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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Merz tauscht Generalsekretär aus Dieser Mann soll die CDU retten
CDU-Chef Friedrich Merz tauscht überraschend seinen Generalsekretär Mario Czaja aus. Warum ausgerechnet jetzt?
Es war nur eine kurze Pressemitteilung, die am Dienstag über die Ticker der Nachrichtenagenturen lief. Aber diese hatte es in sich: CDU-Chef Friedrich Merz wechselt nach gut eineinhalb Jahren seinen Generalsekretär Mario Czaja aus. Beide hätten sich "heute einvernehmlich darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit an der Parteispitze zu beenden", teilte die CDU in dürren Worten mit. Nachfolger soll demnach der Bundestagsabgeordnete und Chef der Grundsatzkommission der CDU, Carsten Linnemann, werden (hier lesen Sie mehr dazu).
Selbst im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale, kam diese Nachricht für viele überraschend. Dabei stand der 47-jährige Berliner Czaja schon länger parteiintern in der Kritik. Er habe es weder geschafft, die Parteizentrale neu zu ordnen, noch die Kampagne der CDU zum Heizungsgesetz richtig aufzustellen. Ja, nicht einmal den sozialliberalen Flügel, für den Czaja ursprünglich einmal stand, habe er gut eingebunden, heißt es.
Nicht der erste Abgang in der Parteizentrale
Richtig ist, dass nach der Bundestagswahl keine Ruhe in der Parteizentrale eingekehrt ist. Das lag auch an Merz selbst. Erst warf er seine Leitungsstab-Chefin Andrea Verpoorten nach nur neun Wochen raus. Dann musste auch sein Büroleiter Marian Bracht gehen. An Czaja schien er hingegen trotz aller Kritik, die schon früh geübt wurde, festhalten zu wollen.
Als t-online Merz im Juni im Interview fragte, was er zu den parteiinternen Forderungen nach einem Austausch des Generalsekretärs sage, antwortete er: "Das wird nicht passieren. Er macht sehr gute Arbeit." Nun, knapp zweieinhalb Wochen später, hat er seine Meinung offenbar geändert. Warum also ausgerechnet jetzt?
Es spricht einiges dafür, dass das nicht allein an Czaja lag. Denn bei aller Kritik hat dieser auch das gemacht, was eine der Kernaufgaben eines Generalsekretärs ist: als loyaler Musketier selbst viel Kritik abfangen, die eigentlich dem Chef gilt. Auch aus dem Innern der Partei. Wahr ist deshalb auch, dass die CDU es ihren Generalsekretären nie leicht gemacht hat, egal, ob sie mehr zum Typ Haudrauf neigten wie Laurenz Meyer oder mehr zum Typ Integrierer wie Peter Tauber.
Die Abberufung Czajas dürfte daher auch ein Versuch von Merz sein, von den eigenen Problemen abzulenken. Die AfD, deren Stimmanteile er zu halbieren versprach, erlebt derzeit einen neuen Höhenflug. Die CDU streitet derweil um den richtigen Kurs und kann von der Schwäche der Ampel nicht richtig profitieren. Hinzu kommen die jungen Ministerpräsidenten, die den Leitwolf in Berlin immer mal wieder aus ihren Ländern heraus ankläffen.
Ein Fallstrick für Merz
Die Nominierung von Carsten Linnemann soll daher eine Art Aufbruchsignal in die Partei hinein sein und ist zugleich eine politische Richtungsentscheidung. Linnemann war lange Chef des konservativen, wirtschaftsliberalen Mittelstandsflügels. Von ihm ist ein schärferer Ton zu erwarten: Das gilt für Migrationsfragen genauso wie für die Sozialpolitik. Angst vor Krawall und steilen Thesen hat er keine: Zuletzt forderte er, Arbeitslose zur Annahme von Jobangeboten zu verpflichten.
Für den 45-jährigen Paderborner spricht, dass er im Gegensatz zu Czaja auf der bundespolitischen Bühne sehr viel Erfahrung besitzt. Seit 2009 sitzt er im Bundestag, seit 2013 gehört er dem Bundesvorstand an. Er ist eloquent und häufig Gast in Talkshows.
Im Kampf um den Parteivorsitz outete Linnemann sich früh als Merz-Unterstützer (hat aber in seiner Loyalität auch stets eine gewisse Flexibilität bewiesen), und es ist ein offenes Geheimnis, dass er gerne schon früher Generalsekretär geworden wäre. Merz gab ihm stattdessen die Leitung der Programm- und Grundsatzkommission, für den ehrgeizigen Volkswirtschaftler eher ein Trostpreis.
Doch auch diese Wahl ist für Merz nicht ohne Fallstricke: Die Personalie dürfte den sozialen Flügel weiter vom Parteichef entfremden. Hinzu kommt, dass Linnemann wie Merz aus Nordrhein-Westfalen stammt. Czaja stand für einen anderen Landesverband – und zumindest ein bisschen für den Osten: Er kommt aus dem Ost-Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.
So ist es keineswegs ausgemacht, dass sich eines Tages nicht auch Linnemann auf der Liste der "Merz-Gefallenen" wiederfindet, wie in der Partei gelegentlich in Anspielung auf die Todesopfer der Märzrevolution von 1848 gelästert wird.
- Eigene Recherchen