch an den Tiefpunkt seiner Karriere: "Ich war der Loser der Klitschko-Brüder. Die Zeiten waren brutal schwer. Mein eigener Bruder sagte mir: Du musst mit dem Sport aufhören."
Klitschko spricht auch über den Einfluss seines älteren Bruders Vitali auf seine Karriere, verrät, warum sein letzter Kampf gegen Anthony Joshua trotz Niederlage "ein Segen" für ihn war – und kritisiert den Boxsport mit deutlichen Worten: "Das Boxen muss transparenter werden. Die wichtigsten Faktoren werden mit Füßen getreten: Die Athleten und die Fans.“
Das ganze Interview lesen Sie heute Vormittag auf unserer Seite – und als Abonnent des Tagesanbruchs schon jetzt und hier.
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Die Kosten für den Urlaub durch die Vermietung der eigenen Wohnung zu finanzieren – das war mit dem Service von Airbnb lange problemlos möglich. Doch in Großstädten wie Berlin hat Airbnb indirekt zur Wohnungsnot beigetragen.
Manche missbrauchten das System und begannen massenhaft Mietwohnungen nur noch an Touristen zu vermieten. Das trieb die Mieten in die Höhe und schmälerte die Steuereinnahmen für das Gastgewerbe.
In einigen Städten sollen strengere Regeln nun dieser Entwicklung entgegenwirken. So wie in Berlin, wo Vermieter ab morgen mit Bußgeldern rechnen müssen, wenn sie keine behördliche Genehmigung vorweisen können. Was Sie beachten müssen, wenn Sie über Airbnb mieten oder vermieten, erfahren Sie hier.
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WAS LESEN?
Robert Fisk ist ein britischer Journalist, der als Nahostkorrespondent für die britische Zeitung "The Independent" in der libanesischen Hauptstadt Beirut lebt. Bei einer Reise nach Aleppo findet Fisk im Untergeschoss eines ausgebombten Hauses das Gehäuse eines Geschosses.
Darauf ist eine Kombination aus Nummern und Zahlen abgedruckt – eine Art Fingerabdruck, nichts anderes als der Stempel auf Hühnereiern, der Auskunft gibt über Herkunftsbetrieb, Alter, bio oder nicht. Fisk, ganz Journalist, verfolgt die Nummer zurück bis zum Hersteller.
Seine Recherche führt ihn unter anderem zu Raytheon, einem US-Rüstungskonzern, der im vergangenen Jahr 25 Milliarden US-Dollar umsetzte, an dem unter anderem die Bank of America und die Deutsche Bank beteiligt sind.
Nach Fisks simpler, aber ungemein effektiver Recherche kann niemand mehr sagen, er weiß nicht, wo die Waffen herkommen, die in Syrien eingesetzt werden.
Ich wünsche Ihnen einen diskussionsfreudigen Dienstag.
Ihr Rüdiger Schmitz-Normann
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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