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Kanzler Olaf Scholz in der Krise: "Das sorgt für einen Vertrauensverlust"


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Kanzler in der Krise
"Das sorgt bei vielen für einen Vertrauensverlust"


Aktualisiert am 20.06.2022Lesedauer: 3 Min.
Olaf Scholz: Der Kanzler und die SPD verlieren in Umfragen gegenüber den Grünen an Beliebtheit.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Der Kanzler und die SPD verlieren in Umfragen gegenüber den Grünen an Beliebtheit. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Der Kanzler zaudert in der Ukraine-Politik. Seine Umfragewerte sinken, das Unbehagen an seiner Führungsstärke wächst. Eine Expertin erklärt, wie Olaf Scholz das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen könnte.

Olaf Scholz ist seit dem 8. Dezember 2021 Bundeskanzler. Die Monate waren ereignisreich: Derzeit muss er sich nicht nur weiter mit der Corona-Pandemie befassen, sondern auch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seine bisherige Bilanz ist aus Sicht der Deutschen mau: Die Umfragewerte für ihn und für die SPD sinken seit Wochen. Verliert der Kanzler durch sein Krisenmanagement Vertrauen in der Bevölkerung?

Eva Schulte-Austum ist Expertin, wenn es um das Thema Vertrauen geht. Seit über zehn Jahren beschäftigt sich die Wirtschaftspsychologin mit dem Thema. Sie hat mehr als 350 Interviews in neun Ländern geführt, mit verschiedenen Experten gesprochen und dabei immer wieder dieselben Fragen gestellt: Wie kann man Vertrauen aufbauen? Und wie gewinnt man es zurück?

Die Zahlen: Union und Grüne liegen im aktuellen ZDF-"Politbarometer" fast gleichauf (Stand: 17. Juni 2022). CDU/CSU bleiben zwar mit weiterhin 26 Prozent auf dem ersten Platz, die Grünen folgen jedoch mit nun 25 Prozent (plus ein Prozentpunkt) in der am Freitag veröffentlichten Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen knapp dahinter. Die SPD verharrt mit 22 Prozent auf dem dritten Platz.

"Der einfachste Weg, Vertrauen zu gewinnen, ist es, Versprechen einzuhalten", sagt Schulte-Austum. "Politiker tun das ungern, weil sie sich daran auch messen lassen müssen." Doch genau das sei auch das Problem: fehlende Transparenz, auch bei Entscheidungsprozessen. Zu wenige Informationen würden immer zu Misstrauen führen.

Das habe man etwa auch in der Corona-Pandemie gesehen. Kommunikation habe da häufig nicht auf Augenhöhe stattgefunden, das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Entscheidungen sank. "Die Menschen wollen ernst genommen werden", erklärt die Expertin. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel habe diesen Spagat sehr gut beherrscht. Das habe sie auch gezeigt, als sie sich für die Osterruhe entschuldigt habe. "Sie suchte Konsens, nie den Konflikt. Sie vermittelte, dass sie die Sorgen der Bevölkerung sieht und ernst nimmt. Das hat großes Vertrauen in sie geschaffen."

Es gibt laut Eva Schulte-Austum sechs konkrete Dinge, die Politiker tun können, um Vertrauen aufzubauen.

1. Entschlossenheit zeigen: "Baerbock bezieht Stellung, Scholz zögert. Das sorgt bei vielen für einen Vertrauensverlust", erklärt die Expertin.

2. Klarheit bieten: "Klar sagen, was Sache ist. Auch mal Fehler eingestehen."

3. Orientierung geben: Dazu gehöre Transparenz bei den Entscheidungen, und man müsse der Bevölkerung auch aufzeigen, wie es weitergehe, so Schulte-Austum.

4. Zuversicht stiften: "Kanzler Scholz müsste jetzt verdeutlichen, dass Deutschland und die westlichen Länder Wladimir Putin auch etwas entgegenzusetzen haben."

5. Präsent sein: Man könne es deutlich am Beispiel von Annalena Baerbock sehen. Die Außenministerin sei omnipräsent, ist zwischenzeitlich die beliebteste Politikerin Deutschlands gewesen. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mache genau das: "Er zeigt eine Heldenreise, seine Kämpfer lassen ihr Leben für ihn", so die Vertrauensexpertin. Selenskyj mache alles richtig, Scholz hingegen nicht. "Da hilft auch nicht ein Besuch in der Ukraine, nach mehr als 110 Tagen Krieg."

6. Transparenz schaffen: "Wo stehen wir? Wie geht es weiter? Entscheidungswege müssen nachvollziehbar sein", sagt sie. Meistens sei es so, dass das menschliche Gehirn bei fehlenden Antworten vom Schlimmsten ausgehe. "Das schadet nicht nur Politikern, sondern auch den Demokratien." Rechte Politiker hätten es sich etwa zunutze gemacht, dass die Bevölkerung Misstrauen hinsichtlich der Bekämpfung der Corona-Pandemie entwickelt habe.

Bei der Beurteilung der wichtigsten Politikerinnen und Politiker liegt der Forschungsgruppe Wahlen zufolge Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) mit unverändert 2,1 Punkten weiterhin auf Platz eins. Er ist damit derzeit der beliebteste Politiker der Ampelregierung. Es folgt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit 1,6 (zuvor 1,9). Gleichauf bei 1,1 liegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, unverändert) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne, zuvor 1,0).

Die Expertin glaubt, dass der Kanzler gerade jetzt das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen könnte. Krisen seien dafür die beste Chance. "Scholz sagt lieber nichts als das Falsche." Es gebe drei große Säulen, auf denen Vertrauen basiere. Zum einen die Frage, ob die Person kompetent sei, ob ihr Wissen und ihre Fähigkeiten ausreichen. Zum anderen gehe es auch darum, ob die Person eine positive Absicht habe, ein Interesse, das Problem zu lösen. Ein weiterer Punkt sei die Integrität. Hält die Person Versprechen ein? Ist sie loyal?

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"Baerbock hat in kurzer Zeit das Spiel verstanden"

Das wohl beste Beispiel ist die Entwicklung von Annalena Baerbock (Grüne). Die Außenministerin zeige Kompetenz, wirke integer. "Sie hatte einen schweren Start, hat aber in kurzer Zeit das Spiel verstanden. Baerbock zeigt echte Zuversicht, steht zu ihrem Wort und ist im Vergleich zu Scholz viel präsenter."

Steigt das Misstrauen in die Regierung, hat das auch Auswirkungen auf die Gesellschaft. "Das ist wie ein Virus, verbreitet sich schnell und ist ansteckend", so Eva Schulte-Austum. Deshalb brauche es genau jetzt Menschen wie Annalena Baerbock. "Sie geht voran, nimmt die Menschen auch emotional mit. So ein Mensch ist Scholz nicht."

Für die Umfrage befragte die Forschungsgruppe Wahlen von Montag bis Mittwoch 1.133 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte. Die Fehlerquote wurde je nach Prozentwert mit plus/minus zwei bis drei Prozentpunkten angegeben.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Eva Schulte-Austum am 17. Juni 2022
  • Mit Material der Nachrichtenagentur AFP
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