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Ursula von der Leyen im Interview: "Digitalisierung muss Chefsache sein"


Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Ursula von der Leyen
"Digitalisierung muss Chefsache sein"


Aktualisiert am 13.06.2019Lesedauer: 10 Min.
Ursula von der Leyen im t-online.de-Interview: Die Ministerin ist überzeugt, dass die Digitalisierung in der Bundesregierung, aber auch in jedem Unternehmen in Deutschland, von oben durchgesetzt werden muss.Vergrößern des Bildes
Ursula von der Leyen im t-online.de-Interview: Die Ministerin ist überzeugt, dass die Digitalisierung in der Bundesregierung, aber auch in jedem Unternehmen in Deutschland, von oben durchgesetzt werden muss. (Quelle: Robert Recker)

Kommt Deutschland bei der Digitalisierung voran? Wie gut sind wir gegen Cyber-Angriffe gewappnet? Und sind autonome Kampfroboter eine Option für die Bundeswehr? Die Verteidigungsministerin antwortet im großen t-online.de-Interview.

Die Klimakrise ist das eine Schlagwort der Stunde, das andere ist die Digitalisierung: ständig beschworen, selten konkret erklärt, de facto vernachlässigt. In der globalisierten, durchtechnisierten Welt durchdringen Algorithmen und digitale Prozesse sämtliche Lebensbereiche, von der persönlichen Kommunikation über die Arbeit bis zur internationalen Politik. Die Entwicklung geht nicht voran, sie rast voran – aber Deutschland, so hat man den Eindruck, trottet immer noch hinterher. Selbst kleine Staaten wie Estland hängen den europäischen Wirtschaftschampion ab.

Warum ist das so und was tut die Bundesregierung konkret dafür, Deutschland im Digitalen voranzubringen? Mit diesen großen Fragen beschäftigt sich t-online.de in einer Interviewserie. Den Auftakt machte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die exklusiv auf t-online.de ihre digitale Agenda erklärte. Es folgte Kanzleramtsminister Helge Braun, der in Merkels Machtzentrale die digitalen Aktivitäten der Bundesregierung koordiniert. Nun folgt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – und sie überrascht gleich zu Beginn des Gesprächs, indem sie die Organisationsform der Digitalpolitik infrage stellt. Außerdem erklärt sie im Exklusivinterview mit t-online.de, wo die Bundeswehr heute bei der Cyberabwehr steht:

t-online.de: Frau Ministerin, neben der Klimakrise ist die Digitalisierung das zweite große Zukunftsthema. Da hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten an vielen Stellen der Entwicklung hinterher. Wie beurteilen Sie den Stand der Digitalisierung hierzulande?

Ursula von der Leyen: Wir müssen besser und schneller werden. Estland ist in Europa Vorreiter, ich war gerade dort. Da sieht man, was alles möglich ist. Die Digitalisierung muss das Top-Thema bei uns sein. Sowohl in der Bundesregierung als auch in den deutschen Unternehmen.

Demnach ist sie es derzeit nicht?

Noch nicht. Bei der Bundeswehr habe ich aber festgestellt, dass die Digitalisierung die wichtigste Hausaufgabe ist, weil sie in alle Lebensbereiche hineinreicht. Wenn wir die Gesamtorganisation modernisieren wollen, muss ganz oben das Digitalisierungsthema stehen. Dasselbe können Sie auf das gesamte Land übertragen: von der Wirtschaft über die Sozialsysteme bis zu den Behörden.

Wo konkret sehen Sie Defizite?

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann ein Digitalministerium. Dieses würde die Kompetenzen bündeln, hätte die Personal- und Budgethoheit und würde die vielen digitalen Aktivitäten der Bundesregierung in eine überwölbende Architektur fassen. Dann könnte man auch viel konsequenter mit der deutschen Wirtschaft über deren digitale Aufgaben sprechen. Die digitale Entwicklung ist so rasant, dass wir uns ein Nebeneinanderher und Tempostopper einfach nicht mehr leisten können.

