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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verprügelter SPD-Politiker "Ich lasse mich nicht zum Schweigen bringen"
Matthias Ecke wurde vor einer Woche beim Plakatekleben niedergeschlagen. Nun warnt er vor einer "organisierten Enthemmung" durch rechte Kräfte – und hat auch mahnende Worte für Markus Söder.
Jochbeinbruch, Schnittwunden im Gesicht, Bruch der Augenhöhle: Vor über einer Woche wurde der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Kleben von Wahlplakaten in Dresden so brutal angegriffen, dass er ins Krankenhaus musste. Nun hat sich Ecke erstmals bei einer öffentlichen Veranstaltung zu dem Angriff geäußert.
Im Leipziger Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus sprach Ecke am Montagabend von einem "schweren Angriff", bei dem er sich "ernsthafte Verletzungen" zugezogen habe. Doch der Spitzenkandidat der SPD bei der Europawahl stellte klar: "Ich lasse mich nicht zum Schweigen bringen. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen."
Ecke sagte, der Angriff habe ihn getroffen, aber nicht umgehauen, nicht eingeschüchtert. Zugleich habe er "enorm viel Anteilnahme und Solidarität" aus ganz Deutschland bekommen. "Das war sehr schön hat mir sehr viel Kraft gegeben." Er bleibe überzeugter Europäer und überzeugter Demokrat, in den nächsten Wochen wolle er weiterhin für die SPD werben.
Bei dem Angriff am 3. Mai hatte die Polizei die vier jungen Angreifer im Alter von 17 und 18 Jahren identifizieren können. Das LKA verortet zumindest einen der Täter im rechtsextremen Spektrum. Ecke sagte, er sehe die Ursache für den Angriff in der "Verrohung" der Gesellschaft: "Wir haben es mit einer organisierten Enthemmung zu tun", hinter der Akteure der extremen Rechten steckten. "Das ist die AfD in Sachsen, das sind die Freien Sachsen, es sind andere Netzwerke der extremen Rechten." Sie hätten ein Klima geschaffen, in denen politische Gegner als Ziele bezeichnet werden, in denen sich Menschen ermutigt fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Verletzungen im Gesicht noch nicht verheilt
Rund 60 Personen waren am Montagabend zum Dialogformat "Sag' mal Sachsen" gekommen, eigentlich um mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (beide SPD) ins Gespräch zu kommen. Doch Faeser und Köpping ließen Ecke den Vortritt, stellten sich bei seiner rund fünfminütigen Rede wie zur moralischen Unterstützung neben ihm.
Eckes Auftritt war spontan organisiert worden. Auch die SPD Sachsen erfuhr erst im Laufe des Montags, dass Ecke auftreten wolle. Laut t-online-Informationen befindet sich Ecke weiterhin in medizinischer Behandlung, doch er fühlte sich offenbar bereit, um wieder in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Der Sozialdemokrat sprach gefasst und ernst. Unter seinem linkem Auge war noch deutlich eine rotblaue Schwellung zu erkennen, allerdings nicht mehr so groß wie auf dem Foto, das er vor Tagen aus dem Krankenhaus an die Öffentlichkeit verschickte.
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Ecke erinnerte daran, dass es nicht in erster Linie darum gehe, mit "staatlichen Mitteln repressiv das Problem beseitigen". Es gehe auch darum, dass die Gesellschaft ihre Differenzen in einem demokratischen Prozess miteinander kläre. Doch auch hier sei "etwas ins Rutschen geraten".
"Wenn politische Konkurrenten mit Akteuren von Diktaturen verglichen werden, wenn man sagt, eine grüne Umweltministerin ist so jemand wie Margot Honecker, wenn man überhaupt dadurch Diktaturverharmlosung betreibt oder sagt, die Ampel gefährdet unsere Demokratie [...], dann ist das eine schwierige Entwicklung, die wir nicht weitertreiben sollten", so Ecke.
Ein klarer Wink an die Adresse des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Der CSU-Chef hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke beim politischen Aschermittwoch als "grüne Margot Honecker" bezeichnet. Ecke sprach Söders Namen nicht aus, doch es war klar, wer gemeint war.
Nach Eckes Rede gab es langen Applaus. Die meisten im Publikum waren Mitarbeiter örtlicher Bürgerinitiativen und Ehrenamtliche. Viele von ihnen waren entweder selbst schon Opfer von rechter Gewalt (wie eine spätere Publikumsumfrage ergab) oder wissen, dass sie die nächsten sein könnten.
- Beobachtungen vor Ort
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa