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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zahlreiche Urheberrechtsverstöße ARD und ZDF prüfen rechtliche Schritte gegen AfD
Für ihre Parteienwerbung nutzt die AfD offenbar systematisch urheberrechtlich geschütztes Material der öffentlich-rechtlichen Sender. Das zeigen Recherchen von t-online.de.
Die AfD nutzt offenbar systematisch und in großem Umfang urheberrechtlich geschützte Inhalte vor allem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Parteienwerbung. Recherchen von t-online.de zeigen: Mit den verwendeten Inhalten erreichte die Partei in sozialen Medien Millionen von Nutzern. Sowohl das ZDF als auch mehrere Sendeanstalten der ARD prüfen nun rechtliche Schritte gegen die Partei und ihre Funktionäre.
Interviews, Talkshows, Länderspiele
Während der Recherchen auf Facebook, Twitter und YouTube stieß t-online.de auf Dutzende Posts offizieller Accounts der Partei, ihrer Funktionäre und Abgeordneten, die urheberrechtlich geschütztes Material verwenden. Meist handelt es sich um Interviews und Talkshows, in denen beispielsweise der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen oder Fraktionschefin Alice Weidel zu Wort kommen. Auch ein Ausschnitt aus einem Länderspiel der DFB-Elf wird gezeigt. Zum Teil sind die von der AfD hochgeladenen und mit politischen Botschaften versehenen Videos mit dem Partei-Logo versehen.
Vor allem an öffentlich-rechtlichen Inhalten scheint sich die AfD bedient zu haben: In mindestens 19 Fällen verwendete die Partei Material des ZDF, in mindestens 29 Fällen Material der ARD-Sendeanstalten. In mindestens sieben weiteren Fällen sind private Fernsehsender wie Sat.1, ntv und ServusTV betroffen. Auf Anfrage von t-online.de bestätigten mehrere Sender, die Verwendung des Materials sei nicht genehmigt worden – darunter ZDF, NDR, WDR, SWR, RBB und MDR. Alle kündigten die Prüfung rechtlicher Schritte an.
Sender bestätigen: Verwendung nicht genehmigt
WDR, NDR und SWR schrieben gleichlautend: "Wir geben grundsätzlich kein Material an Interessensgruppen, Verbände oder Parteien ab, sofern damit ein Veröffentlichungsinteresse verbunden ist." Auch der RBB gab an, Parteien grundsätzlich kein Material zur Verfügung zu stellen. Deswegen sei man bereits gegen die Verwendung von Sendungsinhalten durch die AfD vorgegangen.
Auf Betreiben des WDR entfernte die AfD erst vor wenigen Tagen einen Ausschnitt der Talkshow "hart aber fair" von ihrem Twitter-Account – auf dem offiziellen YouTube-Kanal der Partei war das Material allerdings auch nach Aufforderung des Senders, die Inhalte zu löschen, weiter abrufbar.
Angesprochen auf einen Ausschnitt mit Redebeiträgen Jörg Meuthens in der Talkshow "Dunja Hayali" schrieb ein Sprecher des ZDF: "Das Material wurde in diesem Fall weder der AfD vom ZDF zur Verfügung gestellt noch die Verwendung genehmigt." Grundsätzlich sehe sich das ZDF zur Neutralität und Gleichbehandlung verpflichtet. Die Rechtsabteilung prüfe rechtliche Schritte.
Parteienwerbung erreichte Millionen von Nutzern
Die von der AfD verwendeten, nicht autorisierten Inhalte erreichten ein Millionen-Publikum. Insgesamt wurden die Videos laut einer Auswertung von t-online.de über fünf Millionen Mal abgerufen. Allein der Auszug aus der ZDF-Sendung "Wie geht's Deutschland?", die Spitzenkandidatin Weidel kurz vor der Bundestagswahl im Eklat verließ, erreichte bis zu 1,1 Millionen Nutzer. Die gesamte Reichweite könnte die tatsächlichen Video-Aufrufe um ein Vielfaches übersteigen.
Der Rechtswissenschaftler und Urheberrechtsexperte Thomas Hoeren räumt den Sendern gute Chancen ein, sollten sie gegen die Verwendung des Materials durch die AfD vorgehen. "Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe aus dem Urheberrecht", sagte Hoeren im Gespräch mit t-online.de. Die Nutzung sei vom Zitatrecht nicht gedeckt, da das Material nicht zur Untermauerung der Aussagen der AfD erforderlich sei. "Sender haben in der Vergangenheit stets erfolgreich solche Plagiate bekämpft", sagte Hoeren.
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Es ist nicht das erste Mal, dass die AfD in Konflikt mit dem Urheberrecht gerät: Erst vor Kurzem hatte sich die Partei mit dem Film-Unternehmen "Constantin Film" vor dem Amtsgericht München auf eine Zahlung von 3500 Euro verständigt. Im Wahlkampf 2016 hatte sie ein nicht autorisiertes Bild aus dem Film "Die Welle" verfremdet und auf Facebook veröffentlicht. "Constantin Film" hatte die AfD daraufhin auf Schadenersatz verklagt. Auch der Verlag Piper klagt in einem ähnlichen Fall gegen die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag.
Die AfD schrieb auf Anfrage von t-online.de, dass in allen offiziellen Kanälen der Partei die Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials untersagt sei. Dafür sei ein Leitfaden erstellt worden. Juristische Streitigkeiten mit Sendern seien nicht bekannt. Bislang hätten sich keine Sender an die AfD mit der Aufforderung gewandt, Inhalte zu löschen. Beides widerspricht Angaben von WDR und RBB.
- eigene Recherchen
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