Die große Koalition hat ein Digitalministerium aber nicht zustande gebracht. Stattdessen sind die Kompetenzen weiterhin auf die verschiedenen Ministerien verteilt und werden im Kanzleramt gebündelt. Wir haben den Eindruck: Das ist Teil des Problems, die Bundesregierung hat keine digitale Schlagkraft.

Diese Diskussion haben wir in den Koalitionsverhandlungen geführt. Damals ist es anders gekommen. Auch in der anderen Aufstellung gibt es viele Fortschritte in den unterschiedlichen Ministerien. Aber ich bin überzeugt, dass es in der nächsten Legislaturperiode ein Digitalministerium geben muss. Wir haben ja auch bei anderen Themen gesehen, dass sie mit wachsender Bedeutung ein eigenes Ministerium bekommen haben, zum Beispiel Gesundheit und Umwelt.

Wir reden bei der Digitalisierung ja über ganz unterschiedliche Themen. Angefangen beim Online-Bürgerportal über das Schließen von Funklöchern und schnelles Internet, die Regulierung der amerikanischen Tech-Konzerne, Hasskommentare im Internet bis hin zur künstlichen Intelligenz. Was ist in Ihren Augen das wichtigste Thema?

Kein einzelnes Sachthema, sondern die Haltung! Digitalisierung muss Chefsache sein. Das ist das Entscheidende. In der Bundesregierung, aber auch in jedem Unternehmen in Deutschland muss die Digitalisierung top-down durchgesetzt werden, weil die Räder am besten ineinandergreifen, wenn die Architektur aus einer Hand kommt.

Wie setzen Sie die Digitalisierung denn bei der Bundeswehr top-down durch?

Als ich vor fünfeinhalb Jahren ins Amt kam, haben wir das Thema ganz nach oben auf die Agenda gezogen. Es umfasst zwei Fragen. Erstens: Wie bauen wir die Bundeswehr als moderne Organisation auf? Und zweitens: Wie schützen wir unsere Netze, organisieren also die Cyber-Verteidigung? Als ich damals die Frage stellte: "Wie viele heute einsatzfähige Panzer haben wir denn eigentlich?", brauchte die Antwort darauf zehn Tage. Die einsatzbereiten Waffensysteme mussten damals noch händisch gezählt werden. Händisch! Auch jede Patientenakte in der Bundeswehr war auf Papier. Wenn man eine so riesige Organisation mit 250.000 Beschäftigten und einem Budget von 45 Milliarden Euro gut steuern will, ist das A und O die Digitalisierung aller Prozesse. Damit man weiß, was überhaupt die Lage ist und wo man ansetzen muss, um besser zu werden. Heute haben wir die 66 Hauptwaffensysteme digitalisiert. Ich weiß also auf Knopfdruck, wie viele Kampfjets einsatzbereit sind. Das mindert noch nicht unsere Probleme, aber schafft Transparenz über die Lage und ermöglicht es, Personal, Finanzen und Controlling zu steuern.

Apropos Personal: IT-Entwickler und andere digitale Experten werden ja auch in den Ministerien überall händeringend gesucht.

Wir brauchen Personal für den Umbau der Bundeswehr. Das gute ist, wir können viele Fachkräfte selbst ausbilden. Wir haben etwa einen Cyber-Masterstudiengang an der Bundeswehruniversität in München gegründet und unsere eigene IT-Fachschule ausgebaut. Außerdem haben wir ein Forschungsinstitut an der Bundeswehruniversität und ein Cyber-Innovation-Hub gegründet. Die Leute dort spüren spannende neue Technologien auf, um sie frühzeitig in die Bundeswehr zu holen. Das haben wir von der DARPA (Forschungseinrichtung des US-Verteidigungsministeriums, Anm. d. Red.) der Amerikaner gelernt.

Braucht Deutschland eine eigene DARPA?

Mit dem Cyber-Innovation-Hub und der mit dem Innenministerium gegründeten Cyber-Agentur, die spannende Grundlagenforschung fördert, sind wir schon auf dem Weg.

Die ist allerdings eher ein DARPAchen.

Natürlich muss dieses Engagement noch deutlich wachsen. Aber das Fundament ist gelegt.

Wie geht es beim Schutz der digitalen Netze voran?

Als ich mein Amt antrat, war die Cyberabwehr über die ganze Bundeswehr verstreut. Ich habe dann alle Einheiten zu einer schlagkräftigen Cybertruppe zusammengezogen, dem "Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum", der gleichberechtigt zu den Teilstreitkräften Marine, Luftwaffe und Heer ist. Dieser Truppe gehören heute bereits 15.000 Soldatinnen und Soldaten an. Sie wehren am Tag im Schnitt 4.500 Angriffe unterschiedlicher Qualität ab – von kleinen Attacken bis hin zu hoch differenzierten "Advanced Persistant Threats". Die Zahlen steigen rasant. Das zeigt, wie wichtig diese Truppe ist.

Müsste man bei der Cyberabwehr nicht noch stärker europäisch vorgehen? Kann Deutschland allein mit der weltweiten Entwicklung überhaupt Schritt halten?

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Oberstes Gebot bei der Cyberabwehr ist die Vernetzung, mit anderen Behörden, mit der Wirtschaft, aber auch mit unseren Verbündeten. Unser Forschungscluster CODE trägt in der EU zum Aufbau eines Cybersecurity Competence Centers bei. Und auch in der Nato haben wir uns zusammengeschlossen, um die Verteidigung unserer Netze in regelmäßigen Abständen zu üben.

Sie sprechen von den "Locked Shields"-Übungen.

Ja, die sind ein Beispiel. Aber auch Verteidigungsaktivitäten gemeinsam mit Unternehmen. Bei einem massiven Cyberangriff, zum Beispiel auf den Finanzplatz Frankfurt, auf die Energieversorgung oder auf Krankenhäuser, haben wir nur eine Chance zur Verteidigung, wenn wir erstens schnell reagieren können und zweitens möglichst viele Cyberexperten zur Verfügung haben. Viel hilft viel in so einem Fall. Die Experten müssen sich und ihre Fähigkeiten aber kennen und im Idealfall vorher miteinander trainiert haben. Deshalb bauen wir in der Bundeswehr neben der Cybertruppe auch noch eine Cyberreserve auf – und zwar zusammen mit Unternehmen. Schon heute haben wir dafür ein Netzwerk mit etwa 1.000 Leuten aus der privaten Wirtschaft, die regelmäßig in oder mit der Bundeswehr üben. In Zeiten des Fachkräftemangels ist eine solche Kooperation für beide Seiten Gold wert.

Der verteidigungspolitische Sprecher Ihrer Fraktion hat künstliche Intelligenz als Epochenwechsel für das Militär bezeichnet, vergleichbar mit dem Schießpulver und der Atombombe. Sehen Sie das genauso – und ist Deutschland in der Lage, mit KI-Großmächten wie China und den USA mitzuhalten?

KI birgt enorme Möglichkeiten. Wie jede neue Technologie bringt sie aber nicht nur Chancen mit sich, sondern auch Risiken. KI kann helfen, das Ersatzteilmanagement deutlich zu verbessern oder voraussagen, wo die nächste Krise ausbricht. Weil unser Alltag immer stärker vernetzt wird, nimmt auf der anderen Seite auch unsere Verwundbarkeit zu. Das Thema muss uns deshalb nicht nur im Militär, sondern auch im Alltag immer stärker beschäftigen.


Die Bundesregierung hat eine Nationale Strategie zu künstlicher Intelligenz herausgegeben. Das Wort "Bundeswehr" kommt darin aber nur ein einziges Mal vor. Sind Sie damit zufrieden?

Die Bundeswehr ist im Vergleich zu anderen Bereichen bei diesem Thema weit vorne. Wir nutzen KI bereits in hoch spannenden Projekten. Eines ist die Krisenvorsorge. Früher wurden Informationen, beispielsweise für den Einsatz in Mali, händisch aus öffentlichen und anderen Quellen zusammengesucht, um die Lage zu beurteilen. Heute haben wir "Big Data", die erst mit künstlicher Intelligenz kategorisiert, priorisiert und vor allem so visualisiert werden kann, dass sie militärische Lagebilder Westafrikas oder des Nahen Ostens heute in Echtzeit darstellt. Das ist ein großer Fortschritt, wenn es darum geht, schnell die richtige militärische Entscheidung zu treffen!

