Auf Facebook Fast jeder dritte Top-Kommentator der AfD vermutlich erfunden
Kontroverse Inhalte, wütende Reaktionen: Die AfD ist mit Abstand die erfolgreichste Partei in den sozialen Netzwerken. Eine Analyse des "Spiegel" legt nun nahe: Einen großen Teil ihrer aktivsten Nutzer gibt es gar nicht.
Rund ein Drittel der Topkommentatoren auf Facebook-Seiten der AfD sind höchstwahrscheinlich erfunden – also "fake" oder "unauthentische Nutzer". Das berichtet der "Spiegel" nach einer Analyse von Datensätzen, die "reset" von 700 AfD-Seiten zwischen dem 30. August und dem 10. September 2021 sammelte. Die Initiative setzt sich für digitale Demokratie ein.
"Reset" filterte von den Seiten 500 Nutzer heraus, die am aktivsten kommentierten. Das Team des "Spiegel" wiederum wählte davon stichprobenartig 150 Profile aus und untersuchte sie nach unterschiedlichen Kriterien. Das Ergebnis: Genau 30 Prozent der aktivsten Kommentatoren sind nach Einschätzung des "Spiegel"-Teams nicht echt oder verhalten sich unauthentisch. Hinweise auf Fake-Profile in den sozialen Netzwerken können zum Beispiel von anderen Nutzern oder aus Bild-Datenbanken gestohlene Profilbilder, erst vor kurzem eröffnete Accounts, geringe Vernetzung auf den Plattformen oder ein sehr einseitiges Kommentarverhalten sein.
Kommentare haben einen großen Einfluss darauf, wie prominent Inhalte auf den Plattformen an andere Nutzer ausgespielt werden. Je häufiger ein Post kommentiert wird, desto weiter wird er von Facebook verbreitet. Fake-Profile könnten der AfD so einen unlauteren Vorteil in dem sozialen Netzwerk verschaffen, warnt der "Spiegel".
Halbe Million Fans allein auf Facebook
Die AfD ist in den sozialen Netzwerken die mit Abstand erfolgreichste Partei. Während die Seiten von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken auf rund 150.000 bis 250.000 einzelne Likes kommen, hat die AfD allein mehr als eine halbe Million – und dass, obwohl sie mit Abstand die jüngste Partei ist. Erst 2013 wurde die AfD gegründet.
Die AfD weist die Vorwürfe zurück. Die Partei teilte mit, dass die Daten-Auswertung "jeglicher Grundlage" entbehre. Gleichzeitig gibt sie zu, dass auf den Kanälen der Partei auch Menschen "mit einem Phantasienamen" kommunizierten.
Eine Sprecherin von Facebook teilte mit: "Wir tolerieren keine Hassrede und Fake Accounts auf unseren Plattformen." Wenn Inhalte gegen die Standards verstoßen "oder wir darauf aufmerksam werden, entfernen wir diese".
Facebook unter Druck: "Extremste Inhalte werden an die meisten Menschen verteilt"
Facebook steht zurzeit massiv unter Druck. Die frühere Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen hatte im November eine große Sammlung interner Unterlagen heruntergeladen und dem US-Kongress, Behörden sowie ausgewählten Medien zur Verfügung gestellt. Die Informationen belegen ihr zufolge, dass der Konzern Profite über das Wohl seiner Nutzer stellt. So seien interne Hinweise auf für Nutzer schädliche Entwicklungen ignoriert worden.
"Das Problem von Facebook sind nicht schlechte Menschen oder schlechte Ideen", sagte Haugen. Es sei vielmehr die Verstärker-Rolle heutiger Systeme, die "die extremsten Inhalte an die meisten Menschen verteilen".
- Vorabmeldung des Spiegel
- Mit Material von dpa