Ist das also die Zukunft der Bundeswehr: alle Prozesse werden digital gesteuert?

Ja, das ist der Trend. Wir arbeiten an einem Großprojekt, das alle landbasierten Operationen digitalisiert. Alle Fahrzeuge und beteiligten Kräfte sind untereinander vernetzt. Auch über eine Datenbrille werden den Soldaten dann im Einsatz alle wesentlichen, aus Big-Data herausgefilterten Informationen eingespielt. So verfügen sie etwa am Boden in Afghanistan in Echtzeit auch über Erkenntnisse, die durch Drohnen oder abgefangene Kommunikation des Gegners erworben wurden. Bewegungen in ihrem Umfeld sehen die Soldaten künftig über diese Datenbrillen, auch wenn die Sicht durch einen Hügel verstellt ist. Das soll ihre Entscheidungen im Einsatz vereinfachen und kann Leben retten.

Andere Staaten investieren sehr stark in autonome Waffensysteme. Braucht Deutschland Kampfroboter oder sollte es sich dem Wettrüsten verweigern?

Nein! Aus gutem Grund ächten wir autonome Waffen. Solche Waffensysteme dürfen nicht die schwerwiegenden ethischen Entscheidungen ersetzen, das ist der entscheidende Punkt. Die Weltgemeinschaft diskutiert das Thema auf der Ebene der Vereinten Nationen, hat aber noch keine schlüssige Antwort gefunden. Die Bundesregierung hat sich klar positioniert: Die menschliche Entscheidung muss beim Waffeneinsatz immer ausschlaggebend sein.

Braucht es also Abrüstungsverträge für künstliche Intelligenz und Waffen im digitalen Raum?

Die neuen Gefahren brauchen auch neue Antworten. Die Trennung zwischen militärischer und ziviler Welt funktioniert hier nicht. Cyberangriffe betreffen ja nicht nur den militärischen Bereich, sondern bedrohen jegliche kritische Infrastruktur. Cyberangriffe sind unschlagbar billig, auch für zivile Aggressoren erschwinglich. Organisierte Kriminalität im Netz ist beispielsweise ein riesiges, schnell wachsendes Problem. Sie verursacht Milliardenschäden – Konten werden geplündert, Identitäten geraubt und verkauft, Wirtschaftsvertreter werden erpresst. Auf Plattformen wie dem Cybersecurity Center des World Economic Forum arbeiten wir, um die Gefahr zu bannen, auch mit Staaten wie Russland und China, die in diesem Bereich ein ähnliches Interesse an der Kriminalitätsbekämpfung haben wie wir.

Zugleich greifen aber Russland und China Deutschland mit staatlich gesteuerten Hacker-Attacken an. Sind wir dagegen gut genug gerüstet?

Wir werden immer besser. Bei Russland fällt auf, dass es im militärischen Bereich aktiver ist, China ist eher in der Wirtschaft unterwegs. Wir prüfen unsere Systeme immer wieder auf Hintertüren und Sicherheitslücken und entwickeln die Verteidigung ständig weiter. Entscheidend ist dabei der Informationsaustausch mit unseren Partnern. Ein Beispiel: Der Computerwurm "WannaCry" stammte aus der Entwicklung einer befreundeten Nation, fiel aber in die Hände von Kriminellen und richtete riesige Schäden an. Ein europäisches Containerschiff-Unternehmen kostete er einen dreistelligen Millionenbetrag, obwohl es gar nicht im Zentrum des Angriffs stand. Hätten die Nationen sich früher ausgetauscht, hätten wir "WannaCry" vermutlich eher kommen sehen und viele Schäden vermeiden können.

Worin sehen Sie den Unterschied zwischen einer Hacker-Attacke und einem konventionellen militärischen Angriff?

Es ist etwas völlig anderes. Erstens kann man angegriffen werden über Wochen, ohne es zu merken. Man riecht, sieht und hört eine Cyberattacke nicht zwingend. Hinzu kommt, dass der Ursprung der Attacke meist nur schwer oder gar nicht zu identifizieren ist. Das kostet viel Zeit und ist die größte Herausforderung. Zweitens ist der Angriff im Vergleich zu konventionellen Systemen extrem billig: Sie brauchen kaum mehr als Programmierfähigkeiten und einen Internetzugang. Drittens ist der Angriff sehr stark skalierbar: vom Mitlesen bis hin zu desaströsen Zerstörungen.

Braucht Deutschland unbedingt die Möglichkeit zum digitalen Gegenschlag?

Zur Abschreckung ja. Eine gute Verteidigung kann nur aufstellen, wer weiß, wie Angriffe funktionieren. Das Problem ist ein anderes: Wir müssen immer hundertprozentig sicher sein, woher der Angriff kommt, was häufig viel Zeit kostet und manchmal nie sicher nachweisbar ist. Deshalb ist es oft deutlich besser, nicht reflexhaft Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern Beweise so gut wie möglich zu sichern und klug zu überlegen, wo der Angreifer seine Schwachpunkte hat. Die Antwort muss dann nicht digital sein, sondern kann etwa über Wirtschaftssanktionen kommen. Das Muster kennen wir aus der analogen Welt im Fall Skripal …

… der in London von russischen Agenten vergiftet wurde …

… hat die EU Sanktionen gegen russische Militärangehörige verhängt. Unsere Antwort war also besonnen, aber in der Botschaft klar: So geht es nicht.

Im Jahr 2015 haben Sie eine Strategische Leitlinie erlassen, die die Möglichkeit zum Gegenschlag enthält. Wäre die Bundeswehr heute in der Lage, Server von Angreifern zu zerstören?

Weil unsere Cybertruppe gut ist, können wir viel. Ob wir das Know-how dafür einsetzen, ist eine politische Entscheidung, die nach exakt denselben Regeln erfolgt, wie im analogen Bereich. Sie muss die Frage berücksichtigen: Was definiert sich als Angriff auf Deutschland oder auf die Nato? Das bewerten wir gemeinsam mit den Partnern und das Gesamtbild entscheidet. Ein Beispiel: Der russische Angriff auf die Ukraine war zunächst eine Mischung aus dem Einsickern von Soldaten ohne Hoheitsabzeichen, aus schweren Waffen, die aus dem Nichts auftauchten, aus Cyberattacken, aus dem Schüren von Unruhe, aus der Beeinflussung der Bevölkerung mittels russischsprachiger Medien. Es war ein Gebräu von niederschwelligen Einzelereignissen, das in der Gesamtheit einen Angriff auf einen souveränen Staat ausmachte.


Geheimdienste berichten, dass Russland massiv aufrüstet und sich systematisch auf einen militärischen Konflikt mit der Nato vorbereite. Auch mit Atomwaffen. Nehmen wir diese Gefahr in Deutschland ernst genug?

Das Selbstverständnis der Nato ist, dass das Bündnis nicht gegen jemanden gerichtet ist, sondern dass wir deutlich machen, dass wir unser Territorium und die Bürger der Allianz verteidigen. Es ist eine Gemeinschaft von 29 Mitgliedern, die jeden Quadratzentimeter jedes Mitgliedslandes verteidigt. Dafür müssen wir glaubwürdig sein. Dazu gehört, dass man auch im Cyberraum die notwendigen Fähigkeiten hat.

Im Februar 2021 läuft der nukleare Abrüstungs- und Kontrollvertrag "New Start" zwischen Amerika und Russland aus. Er kann einmalig um fünf Jahre verlängert werden. Wie groß ist in Ihren Augen die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt?

Wir müssen aus der deutschen Perspektive alles an die Verlängerung des "New Start"-Vertrags setzen. Auch im Hinblick auf andere Atommächte. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, Nuklearwaffen abzubauen. Dafür steht die Bundesregierung und lässt keine Gelegenheit aus, diese Haltung gegenüber den beiden Vertragspartnern zu verdeutlichen.

Frau Ministerin, vielen Dank für das Gespräch.

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